Spiele mit Horrorthema gibt es mittlerweile gar nicht so wenige. Was zumindest zeitenweise eher ein Nischenthema war ist mittlerweile im Fokus so einiger Entwickler. Dabei setzen die meisten Horrortitel mittlerweile eher auf die First Person Sicht. Das sollte vielleicht schon alleine deshalb nicht verwundern, weil die Immersion hier deutlich größer ist und man als Spieler einfach deutlich mehr im Geschehen ist. Mich haben jedenfalls schon vor 15, 20 Jahren Titel wie Alien vs. Predator 2, FEAR oder STALKER mehr gepackt, als die damals üblichen Third Person Horrortitel. Ausgerechnet die sind mittlerweile dafür selten. Das gilt ganz besonders, wenn es sich um psychologischen Grusel statt Survival-Gesplatter im Resi-Stil handelt. Ausgerechnet die Ego-Horror-Experten Bloober Team aus Krakau wollen das mit The Medium nun ändern. Na hoffentlich ist das spannender als Blair Witch.
Silent Hill Reloaded?
Nach einem gelungenen Intro finden wir uns mit unserer Protagonistin Marianne in der Wohnung unseres Ziehvaters Jack wieder. Wir müssen ihn nämlich für sein eigenes Begräbnis fertig einkleiden, was einer gewissen Ironie nicht entbehrt, wenn der Verstorbene selbst Bestatter war. Ausgerechnet während dieser Prozedur erreicht uns ein mysteriöser Anruf von einem gewissen Thomas, der will, dass wir uns zum verlassenen NIWA Ressort begeben, einem verlassenen Ferienkomplex aus der sozialistischen Ära, in dem seinerzeit ein Massaker stattgefunden haben soll.
Als Medium sieht Marianne nicht nur die physische, sondern auch die spirituelle Welt, was für uns als Spieler bedeutet, dass wir teilweise beide Dimensionen parallel verfolgen, bisweilen aber auch nur in einer von beiden unterwegs sind. Dabei ist gerade das NIWA der anderen Seite ein seltsamer, gestörter und verdrehter Ort. Irgendetwas schlimmer muss passiert sein. Und ziemlich direkt treffen wir hier auch auf den Geist eines Mädchens, das sich Trauer nennt. Dagegen fehlt von Thomas jede Spur. Dafür treffen wir aber auf etwas anderes….
Tatsächlich erinnert The Medium, zumindest atmosphärisch, oftmals am ehesten an Titel wie Silent Hill. Das liegt aber nicht nur an der, im und um das NIWA schon recht alptraumhaften, spirituellen Ebene, sondern auch am Sounddesign. Denn zumindest für die jenseitige Spielebene zeichnet auch noch Akira Yamaoka für den Soundtrack verantwortlich. Auf der ‘normalen’ Seite stammt der Soundtrack dagegen von Arkadiusz Reikowski, der bei Bloober Team auch sonst für die musikalische Untermalung zuständig ist. Damit vollzieht sich der Wandel zwischen den Welten auch akustisch, was die Wirkung verstärkt.
Interessanter Weise fand ich das verlassene und verfallene NIWA persönlich eher unheimlicher als das, was uns The Medium auf der anderen Seite vorsetzt. Vielleicht liegt es daran, dass diese Seite einfach viel greifbarer erscheint, vielleicht aber auch daran, dass der Antagonist, der uns später noch verfolgen wird, auf der anderen Seite nicht den gleichen Reiz auf mich ausübt?
Storyseitig kann The Medium jedenfalls punkten. Auch, wenn der Grusel aus meiner Sicht gerade im späteren Spielverlauf nicht besonders groß war, was natürlich immer subjektiv ist. Dennoch ziehen Charaktere und Handlung einen durchaus in ihren Bann. Während man zu ersteren, trotz oder gerade wegen der fast schon kammerspielartigen Besetzung, Stück für Stück mehr erfährt, bietet letztere immer wieder Wendungen und Enthüllungen, die überraschend kommen oder mit denen man zumindest nicht in der Form gerechnet hat. Dazu kommt, dass Marianne als Protagonistin überzeugen kann und das Voice Acting, gerade der Hauptfiguren, wirklich gelungen ist.
Adventure ohne Anspruch
Spielerisch hätte ich mir wiederum mehr von The Medium gewünscht. Die gute Nachricht vorweg, es ist kein Walking Simulator. Wir können nicht nur aus verschiedenen Gründen sterben, wir haben tatsächlich unsere Fähigkeiten zu nutzen und Rätsel zu lösen. Dummerweise wäre hier auch Luft nach oben. So können wir bestimmte Gegenstände zum Beispiel nach Echos scannen, Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit, die an den Objekten haften. Nur funktioniert das immer gleich simpel, auf die passende Taste drücken, Objekt so lange drehen, bis der passende ‘Riss’ im Objekt hell aufleuchtet und dann warten bis das Echo anfängt. Im Jenseits zum dutzendsten Mal eine Hautbarriere träge aufschneiden begeistert auch nur bedingt.
Aber auch die meisten Rätsel lassen sich quasi im Vorbeigehen lösen. Falls man doch etwas länger für die Lösung braucht hat man in den meisten Fällen schlicht und ergreifend ein Element übersehen. Das alles ist nicht wirklich schlecht gemacht, im Gegenteil, der Spielfluss bleibt sogar immer gut erhalten, weil man auch nie wirklich ausgebremst wird. Aber von Adventure Highlights ist The Medium doch schon ein gutes Stück entfernt. Ärgerlicher, um manche Aktionen auszulösen muss man genau richtig stehen, was zwei Mal ausgerechnet dann nicht klappen wollte, als der Antagonist des Spiels hinter mir her war. Bei der ersten Stelle wollte der passende Trigger im ersten Anlauf einfach nicht, danach ging es dann ohne Probleme. Eine andere Stelle war wiederum einfach unnötig hakelig, was in Verbindung mit nicht abbrechbarer Mini Cutscene nervig war.
Sound fett, Grafik nett
Tatsächlich ist The Medium akustisch nahezu immer auf dem Punkt. Das gilt besonders mit Kopfhörern oder Surroundanlage. Während die Umgebungs- und Spielweltgeräusche eigentlich immer ziemlich auf den Punkt sind kann gerade das Voice Acting einfach überzeugen. Eventuell fallen manche Nebenrollen hier ein wenig ab, gut sind sie trotzdem. Aber gerade die Hauptrollen überzeugen einfach. Mehr als abgerundet wird das Ganze durch den atmosphärisch absolut stimmigen Soundtrack.
Grafisch gibt sich das Spiel dagegen nicht ganz so einfach. An der Stelle muss man natürlich auch bedenken, dass Bloober Team kein riesiges Tripla A Studio ist, dem gigantische Budgets zur Verfügung stehen. In erster Linie merkt man das immer wieder bei Animationen. Die sind tatsächlich immer wieder mal etwas hölzern, wobei Cutscenes hier nicht das Problem sind. Allerdings fehlen dort teilweise die Mikrobewegungen, die nicht nur Titel vom Schlag eines Uncharted nachbilden, sondern auch Spiele wie Hellblade oder Control. Auch wenn The Medium hier einen soliden Job macht verschenkt es an der Stelle leider noch Potenzial.
Ansonsten fallen nur gelegentlich auftretende Matschtexturen, ein paar niedrig auflösende Raytracing Spiegelungen und ab und an auftretende Pop Ins negativ auf. Davon abgesehen gibt es eigentlich nix zu meckern. Der Detailgrad ist hoch, die Figuren glaubwürdig designt, gerade der sozialistische Betonbunker NIWA, dem realen Hotel Cracovia nachempfunden, kann wirklich punkten. Zwischendurch wartet The Medium sogar mit einem schicken Wald auf. Dummerweise fand ich ausgerechnet die spirituelle Ebene bisweilen etwas langweilig bis uninspriert designt. Davon ab geht die Auflösung stellenweise spürbar runter, wobei man sich in den entsprechenden Szenen bisweilen fragt, warum.
Fazit:
Überraschung! Ich hatte sozusagen reichlich Spaß mit The Medium. Oder besser gesagt, es hat mich gut gepackt und über die gesamte Spielzeit abgeholt. Die zwei Spieldimensionen, die immer wieder parallel laufen, sind dabei zwar ein an sich gelungener Kniff, bieten aber keine wirklichen, spielerischen Neuerungen. Als Next Gen Showcase taugt The Medium auch nicht wirklich, visuell ist es zwar gelungen, aber ein Showcase Titel ist es bei weitem nicht. Spielerisch? Wäre aus meiner Sicht auch noch Luft nach oben, von den Genrehighlights trennt The Medium leider noch ein gutes Stück. Gerade deswegen hätte ich aber so gar nix gegen einen spielerischen Nachfolger einzuwenden, denn die Qualität von Handlung und Atmosphäre in Verbindung mit besserem Gameplay wären die perfekten Zutaten, um endgültig ein Genrehighlight zu kreieren.