Pokemon Ultrasonne im Test – Ultragut oder Ultraabzocke?

Pokemon! Was vor vielen Jahren mal mit einem kleinen Spiel begann ist heute eine der bekanntesten Videospielreihen und eine regelrechte Gelddruckmaschine. Meine Tochter besitzt gleich eine Reihe der Taschenmonstersammelabenteuer. Ich war im Gegenzug nie so recht von den kleinen Viechern gefangen. Kein Wunder also, dass neue Serienteile einerseits von Fans gefeiert und von vielen anderen gerne als ideenlose Fortsetzungen kritisiert werden. Bei, zumindest gefühlt, jährlich neuen Teilen weckt besonders eine aufgebohrte Neufassung das Misstrauen kritischer Spieler. Zurecht?

Da steht ne Switch

Praktisch wenn man Pokemon Sonne oder Mond zum direkten Vergleich hat. Denn tatsächlich gibt es viele kleine und auch einige größere Änderungen im Vergleich. Nachdem wir unseren Charakter, wahlweise Junge oder Mädchen, erstellt haben fällt sofort die Switch im Kinderzimmer auf, vormals stand dort eine Wii U. Kleinere und auch größere Neuerungen der Art ziehen sich durch das ganze Spiel. So ist unser Rotom Pokedex neuerdings deutlich interaktiver. Man kann sich mit ihm anfreunden, beim Roromat Glücksrad Items gewinnen und sogar die Z-Kraft ein zweites Mal in einem Kampf nutzen. Wobei man für letzteres mit Rotom gut befreundet sein muss. Auch neu ist beispielsweise das Mantax Surfen. Beim Surf-Minispiel dürfen unter anderem auch Tricks ausgeführt werden, wobei es allerdings erst freigespielt werden muss. Natürlich sind auch Gegner anders positioniert und dergleichen. Im Kern erhalten wir aber das gleiche Spiel wie letztes Jahr, wenn auch deutlich verbessert und erweitert. Ob das lohnt wenn man die normale Version besitzt muss wohl jeder selbst entscheiden, aus meiner Sicht wäre ein erneuter Kauf zum Vollpreis aber nicht angebracht.

Moment, ich muss kurz Pichu bürsten

Das liegt allerdings nicht daran, dass Ultrasonne respektive Ultramond ein schlechtes Spiel wäre. Im Gegenteil, bereits die letztjährigen Fassungen waren wirklich gute Spiele. Dabei profitiert die Alola Region unter anderem von neuen Varianten bekannter Pokemon, wie dem ‚Surfer-Raichu‘ oder Alola Sleimok. Teilweise sind die Unterschiede zu Stammvarianten bekannter Pokemon sogar ziemlich groß. Spielerisch bietet Pokemon das klassische JRPG-light Erlebnis. Nach einer besonderen Begegnung wollen wir Pokemon Trainer werden und begeben uns auf Inselwanderschaft. Natürlich gilt es, fleißig Pokemon zu sammeln, Freundschaften zu schließen, freundliche Rivalitäten zu pflegen und sich mit Team Skull, der HipHop-Kasper-Inselversion von Team Rocket, herumzuschlagen. Einen helfenden Professor namens Kukui gibt es ebenfalls wieder. Allerdings spielt, wie bereits bei Sonne und Mond, eine vergleichsweise komplexere Rahmenhandlung, die sich erst nach und nach erschließt, eine zentrale Rolle. Wir wollen hier gar nicht viel verraten, aber wer Sonne respektive Mond nicht gespielt hat darf sich hier auf Überraschungen gefasst machen. Die Ultrafassung weicht hier jedoch nicht allzu weit von der letztjährigen Fassung ab.

Das Grundkonzept des Kampfsystems bleibt bei Ultrasonne/-mond unangetastet, wir dürfen sechs Pokemon gleichzeitig bei uns tragen, die jeweils vier Attacken nutzen können. So müssen auch neue Attacken gegen alte getauscht werden. Das erfordert einerseits gute Überlegung, wie das einzelne Pokemon sich entwickeln soll und andererseits ein gut gemischtes Team. Erdattacken beispielsweise sind gegen Pokemon vom Typ Luft nutzlos, Elektro gegen Elektro aber natürlich auch eher unpraktisch. Allerdings kann unser Elektro-Pokemon von einem anderen elektrischen Gegner nicht paralysiert werden. Also doch Elektro und physische Attacken? Oder kombinieren wir die Elektro-Attacken lieber mit Verteidigungs- und Angriffskraft senkenden Attacken? Neben Heilitems und Buffs wie Angriffskraft steigerndem X-Angriff spielen die weiter oben erwähnten Z-Kräfte eine wichtige Rolle. Diese ergattert man nach einigen Spielstunden. Pro Kampf erlauben sie eine, sofern ihr mit eurem Rotom-Pokedex ganz dicke seid sogar zwei, besonders mächtige Attacken pro Kampf.

Überhaupt spielt die Pokemonpflege eine wichtige Rolle. So wollen eure Pokemon gern Streicheleinheiten, Futter, nach dem Kampf verarztet oder auch schlicht gepflegt werden. Mein Pichu hat etwa ein riesiges Talent, nach dem Kampf voller Schmutzknäuel zu sein und möchte dann erstmal gebürstet werden. Natürlich eine perfekte Gelegenheit, es direkt mal an den Ohren zu kraulen. Das geht übers Menü aber auch zwischendurch. Pokemon mit Topwerten für Zuneigung und Pflege kämpfen wiederum besser und mit mehr Vertrauen in ihren Trainer.

Alola, Luchador

Natürlich bietet die Alola Region allgemein eine Reihe neuer Pokemon. Bereits aus Sonne/Mond sind etwa die Startpokemon Bautz, Robball und Flamiau bekannt. Die höchste Evolutionsstufe von letzterem sieht effektiv wie die Katzenversion eines Luchador aus, Mangunior und dessen Evolutionsstufe Manguspector erinnern dagegen irgendwie dezent an Donald Trump. Muss wohl an der Frisur liegen. Die Ultra Ausgabe fügt dem kaum etwas hinzu, die Alola Region kann aber nach wie vor überzeugen. Gerade auch, weil sich viele bekannte Pokemon in ihrer Inselfassung frisch anfühlen oder sogar überraschen können.

Auch wenn die Grundrezeptur aus Game Boy Tagen klar erkennbar bleibt, über die Jahre hat sich Pokemon sichtlich weiter entwickelt. Trotzdem wandelt die Reihe eher auf bekannten Pfaden. Ultrasonne/-mond verlässt diese zwar nicht wirklich, fügt aber genug hinzu, um sich wieder frischer anzufühlen. Zumindest wenn ihr die normale Version nicht gespielt habt.

Uh, sieht der Togedemaru süß aus

Der Sonne/Mond Nachfolger macht wirklich eine gute Figur. Bereits auf dem Standard-3DS kann der Titel visuell fast durch die Bank weg überzeugen. Einige sehr grobpixelige Texturen stechen leider ebenso raus wie leichtes Ruckeln beim Kampf gegen mehrere Pokemon gleichzeitig. In der Praxis sind das aber eher Ausnahmen. Natürlich sind die kleinen Taschenmonster zwar die klaren Stars des Spiels und können eigentlich immer auf Anhieb überzeugen. Insgesamt verbreitet die ganze Alolaregion aber beste Urlaubsstimmung. Charaktermodelle können ebenso sicher überzeugen wie das Mantax-Surfen Minispiel mit seinen perfekten Wellen. Auch die Pokemon Pflege macht so richtig Spaß, weil die süßen Animationen bei aller Diabetesgefahr immer sehr eindeutig zeigen, was unseren kleinen Tierchen gerade gefällt und was eher nicht. Pokemon wie Togedemaru oder eben auch Pichu haben dabei einen enormen Niedlichkeitsfaktor. Besser sahen sie jedenfalls noch nie aus.

Die Soundkulisse überzeugt dabei eher durch ihre Unauffälligkeit. Auch nach Stunden nervt Ultrasonne/-mond nicht. Herausragende Ohrwürmer gibt es allerdings auch nicht unbedingt. Sprachausgabe fehlt nach wie vor ohnehin völlig. Das mag auf dem 3DS nicht untypisch sein, wirkt aber langsam etwas deplatziert.

Gonna catch em all?

Sicher, die Ultra-Version fügt Sonne und Mond einige Neuerungen und sogar neue Storyelemente zu, aber lohnt das? Falls ihr Sonne und Mond nicht gespielt habt, oder vielleicht noch nie ein Pokemon, dann lautet die Antwort ganz klar Ja. Denn Pokemon Ultrasonne und Ultramond sind wirklich gute Spiele. Obendrein kann die Ultraausgabe einfach noch mal ein gutes Stück gegenüber der letztjährigen Fassung zulegen.

Schwieriger wird es, sofern ihr Sonne oder Mond schon gespielt habt. Die neuen Handlungsteile, die die Ultra-Version besitzt hätten vom Gefühl her auch ein DLC sein können. Auch wenn die Geschichte teils anders verlaufen mag als bisher, zum Großteil erlebt man die gleiche Handlung wie letztes Jahr. Statt neuer Pokemon wurden neue Elemente und Minispiele hinzugefügt. Davon profitiert der Titel zwar insgesamt sichtlich, aber ob man dafür den vollen Preis noch mal auf die Theke legen will?

Fazit

Pokemon ging Ende der Neunziger an mir vorbei. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nicht mal mehr einen Game Boy. Final Fantasy oder Fallout standen auf dem Programm. Das erste Pokemon hab ich dann zwar mit einiger Verspätung doch noch gespielt, großer Serienfan war ich, anders als meine Tochter, allerdings nie. Mit dem neuesten Ableger hatte ich dennoch Spaß. Den hat der Nachwuchs als ausgewiesener Fan auch. Eben jene können hier ebenfalls bedenkenlos zugreifen, sofern sie die Menge an Recycling nicht stört. Für Neulinge und Gelegenheitstrainer ist Ultrasonne/-mond ohnehin der beste Einstieg.

Pokemon Ultrasonne
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
85
Gameplay
86
Spielspaß
86
Leserwertung15 Bewertungen
51
85