Halo Infinite im Test: Breath of the Ring?

Man kann wohl problemlos behaupten, dass 343 Industries als Entwickler von Halo bei Fans bis heute umstritten ist. Mir gefiel die Halo 4 Kampagne zwar, trotz alberner Quick Time Events, den Multiplayer fand ich dort aber nie überzeugend und spielerisch war der erste Teil unter neuem Studio nie so recht auf Bungie Niveau. Bei Teil 5 konnte der Multiplayer dann zwar bei mir punkten, vor allem mit den Erweiterungen im Lauf der Zeit, aber die Kampagne war bestenfalls halbgar und das lootboxartige REQ-System gefiel längst nicht jedem. Mit Infinite soll nun alles besser werden, wenn auch erst ein Jahr nach dem geplanten Release und tatsächlich längst noch nicht mit allen Features. Ob das geklappt hat?

Rolle rückwärts, Rolle vorwärts

Was direkt innerhalb der ersten Mission auffällt, unsere Spartan Abilities aus dem direkten Vorgänger sind passé. So ganz? Nicht direkt. Wir können nämlich Spartan Kerne finden und ausrüsten, die uns mit dem Enterhaken aus den Trailern, einem Schildwall, kurzem Dashboost oder dergleichen ausrüsten. Allerdings, man kann immer nur eine Eigenschaft nutzen bzw. muss per Steuerkreuz zwischen den einzelnen Varianten wählen. Dabei ist gerade der Enterhaken ein cooles Feature, das uns nicht nur schnell durch jegliches Gelände bringen kann, sondern auch beim Entern von Fahrzeugen mehr als hilfreich ist.

Die einzelnen Fertigkeiten begegnen uns übrigens auch im Multiplayer, dort aber als Verbrauchsgüter. Und anders als im Multiplayer sind die neuen Eigenschaften in der Kampagne aufrüstbar.

In Verbindung mit Sprint, Scoping und deutlich sich mehr nach Bungie Ära anfühlendem Gunplay schafft Infinite dabei eine perfekte Brücke zwischen alt und neu. Das Gunplay passt einfach. Aber passt es auch in eine Open World?

Denn anders als bisher setzt Infinite uns eine offene Spielwiese vor. Zwar können wir der Hauptstory ziemlich strikt und linear folgen, wir können aber auch Marine Trupps befreien, Vorposten einnehmen, Propaganda Türme einnehmen und Verbannten-Festungen stürmen. Und genau hier kann ein Problem lauern. Denn das sehr gute Pacing der Hauptstory gibt es in der Open World nicht. Auch keine Sidequests mit Story. Itemsuche und Sandbox Shooting dafür aber schon. Das kann Spaß machen, es kann aber auch nerven. Allzu voll ist die Welt dabei auch nicht geraten, auch wenn es die eine oder andere Überraschung und coole Easter Eggs gibt.

Tatsächlich wird die offene Spielwelt für viele wohl entweder Liebe oder Hass auf den ersten (oder zweiten) Blick sein. Persönlich hatte ich viel Spaß damit, kann aber auch verstehen, wenn man genervt ist.

Wirklich gelungen, innerhalb der Hauptstory, aber nicht nur dort, bekommen wir es mit besonderen Gegnern zu tun, kurzum, Infinite bietet uns Bossfights, und die sind wirklich gut.

So ganz nebenbei bietet die Kampagne ideale Möglichkeiten, um die neuen Waffen kennen zu lernen. Wer sich bei den beiden Vorgängern über die unspannenden Prometheaner Knarren beschwert hat dürfte mit den Blutsväter Ballermännern und Verbanntenwaffen deutlich glücklicher werden.

Verbannte, Waffe, Cortana, Infiniwiebitte?

Ein zweischneidiges Schwert könnte für viele die Story sein. Denn Halo Infinite ist in dem Punkt absolut kein Reboot, sondern eine Fortsetzung. Obendrein eine mit gewissen Lücken, die noch längst nicht alle geschlossen sind. Infinite spielt mal eben zwei Jahre nach Teil 5, greift auch noch auf die Geschehnisse von Halo Wars 2 zurück und obendrein spielt in Audiologs auch noch das Personal der UNSC Infinity eine wichtige Rolle. Wir wollen hier gar nicht zu viel verraten, aber während sich mancher Serienfan darüber freuen dürfte, dass es ohne allzu viele Erklärungen und Einführungen weiter geht könnte sich der eine oder andere Neueinsteiger eher überfordert werden. Dabei baut Infinite auch nicht einfach auf Halo Lore auf, es bringt gleichzeitig neues mit ein. Mehr noch, das Cortana Problem ist faktisch schon mit unserem Einstand ins Spiel erledigt, wie wir rausfinden. Wobei gerade der Punkt durchaus für den einen oder anderen Storykniff dienlich ist.

Allen recht machen kann man es bei einem Franchise wie Halo am Ende ohnehin nicht. Zumindest nicht in Punkto Story. Serienkenner sind hier aber sehr klar im Vorteil. Auch der Storykniff, hier recht weit vorzugreifen wird eventuell nicht jedem gefallen, für das Duo aus Master Chief und neuer KI bringt er aber erzählerisch viele Vorteile.

Free to Play aber voll yay!

Gehört er nun dazu oder nicht, der Multiplayer? Immerhin ist er free to play. Für mich muss ich sagen, ja, er gehört dazu und obendrein ist er verdammt gut. Kommen wir erstmal zu den Negativpunkten, gerade für Käufer des Hauptspiels müsste es mindestens ein Gratis Rüstungsset geben, die Preise für manche Rüstungen im Store sind aus meiner Sicht ziemlich daneben und wer überhaupt nennenswerte Customization haben will kommt zumindest an den 10,-€ für den Battle Pass nicht vorbei.

Außerdem fehlen aktuell noch die Forge sowie Modi a la Warzone oder Firefight. Stand jetzt gibt es nur PvP in Form von Rangmatches, klassischem Arena Modus, Big Team Battle und seit neuestem auch jeder gegen jeden Showdown (Classisc Deathmatch), SWAT (keine Schilde, kein Radar) sowie Fiesta, also Team Deathmatch mit wechselnden Zufallswaffen.

Der Halo Multiplayer bietet dabei primär klassischen Arena Kampf, hohe Time to Kill und ebenso klassische Modi. Team Deathmatch (heißt hier Showdown), Capture the Flag, Festungen oder auch Oddball sind nicht nur Halo-Fans ein Begriff sondern größtenteils alte Bekannte von früher. Halo bietet einfach klassische Arena-Shooter Kost, allerdings ist gerade die auf Konsole mittlerweile Mangelware. Map-Kenntnisse, Waffenkenntnisse und vor allem Skill sind hier das A und O. Wer auf leichte Kills aus ist, der sollte sich dagegen besser einen anderen Shooter suchen.

Tatsächlich hat 343i hier seinen bisher besten Multiplayer abgeliefert, spannend wird nun vor allem die Frage nach dem Support auf lange Sicht. Beim Support und neuen Maps war allerdings Halo 5 schon keineswegs schlecht, entsprechend optimistisch bin ich hier.

Das sieht ja ziemlich rund aus

Zumindest auf Xbox Series kann Halo Infinite sich durchaus sehen lassen. Es ist kein wahnsinnig beeindruckendes Spiel und der Multiplayer ist ohnehin eher darauf ausgelegt, immer rund zu laufen. Gut sieht Infinite aber dennoch aus. Die Texturqualität gerade auf der Series X kann aber voll überzeugen und nennenswerte LoD Sprünge gibt es primär mit Banshee oder Wasp hoch in der Luft. Der Look erinnert dabei deutlich an Halo unter Bungie, inklusive der Farbpalette. Was ein wenig fehlt ist mehr Abwechslung in den Außenbereichen, eine Schneelandschaft etwa ist Fehlanzeige, alles erinnert frappierend an die ersten Schritte des Master Chief auf dem ersten Halo. Während Infinite in der Kampagne auf den neuen Konsolen perfekt läuft und auf der Series X sogar 120fps als Option bietet schlägt sich die ganz alte Garde in Form der One (S) wohl mit einigen Problemen herum. Selbst testen kann ich das aktuell nicht mehr.

Irgendwie blöd, der fast schon Stop-Motion-artige Animationseffekt in den Cutscenes, weil die Zwischensequenzen mit 60fps laufen, Animationen aber nur mit 30. Hier will 343i anscheinend noch nachbessern, man fragt sich aber schon, warum man überhaupt diesen Weg gewählt hat.

Akustisch ist Infinite dagegen über jeden Zweifel erhaben. Das gilt sowohl Sprecher und Soundeffekte als auch für die Musik von nunmehr drei Komponisten, die zwar immer wieder auf alte Themen zurückgreift, dabei aber auch mehr als genug neues bietet. Das musikalische Gesamtpaket gibt sich dabei ausgesprochen harmonisch.

Fazit:

Bin ich rundum zufrieden mit Infinite? Tatsächlich nicht. Der Koop als integraler Serienbestandteil fehlt aktuell noch, die Open World fühlt sich unterm Strich so an, als wäre sie nur ein kleiner Teil des geplanten Umfangs und ob ich den Einfluss auf das Pacing immer so gut finde? Ich weiß es nicht so recht. Ironischerweise hatte ich gleichzeitig viel Spaß beim freien Erkunden der Umgebung. Und ja, das Thema Customizations für den Multiplayer ist auch noch etwas schwierig, erst recht für Käufer der Vollversion. Hier müsste 343i aus meiner Sicht noch nachjustieren. Aus meiner Sicht hätte es zumindest eine komplett freispielbare Rüstung geben müssen

Andererseits macht Infinite auch verdammt viel richtig. Der Multiplayer spielt sich einfach extrem gut, obendrein sind die Customizations wirklich nur kosmetischer Natur und haben spielerisch überhaupt keinen Einfluss. Auch bei den Modi hat man seit dem Ende der Beta schon nachgelegt. Die eigentliche Kampagne ist wirklich gelungen und wie schon mal erwähnt hatte ich auch mit dem Open World Part meinen Spaß. Unterm Strich kann ich da nur den Daumen nach oben geben und hoffen, dass 343i auf dem Level weiter machen.

Präsentation
85
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
85
Spielspaß
87
Multiplayer
91
Leserwertung0 Bewertungen
0
Pros
Großartiger Multiplayer
Die eigentliche Kampagne ist klassische Halo Kost und gleichzeitig modern
Die besten Bossfights der Seriengeschichte
Cons
Open World macht das Pacing ein Stück weit kaputt
Die Spielwelt könnte grafisch abwechslungsreicher sein
Koop und Schmiede fehlen noch
87