Iron Man VR im Test – Ein Nerd schlüpft in die Rüstung!

Nach diversen Verschiebungen haben Sony und Entwickler Camouflaj ihr exklusives Marvel Spieleprojekt Iron Man VR endlich für alle Besitzer der Playstation VR veröffentlicht. Doch was kann das Spiel? Ist es nur ein weiter kurzer VR-Spielehappen für Fans oder ist es doch das erhoffte vollständige Spielerlebnis?

Iron Man VR konnte ich selbst das erste Mal auf der Gamescom 2019 ausprobieren. Und auch wenn ich als absoluter Marvelfan den Übungsflug und die Schießeinlage im Rahmen der Messedemo gerne erlebt habe, so war ich doch skeptisch. Insbesondere die Flugsteuerung war doch arg komplex bzw. ungenau und immer wieder steckte ich irgendwie fest und Motionsickness machte sich bemerkbar. Auch wenn damals schon das Gefühl der Rüstung und der Anzeigen gepasst hat. Wie viel Spiel wird am Ende wirklich drinstecken? Hier kann ich schon ein wenig Entwarnung geben: mit 6-8 Stunden Spielzeit und einer deutlich verbesserten Flugsteuerung und der Abwesenheit von Motionsickness gibt es bei Iron Man VR am Umfang nichts zu kritisieren. Denn auch nach dem Ende der Geschichte warten für Trophäenjäger und Komplettionisten immer noch ein paar optionale Herausforderungen auf die Rüstungspiloten. Dabei kommt sogar noch eine weitere Herausforderung dazu. Aber die möchte ich hier nicht spoilern.

Dabei ist der Beginn des Spiels zugleich das, was vor einem knappen Jahr auch in den Kölner Messehallen schon ausprobiert werden konnte. Denn der Spieler schlüpft als Tony Stark in den Iron Man Anzug und probiert diesen vor seinem Haus an der Küste von Malibu aus. In diesem Tutorial werden wir von der KI Friday angeleitet und fliegen verschiedene Strecken ab, um die Flugsteuerung zu erlernen. Die Move-Controller lassen uns dabei jeweils einen Arm von Tony bzw. der Rüstung steuern. Handflächen Richtung Boden und drücken von jeweils einer Taste pro Move-Controller und schon schweben wir nach oben und steuern dabei mit leichten Kopfbewegungen unsere Flugrichtung. Beide Hände mit aktivierten Düsen Richtung Decke und schon sinken wir schnell ab. Arme neben den Körper, Handfläche nach hinten zeigen lassen und schon geht es in Blickrichtung weiter. Dabei lassen sich die Düsen auch unterschiedlich kombinieren: mit einer Düse fliegen wir nach vorne und mit der anderen nach oben oder unten. Oder wir bewegen die Rüstung mit einer Düse und feuern mit dem anderen Arm unsere Waffen ab. All das geht nach ein wenig Übung fließend von der Hand und das eben tatsächlich intuitiv. Ähnlich wie auch das Waffenhandling, das Nachladen und der Waffenwechsel in Blood & Truth. Toll!

Ich bin Iron Man!

Schon der Anfang eines jeden der insgesamt 12 Kapitel macht deutlich, warum Iron Man für die VR-Erfahrung perfekt geeignet ist. Denn wir stecken mit unserem Kopf nicht mehr in einer Playstation VR sondern im Helm der Iron Man Rüstung. Dabei sehen wir das, was auch Robert Downey Jr. in den Filmen in den Animationen sieht, wenn man als Zuschauer der Filme das Innere des Helms zu sehen bekommt. Das HUD fährt erst langsam hoch. Die ersten Schaltflächen und Anzeigen erscheinen. Der virtualisierte Atem von Tony beschlägt immer wieder kurz einen Teil des Visiers. Dann werden die Augen aktiviert und das HUD gibt uns auch den Blick nach draußen frei. Irre und absoluter Fanservice! Die zahlreichen Funksprüche im Austausch mit Figuren wie Pepper, Friday, Gunsmith oder auch mal Nick Fury verstärken diese Atmosphäre noch.

Dabei starten die Kapitel meist in Tonys Haus, wo wir uns per Teleport von einem vorgegebenen Punkt zum nächsten bewegen und mit verschiedenen Dingen interagieren können. Egal ob Basketballwurfautomat, Boxsack, Kurzhanteln oder Kühlschrank. Hier gibt es dann doch einiges auszuprobieren, auch wenn nach der ersten Runde des Umsehens letztlich über die gesamte Spielzeit nichts mehr dazu kommt. Abgesehen vielleicht vom Drohnentisch, wo wir uns Informationen über die verschiedenen Variationen des, von Bossen abgesehen, einzigen Gegners ansehen können. Flugdrohnen. Diese bewaffneten Kampfgleiter gibt es in verschiedenen Größen und mit verschiedenen Angriffsmustern und unterschiedlicher Bewaffnung. Bis hin zum Schwebepanzer, der auf den Straßen unter uns umherschwebt. Hier wäre mehr Abwechslung bei den Gegnern besser gewesen. Andererseits wird es zumindest in der Geschichte erklärt, warum wir es mit diesen Dingern zu tun bekommen.

Eine ein Heft Comic Geschichte?

Unser Widersacher ist Ghost. Eine Art Superhackerin und dem einen anderen Kinogänger sicher aus Ant-Man and the Wasp bekannt. In Iron Man VR wird ihr Charakter aber anders dargestellt. Hier bringt sie die ursprünglich von Stark Industries entwickelten Kampfdrohnen, mit einigen Upgrades versehen, unter ihre Kontrolle und schickt sie gegen Tony in den Kampf. Der hat sich auch im Spiel der Welt schon vor einiger Zeit als Iron Man offenbart und der Rüstungsindustrie abgeschworen. Doch Ghost will ihn für seine Sünden büßen lassen. Die Geschichte ist an sich eher mäßig spannend aber trotzdem, dank VR, dann doch spannend und teilweise sogar gruselig inszeniert. Zum Ende hin kommt auch noch die eine oder andere Wendung hinzu. Lange in Erinnerung bleiben wird die Geschichte aber nicht. Natürlich ist das hier kein Endgame oder Infinity War und als Iron Man müssen wir es auch ohne Hilfe unserer Avenger-Freunde mit Ghost und Co. aufnehmen. Aber dafür punktet die Geschichte dann doch auf der menschlichen Ebene. Den Tony ist zerrissen: Ghost hat nicht nur ihn sondern auch Pepper und viele andere Unschuldige angegriffen. Kann er es sich leisten, weiterhin die Finger von immer schlimmeren Waffen zu lassen oder heiligt der Zweck am Ende doch die Mittel? Denn am Anfang erleben wir einen Tony, der der Waffenproduktion abgeschworen hat, die letzten seiner Kampfdrohnen selbst zerstört und auch die Waffenproduktions-KI Gunsmith einmottet. Einige Jahre später taucht Ghost auf und Tony holt Gunsmith aus der Mottenkiste, doch war das die richtige Entscheidung? Mehr will ich zur Story gar nicht sagen. Es ist eine tolle Tony Stark Geschichte aber nur eine „ok“ Geschichte für Iron Man.

Die Technik stammt aber nicht von Stark Enterprise

Erledigt ihr die Missionen besonders schnell und besonders viele Gegner in Kurzer Zeit oder auf einem höheren der insgesamt drei Schwierigkeitsgrade, steigt auch die jeweilige Bewertung am Ende einer Mission. Das bringt euch Upgradepunkte für die Iron Man Rüstung ein, womit sich andere Waffen, mehr Rüstungs-(=Lebens)punkte und sich schneller aufladende Superwaffen freischalten lassen. Das motiviert insbesondere auch die optionalen Flug- und Kampfherausforderungen mit der bestmöglichen Wertung abzuschließen. Ein nettes Feature ist, dass ihr in Tonys Werkstatt zwei Slots habt, wo ihr jeweils eine Konfiguration der Rüstung abspeichern und diese per Klick zu einer Mission wechseln könnt. Und dann gibt es da noch ein Regal zu bestaunen, dass sich mit Trophäen füllt. Und zwar so, wie ihr Trophäen im Spiel freischaltet. Witzig!

Das Spiel wurde mit der Unity Engine entwickelt und liefert grundsätzlich ein solides grafisches Erlebnis, trotz der Einschränkungen, die die Playstation VR mit sich bringt. Dabei sollte man aber den Texturen nicht zu Nahe kommen, was aber beispielsweise in Shanghai dann doch nicht immer funktioniert. Und spätestens hier fällt auf, wie niedrig aufgelöst die Texturen sind. Das fällt tatsächlich extrem negativ auf und stört die Immersion. Schließlich kommt es im Kampf auch vor, dass man sich mal auf die Straße herunterfallen lässt. Hier, aber auch in den anderen, leider nur sehr wenigen und dafür mehrfach verwendeten Schauplätzen, stören auch nervige Popups immer wieder das Mittendringefühl. In luftiger Höhe, mit Düsen und Repulsoren auf Anschlag fällt das alles nicht mehr auf. In den ruhigeren Momenten und bei reinen Flugpassagen aber dafür umso mehr. Und dann sind da noch die Ladezeiten. Vor jedem Kapitel gibt es Ladezeiten, die in der Regel zwei Minuten und auch gerne mal länger benötigen. Dann wird das Bild schwarz, es gibt ein bis zwei Sätze von Tony als Voiceover und dann passiert wieder für eine halbe bis eine Minute nichts. Das ging am Anfang so weit, dass ich per Playstation-Taste erstmal prüfen musste, ob die Konsole vielleicht komplett eingefroren ist. Dann kommt es innerhalb der Missionen noch zu diversen Szenenwechseln, was ebenfalls wieder Ladezeiten mit sich bringt. Das ist leider tatsächlich ein absoluter Immersionskiller und mit Blick auf Titel wie Nioh 2 oder auch Ghost of Tsushima frage ich mich, warum das so sein muss. Am PC laden VR-Titel ja auch nicht länger als Flatgames und auch andere VR-Titel auf der Playstation VR quälen den VR-Brillenträger nicht mit so viel Wartezeiten. Das ist aber tatsächlich der größte Kritikpunkt am Spiel. Denn ist der Rüstungshelm hochgefahren, das HUD leuchtet und ich aktiviere die Flugdüsen, ist die Wartezeit davor fast wieder vergessen. Aber eben nur fast. Dafür gleicht die tolle deutsche Synchronisation, auch wenn es nicht die Stimmen aus den Filmen sind, die stark angekratzte Immersion zumindest ein kleines bisschen aus.

Fazit

Iron Man VR macht eine Menge richtig. Das Rüstungs- und Fluggefühl sind fantastisch und wer mit Kopfhörern spielt, bekommt das komplette Rüstungsfeeling des gepanzerten Avengers. In stressigen und hektischen Kampfsituation wird es jedoch schon mal schwierig, den Flug als auch die Waffen zu steuern und die Gegner im Blick zu halten. Wer aber etwas Zeit in die Konfiguration investiert und die für sich selbst beste Einstellung bezüglich der Drehung per Knopfdruck (in verschiedenen Winkeln einstellbar) dadurch ermittelt, bekommt auch wuselige Situationen gut in den Griff. Schade das man als Tony ohne Rüstung keine freie Bewegung hat, sondern in Tonys Villa an der Küste nur zwischen an dafür vorgesehenen Punkten hin und her wechseln kann. Dafür ist die Interaktivität der Umgebung toll und erinnert ein wenig an Wayne Manor aus Batman Arkham VR. Auch die Story und die vielen Verweise auf andere Charaktere und Ereignisse in der Marvelwelt zaubern Fans ein Lächeln ins Gesicht. Schade nur, dass die wenigen Szenarien, sprich Level, mehrfach verwendet werden und auch die optionalen Flug- und Kampfherausforderungen nur an aus der Hauptstory bekannten Schauplätzen stattfinden. Technisch wäre in Sachen Texturqualität sicherlich mehr drin gewesen und auch die Gegnervielfalt, die nur aus etwas mehr als einer Handvoll Flugdrohnen besteht, lässt zu wünschen übrig. Doch absolut unerträglich sind die zahlreichen und echt langen Ladesequenzen. Das Laden eines Kapitels dauert auch auf einer PS4 Pro gut und gerne zwei Minuten und mehr. Innerhalb einer Mission kommt es ebenfalls mehrfach zu Ladeunterbrechungen zum Szenenwechsel und selbst danach bleibt das Bild immer noch eine ganze Zeit lang schwarz, bis es dann endlich weitergeht. Das führt dazu, dass der Spielfluss sehr hart und einfach zu oft unterbrochen wird und man sich aufgrund der Untätigkeit dann auch immer wieder hinsetzen muss. Schade, aber vielleicht ein weiteres Zeugnis darüber, dass es Zeit wird für die nächste Konsolengeneration. Das Spiel selbst macht dann ja doch wieder eine Menge Spaß. Unentschlossene sollten trotzdem die kostenlose Demo im PSN Store ausprobieren.

Iron Man VR
Präsentation (Grafik, Sound)
74
Story, Atmosphäre
74
Gameplay
88
Spielspaß
87
Leserwertung2 Bewertungen
77
Iron Man!
tolles Fluggefühl
Gefühl tatsächlich in der Rüstung zu stecken
für VR-Verhältnisse recht lange Spielzeit mit ca. 6-8 Stunden
eingestreuter Fan-Service
viele den Spielfluss unterbrechende Ladezeiten
keine freie Bewegung außerhalb der Rüstung
Popups und schlechte Texturqualität
81