Nioh 2 im Test – Ein Nerd im Recyclingwahn?

Nioh, also der Erstling aus der Reihe, die nun mit Nioh 2 fortgesetzt wird, kam zu spät. Viel zu spät, ja sogar Jahre zu spät. Denn Nioh war ursprünglich als Titel für die PS3 angekündigt und erschien, mit sichtlich angestaubter Optik, dann 2017 für die PS4 und später auch für den PC. Ob Nioh 2 aus dem Hause Team Ninja, Fans von Soulslikes von sich überzeugen kann, verrät euch unser Test.

Nioh 2 gewinnt keine Preise für kreative Namensgebung. Nicht einmal für einen Untertitel hat es gereicht. Warum nicht Nioh 2 – The Beginning oder Nioh 2 – wer recycelt spart doppelt? Spaß beiseite, im Kern ist Nioh 2 tatsächlich nicht nur ein sehr guter Eintrag ins Soulsikegenre sondern auch eine sinnvolle Weiterentwicklung des tollen Erstlings. Auch wenn die staubige Technik vielleicht nicht geeignet ist für Allergiker und der Schwierigkeitsgrad in Nioh 2 nochmal eine ordentliche Stufe über dem liegt, was Kenner des Erstlings vielleicht erwarten. Gleichzeitig gibt es aber auch einige Möglichkeiten, sich das Leben im Spiel einfacher zu machen. Noch dazu hat Team Ninja hier die kürzesten mir bekannten Ladezeiten im Genre auf die PS4 gezaubert und das ist eine vortreffliche Neuerung! Denn nirgends sterben Spieler so oft wie in diesem Genre und müssen dann oft gefühlt ewig warten, bis sie den nächsten Anlauf starten können. In Nioh 2 kann man beinahe schon im Moment des Ablebens das X auf dem Playstation Controller drücken und findet den eigenen Spielcharakter dann auch schon am letzten Schrein wieder.

Fast so hässlich wie das echte Leben!

Ja, viel ist schon über Bodyshaming geschrieben worden (übrigens auch im Gamingbereich) und wie sehr sich die aufpolierte Optik und dargestellte Schönheitsideale von TV, Film und Social Media negativ auf das eigene Selbstbewusstsein in der Gesellschaft auswirken können. Deshalb habe ich dieses Mal tatsächlich richtig viel Zeit im extrem umfangreichen Charaktereditor von Nioh 2 verbracht. Denn anders als im ersten Teil, spielen wir in Nioh 2, dass in Sachen Geschichte ein Prequel zum ersten Teil darstellt, einen eigenen Charakter. Diesen dürfen wir uns auch selbst zusammenzimmern. Mit viel Mut zur Hässlichkeit habe ich mir hier eine Art Trollin zusammengebaut mit pinken Haaren. So wie die Kinderspielzeuge mit langen Haaren oder auch aus dem Animationsfilm Trolls aus dem Jahr 2016. Man kann definitiv tolle Charaktere mit dem Editor erstellen aber hässlich geht halt einfach schneller. Toll ist, dass die Optik des eigenen Charakters auch in den zahlreichen Zwischensequenzen entsprechend übernommen wird. Finde ich zumindest. Meine Freundin ist beim Zuschauen jedes Mal geradezu angewidert vom Anblick meiner Trollin. Ich finde sie den Umständen entsprechend ansehnlich genug. Immerhin ist sie ein Halbyokai, sprich Halbdämonin! Also, ich spreche natürlich von meinem Spielcharakter und nicht von meiner Freundin!

Deshalb dürfen wir auch die Optik ihrer Dämonenform noch anpassen. Anschließend finden wir uns auf einer kleinen Insel wieder. Hier können wir alle Waffengattungen durchprobieren und in diversen Variationen den Kampf im Rahmen des optionalen Tutorials erlernen. So unterscheiden sich unsere Angriffe in Sachen Bewegungsablauf, Höhe des verursachten Schadens und Verbrauch des Ki (Ausdauer) in Abhängigkeit davon, ob wir uns in tiefer, mittlerer oder hoher Haltung befinden. Die Haltung kann jederzeit, auch mitten im Kampfgetümmel, gewechselt werden. Die neue Waffengattung Glefe verändert dabei auch ihre Form, ähnlich wie die Trickwaffen in Bloodborne. So wird die Glefe je nach Haltung auch mal zur vollausgeklappten Sense.

In Sachen Fortschrittsystem hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert: gesammeltes Amrita, für das Besiegen von Gegnern, wird in Stufenaufstiege und Anpassung der Charakterwerte investiert. Hierdurch werden Lebenspunkte, Ausdauer, Ausdauerregeneration sowie Schadenswerte für bestimmte Waffenarten erhöht oder das Tragen besonders schwerer Rüstung ermöglicht. Auch zahlreiche Magie-, Jutsu sowie Ninja-Fähigkeiten profitieren von entsprechend gesteigerten Charakterattributen. Auch die Vertrautheit mit Waffen ist wieder mit dabei: je länger man eine Waffe benutzt, umso höher steigt die Vertrautheit mit ihr, wodurch sich automatisch einige Boni der Waffe freischalten und sie mehr Schaden verursacht.  Und nach wie vor gibt es kein Klassensystem, so dass es keine Grenzen beim Entwickeln eures Charakters gibt. So ist ein Shuriken und Brandbomben werfender Magier mit schwerer Langaxt genauso möglich, wie ein auf Schnelligkeit und Schaden optimierter Ninja. Das dabei noch ähnlich viel Loot fällt wie in Diablo und Co. motiviert ungemein, mit allen Waffen- und Rüstungsarten immer wieder zu experimentieren.

Das Spiel mit dem grünen Punkt?

Gegner- und Levelvielfalt waren in Nioh ein echtes Problem. Denn nach ca. einem Drittel der Spielzeit hatte man alle Levelversatzstücke und Gegnertypen gesehen, so dass es bis zum Ende des Spiels und abseits der Bosse nichts Neues mehr zu entdecken gab. Insbesondere die Notwendigkeit die zahlreichen Nebenmissionen zu machen, um den eigenen Charakter hochzuleveln und so für die nächste Hauptmission ansatzweise gewappnet zu sein, konnte recht nervig sein. Denn letztlich ist man die immer gleichen Level abgelaufen, nur dass die Gegnerarten und Positionen ein bisschen durchgewürfelt wurden und das Level durch Steine und Bäume an einigen Stellen versperrt war. So waren die Nebenmissionen eigentlich immer Auszüge aus bereits bekannten Leveln. Und leider muss ich sagen, dass sich sowohl die Notwendigkeit für Nebenmissionen als auch das Ablaufen der immer gleichen Levelabschnitte wiederholt. Tatsächlich sieht, auch wenn die Grafik minimal aufpoliert wurde, irgendwie alles so aus wie in Nioh 1. Brennende Dörfer, verlassene Dörfer, Wald, Lavaabschnitt und Burgen. Fertig. OK, Höhlen gibt es auch noch. Das könnte und scheint tatsächlich auch 1:1 aus dem Erstling übernommen worden zu sein.

In Sachen Gegnervielfalt hat Team Ninja aber dann tatsächlich doch noch ordentlich neues Viehzeug ins Spiel gepackt. Ich würde sagen, dass alle alten Gegnertypen ca. 25% der Gegnertypen aus Nioh 2 ausmachen. Es gibt zahlreiche neue Gegner mit teilweise richtig fiesen Spezialangriffen. So sind die kleinen Gakis einzeln recht ungefährlich, so lange sie nicht den Spieler oder andere erledigte Monster auffressen und plötzlich fünf Mal so groß sind wie vorher. Die schwierigsten Gegner sind natürlich auch hier wieder die Yokai, die nun nicht nur eine kleine kreisförmige Aura ihres dunklen Reiches erzeugen und damit die Ki-Regeneration drastisch verlangsamen. Denn jetzt gibt es ganze Areale in der Spielwelt, die sie in ihr dunkles Reich ziehen. Hier drinnen sind alle Gegner stärker, schneller und aggressiver. Sie stecken mehr ein und teilen mehr aus und dazu ist die eigene Ausdauerregeneration eben auch noch drastisch reduziert. Umso befriedigender ist es, wenn man in einem solchen Gebiet den Yokai ausfindig gemacht und erledigt hat, der das dunkle Reiche erzeugt. Denn dieses verschwindet dann, inkl. aller darin befindlichen Gegner, so dass man nun in Ruhe alles nach Loot durchstöbern kann. Oftmals findet sich hier drin auch ein Schrein, sprich Rücksetzpunkt, den man erst benutzen kann, nachdem das dunkle Reiche vertrieben wurde. Gefährlich, reizvoll, spannend aber auch absolut lohnenswert.

Das schwerste Soulslike? – Nein!

Wenn man sich mal Tests bei Kollegen anschaut oder auch Kommentare zum Spiel liest, scheint es so, als wäre Nioh 2 das schwerste oder zumindest eines der schwersten Soulslikes, die es bislang gibt. Ich selbst kann das im Test nicht nachvollziehen. Damit will ich nicht sagen, dass ich der totale Experte im Genre bin, sondern viel mehr auf einige Mechaniken hinweisen, die bei deren Nutzung das Spielgeschehen schon deutlich vereinfachen.

Natürlich kann man sich erhebliche Vorteile durch Grinden sowie durch das Verbessern von Waffen in der Schmiede erarbeiten. Grinden durch die Bekämpfung von Rückkehrern hilft hier gleich mehrfach: man bekommt Amrita (Erfahrungspunkte), Rufpunkte und Ochoko-Becher. Mit Rufpunkten und nach Erledigung verschiedener Anforderungen werden sowohl Titel als auch permanente Perks freigeschaltet, so dass das Ki dauerhaft steigt oder der eigene Charakter mehr Lebenspunkte aufweist. Mithilfe der Ochoko-Becher können an blauen Seelengräbern computergesteuerte Abbilder anderer Spieler als Unterstützung herbeigerufen werden. Und diese stellen sich, zumindest im Versionsstand 1.05, gar nicht so dumm an. Insbesondere findet man, wenn man ein wenig danach Ausschau hält, immer mal wieder Seelengräber deren Stufe auch mal 20 Stufen über der eigenen ist. Diese Helfer stecken viel ein, teilen ordentlich aus und sind eine große Hilfe bei Bosskämpfen aber auch beim Erkunden des aktuellen Gebietes. Natürlich könnte man auch ein blaues Seelengrab nutzen, um anschließend einige Rückkehrer aus roten Seelengräbern zu bekämpfen. Mehr Becher, mehr Amrita, mehr Ruf und natürlich auch mehr Ausrüstung zum Aufsammeln.

Alternativ können die Becher auch am Schrein geopfert werden, um Besucher herbeizurufen. Das sind dann tatsächlich andere Spieler. Davon können bis zu zwei beschworenen werden. Oder ein Besucher und ein computergesteuerter Begleiter aus einem blauen Seelengrab begleiten euch. Spätestens mit einer der beiden letzten Konstellationen lassen sich, zumindest im ersten Spieldurchlauf, auch die schwereren Bossgegner besiegen. Trotzdem ist auch hier der Einsatz des Wuchtkonters und geschicktes Ki-Management gefragt, um den Kampf und die Mission erfolgreich zu beenden. Hier und da garniert mit dem Einsatz von Amulett oder einem geschickten Bombenwurf. Ein Selbstläufer wird das Spiel zu keinem Zeitpunkt. Übrigens bekommen wir auch immer mal wieder in Haupt- und Nebenmissionen andere Charakter aus der Geschichte des Spiels als Begleiter an die Seite gestellt. Diese sind im Grunde unzerstörbar, teilen ordentlich aus und knien sich manchmal hin, wenn sie zu viele Treffer kassiert haben. Aber per kurzem Tastendruck neben ihnen stehend, helfen wir ihnen wieder auf die Beine. Leider kann es tatsächlich sehr unübersichtlich vor lauter Lichteffekten werden, wenn ein solcher Begleiter, ein Begleiter aus einem blauen Seelengrab und dann noch ein Besucher uns beim Kampf unterstützen. Vor lauter Kombos, Explosionen und Lichtblitzen von Spezialfähigkeiten, die dann auf einzelne, z. B. Bossgegner, einprasseln, verliert man schnell mal die Übersicht über den eigenen Charakter. Hier hilft nur die eigene Lebensanzeige im Auge zu behalten, zu heilen wenn nötig und zu versuchen aus dem Chaos kurz auszubrechen, um sich neuzuorientieren.

Und wenn der Lagerbestand an Elixieren, sprich Heiltränken, mal zur Neige geht, kann man immer am Schrein nicht benötigte Ausrüstung den Kodamas opfern und den Vorrat an Elixieren, aber auch an Pfeilen und Gewehrmunition, wieder auffüllen. Wer nicht nur Rückkehrer bekämpfen und Nebenmissionen zum Grinden durcharbeiten möchte und auch nicht die immer gleichen Missionen erneut spielen will, z. B. weil er noch nicht alle der kleinen grünen Kodamas gefunden hat, die ebenfalls mit ihrem Segen Boni gewähren, der kann auch selbst zum Besucher werden. Dazu muss auf der Landkarte nur eine entsprechende Mission angewählt werden und per Tastendruck meldet man sich als potentieller Besucher an. Kurze Zeit später hilft man auch schon anderen Spielern bei ihren Abenteuern. Die Verständigung mit Gesten ist dabei sehr hilfreich und man bekommt Gegenstände, Amrita und sogar noch Bonusamrita und Gold dafür, wenn man eine Mission erfolgreich erfüllt hat, sprich gemeinsam den Levelboss gelegt hat.

Übrigens haben wir als Halb-Yokai nicht nur den, vor allem für Bosskämpfe wichtigen und bereits angesprochenen, Wuchtkonter im Kampfrepertoire, sondern auch einen Yokai-Angriff und wir können uns für einige Zeit auch selbst in einen Yokai verwandeln. Dabei verbrauchen wir eine entsprechende Energieleiste, teilen dafür aber auch besonders viel Schaden aus. Auch die Yokai-Fähigkeiten und -Verwandlung können mit Hilfe von Fertigkeitspunkten verbessert werden. So können wir uns länger verwandeln, machen mehr Schaden oder bekommen mehr Amrita. Unsere Yokai-Fähigkeiten können wir mit Hilfe gefundener Seelenkerne anpassen und austauschen. Oder wir verschmelzen zwei Seelenkerne, um einen davon zu verbessern. Und zusätzlich finden wir im Verlauf des Spiels immer mehr Geister, deren Fähigkeiten wir uns durch Geistteilung aneignen können. So wird aus dem im Tutorial gewählten Geist später vielleicht ein Schwarm Schmetterlinge. Oder eine Schlange.

Fazit

Nioh 2 ist ein waschechtes Soulslike, das mit zahlreichen Missionen, Nebenmissionen und zusätzlichen Aktivitäten sehr lange unterhält. Wer sich nur auf das eigene Spiel konzentriert kann in ca. 60 h den Abspann sehen. Aber wer selbst als Besucher andere Spieler unterstützen möchte, sich an den bockschweren Zwielichtmissionen die Zähne ausbeißen und auch alle Dojo-Aufgaben erledigen will, kann einige Stunden drauf rechnen. Und dann gibt es da auch noch die Expeditionen, wo drei Spieler gemeinsam Missionen durchspielen und sich gegenseitig wiederbeleben können. Zumindest so lange noch mindestens einer lebt und die Wiederbelebungsleiste noch nicht geleert ist. Und wie es sich für ein Soulslike gehört, ist nach dem Abspann, vor New Game Plus. Und der Season Pass lässt erahnen, dass, wie schon bei Teil 1, vielleicht ja noch Story-DLCs in der Zukunft auf uns warten. Auch wenn es technisch arg angestaubt ist, so hat Team Ninja nicht nur die Ladezeiten vorbildlich optimiert und die Optik ein wenig aufgebessert, sondern auch noch drei verschiedene Spielmodi entwickelt. Die mal mehr, mal weniger auf Optik oder Geschwindigkeit getrimmt sind. Wobei ich persönlich letzteres bevorzuge. Nioh 2 ist ein Pflichtkauf für Fans von Teil 1 und allen ausgehungerten Soulslike-Fans, die The Surge 2 schon beiseite gelegt haben, kann man Nioh 2 auch absolut empfehlen. Nur auf das Grinden müsst ihr euch einstellen. Übrigens gibt es auch eine ganz nette Story, die durch die optionale japanische Synchronisation auch recht atmosphärisch wirkt. Inhaltlich letztlich aber nur blasses Beiwerk ist.

Nioh 2
Grafik/Präsentation
81
Story/Atmossphäre
81
Gameplay
93
Spielspaß
91
Leserwertung35 Bewertungen
46
großer Umfang
stets fair
spannendes Setting im Japan des 17. Jhds.
motivierende Fortschrittsysteme
freie Charakterentwicklung
extrem kurze Ladezeiten
angestaubte Technik
viel Grinding
abwechslungsarme Umgebungen
87