Angry Video Game Nerd: The Movie – Die Blu-ray im Review

Ein Review über einen Film aus dem Jahr 2014 in der Kategorie “Retro”? Zudem auf einem Portal, das sich hauptsächlich mit Konsolenspielen beschäftigt? Keine Bange, Du hast dich nicht verklickt und auch der Autor hat beim Erstellen des Beitrags nicht versehentlich die falsche Kategorie gewählt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Leser generell weiß, worum es in dem hier vorgestellten Film geht, ist groß. Für diejenigen, die tatsächlich nichts mit dem Titel anfangen können, sind nachfolgend ein paar Informationen zusammengefasst.

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James Rolfe, der Hauptdarsteller, Regisseur und geistige Schöpfer des Films wurde hauptsächlich als “Angry Video Game Nerd” in der gleichnamigen YouTube-Show bekannt, in der er seit 2005 in bereits weit über 100 Folgen ausgestrahlt hat. Die Sendung dreht sich um ihn als Hauptcharakter, liebevoll “Nerd” genannt, der sich hauptsächlich mit schlechten Konsolenspielen, bzw. den jeweiligen Konsolen oder deren Zubehör beschäftigt. Der Name ist hierbei Programm und es vergeht kaum eine Minute, in der er nicht wild fluchend auf die Unzulänglichkeiten des von ihm gezeigten Produkts hinweist.

In vielen Folgen treten Freunde aus James Rolfes Leben als verkleidete Bösewichte oder Gäste in der Show auf. All diese Informationen sind nicht grundlegend erforderlich für den AVGN-Film. Da es sich dabei primär jedoch um einen Film für Fans der Show dreht, ist es durchaus von Vorteil, wenn man den Nerd und seine Episoden bereits kennt. Denn wie Rolfe selbst sagt, handelt es sich um einen “Movie made possible by the fans, for the fans”, also einen Film, den die Fans möglich gemacht haben und er für die Fans gedreht wurde.

 

 

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Die Idee zu einem Film über den Nerd hatte James Rolfe bereits im Jahr 2007. Gerade einmal 25 Folgen der noch jungen Webshow waren produziert,  als er bereits über ein “100er Special” nachdachte und sich mit seinem damaligen College-Freund Kevin Finn über eine mögliche Idee unterhielt. Viele  Fans reichten bereits zu diesem Zeitpunkt den Wunsch ein, dass James Rolfe alias Nerd das ATARI 2600-Spiel “E.T.” reviewen solle, welches allgemein  als eines der (hauptsächlich kommerziell) schlechtesten Spiele der Videospielgeschichte gilt. Die seit dem Jahr 1983 bestehende Legende, welches sich  eher durch Zufall im Sommer 2014 sogar als real herausstellte, dass ATARI wegen des großen Misserfolges mehrere Millionen Spiele, Konsolen und  sonstiges Zubehör in der Wüste in New Mexico vergrub, sollte den Plot um die 100. Folge bilden. Finn, neben Rolfe im Übrigen Regisseur und  Drehbuchautor zum AVGN-Movie, erkannte schnell, dass ein Folgenspecial einer Webshow nicht genug sei. Die Tatsache, dass Rolfe sich bereits so lange im Vorfeld schon Gedanken über ein 100er Special seiner Webshow machte, waren schließlich Anlass genug für beide, sich ernsthafte Gedanken über einen abendfüllenden Film zu machen. Die Tatsache, dass beide zu diesem Zeitpunkt bereits Filmstudenten waren, verstärkte dieses Vorhaben weiter.

Da es sich in diesem Review jedoch um die Blu-ray-Version des Films dreht, wird nicht nur dem Film selbst, sondern auch den Bonusfeatures eine avgnmovie004angemessene Portion an Aufmerksamkeit verliehen. Allein dabei handelt es sich bereits um eine kleine Sensation, denn es befinden sich nicht weniger als 714 Minuten (das sind fast 12 Stunden) an Special Features auf der Disc. Zwar zählen hierzu auch die Tonspuren mit Kommentar der Filmemacher sowie der “Audience Reaction” der Uraufführung des Films, aber selbst ohne diese finden sich immer noch gut 8 Stunden an Hintergrundinformationen und zusätzlichen Clips auf der bis zum Anschlag gefüllten Scheibe.

Die Blu-ray

Fangen wir mit der Blu-ray selbst an. Sie kommt in der typischen, blau-transparenten Hülle daher. Ein Wendecover gibt es nicht. Glücklicherweise jedoch sind die amerikanischen Discs (der Film ist bisher nur dort als nicht-digitale Version erschienen), ganz im Gegensatz zu unseren Releases, nicht mit Pegi- oder USK/FSK-Logos zugepflastert. Beim Öffnen der Hülle fällt auf, dass es zwar kein separates Booklet, dafür aber drei kleine Sticker als Beigabe gibt.

Das Disc-Cover ist unauffällig in weiß-blau gehalten. Dafür geizt die Scheibe nicht mit Daten. Beinahe 43 Gigabyte fasst die Blu-ray, womit überraschenderweise, trotz der bereits angesprochenen Flut an Bonus-Features, immer noch ein wenig Platz übrig gewesen wäre. Diese hätte man vielleicht für eine etwas bessere Bildqualität nutzen können, denn an manchen Stellen, vorzüglich in avgnmovie005dunklen Filmszenen oder bei schnellen Schwenks und Kamerabewegungen kommen doch sichtbare Artefakte zu Stande. Zu Verschulden ist dies wohl dem verwendeten Kamera-Equipment. In den Bonus-Features wird es des Öfteren zwar gezeigt, dass man für viele Special Effects-Aufnahmen hochwertige Kameras gemietet hat, für alle Filmszenen standen diese jedoch nicht zur Verfügung. Man darf diesen Film jedoch keinesfalls mit einem Hollywood-Blockbuster vergleichen… oder vielleicht doch? Oh ja, denn gerade, wenn man dies tut, wird schnell klar, wie beeindruckend doch das Ergebnis ist. Zum Vergleich: Das Budget betrug etwa 300.000 Euro. Damit lassen sich in Hollywood nicht einmal schlechte Filme auch nur annähernd finanzieren. Erneut muss deshalb deutlich gemacht werden: AVGN sieht auf keinen Fall schlecht aus! Inklusive Abspann beträgt die Filmlänge etwa 115 Minuten.

Der Ton ist für einen Low Budget-Film geradezu phänomenal. Nur selten schleichen sich hörbare Abmischfehler ein, die Qualität der Synchronisation ist durchweg gelungen, die Special Effects klingen glaubwürdig. Lediglich das von den Film-Verantwortlichen vorab – sowie auch in den Specials – oftmals gelobte Dolby Digital 5.1 lässt zu wünschen übrig. Auch hier wird wieder auf hohem Niveau gemeckert, denn natürlich kommt ein Effekt, der rechts hinter dem Zuschauer stattfindet, akustisch auch aus dem richtigen Lautsprecher. Allerdings fehlt es hier ein wenig an Effektgewalt und man hätte ruhig des Öfteren Gebrauch davon machen können.avgnmovie015

Der Intro-Soundtrack des Films stammt übrigens von keinem Geringeren als Bear McCreary, den viele bestimmt als Komponist des Soundtracks der TV-Serien The Walking Dead oder Eureka kennen. Ohne Übertreibung kann man dieses neue AVGN-Intro als grandios bezeichnen.

Zum Film selbst gibt es geteilte Meinungen – aber die gibt es zu Peter Jackson’s Herr der Ringe ebenfalls. Zugegeben, dieser Vergleich ist wirklich weit hergeholt. Wer den AVGN-Film jedoch als Ergebnis der ursprünglichen Webshow sieht und ihn auch so bewertet, der muss zweifellos anerkennen, dass Rolfe und alle anderen Beteiligten hier etwas Großes geschaffen haben. Die Story – hier könnten nun ein paar Spoiler folgen – ist dabei weitestgehend glaubwürdig und zu keiner Sekunde des Films langweilig. Natürlich bleiben Szenen, bei denen man am Liebsten mit den Augen rollen würde, nicht aus, aber das ist in der Webshow nicht anders und somit bleibt Rolfe seiner Rolle und Gesinnung stets treu.

Die Story kurz zusammengefasst

avgnmovie016Nerd, angestellt in einem lokalen Spieleshop, steht in dem Konflikt, neu erscheinende, jedoch seinen Qualitätsansprüchen keinesfalls genügende Spiele verkaufen zu müssen. Zugleich sendet er privat seine Webshow als Angry Video Game Nerd aus, in der er zumeist alte Videospiele zeigt und entsprechend negativ bewertet. Viele seiner Fans regt jedoch gerade dies zum Kauf eines solchen Titels an.

avgnmovie006Als bekannt wird, dass genau aus diesem Grund eine neue Version des Spiels E.T. (im Film stets als Eee Tee bezeichnet – wohl um Copyright-Problemen aus dem Weg zu gehen) erscheinen soll, machen sich Nerd und sein Freund Cooper, angetrieben davon, die Wahrheit über die ATARI-Legende ans Tageslicht zu bringen, auf in die Wüste nach New Mexico. Ein Missverständnis führt dazu, dass sie vom Militär verfolgt werden und Nerd sich schließlich auf deren Basis landet.

avgnmovie012Beim Fluchtversuch kommt es selbstredend zu weiteren mehr oder weniger komischen Zwischenfällen, die letzten Endes dazu führen, dass Nerd den größten Wunsch seiner Fans nach so vielen Jahren endlich erfüllt:
er spielt E.T. für ATARI 2600 und liefert somit den wohl meistgeforderten Spiele-Review aller Zeiten.

Die Zielgruppe

Es ist fraglich, ob der durchschnittliche, an Hollywood-Produktionen gewöhnte Zuschauer sich mit diesem Film identifizieren kann. Für Fans der Web-Serie sowie generell Liebhaber von Low Budget und B-Movies jedoch kann eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden. Nicht nur das, auch für angehende Filmstudenten wird hier viel geboten. Der Film zeigt beeindruckend – und es kann nicht genug betont werden – was mit vergleichsweise geringem Budget möglich ist.

avgnmovie009Der gigantische Umfang des Bonusmaterials sorgt dank der vielen Outtakes nicht nur für den ein oder anderen Lacher, es gibt zusätzlich auch tolle Einblicke in die Welt eines Filmemachers. Das reicht von Synchronisationen hinweg über Spezialeffekte bis hin zu Farbfiltern und der digitalen Nachbearbeitung. Dabei wird immer wieder deutlich, dass Rolfe und seine Kollegen bewusst und so oft wie nur möglich zu sogenannten “Practical Effects”, also Effekten, die ohne Zuhilfenahme eines Computers umgesetzt werden können. Sehen diese in den Bonusfeatures oft noch lächerlich und unglaubwürdig aus, so werden sie im späteren Endprodukt teils faszinierend glaubhaft eingesetzt.

Weitere Szenen jedoch sollen bewusst genau so aussehen, dass man sie eben nicht als Computereffekt ausmachen kann. Puppen, die den Schauspielern nachempfunden sind, fliegen umher, bei einer Auto-Verfolgungsjagd werden obligatorisch Obst und Gemüse gegen die Windschutzscheiben geworfen, die Liste kann endlos fortgesetzt werden.

Die Tribute an die Fans

Auch beim Ton entdeckt man immer wieder solche absichtlich eingebauten Schmankerl, so ist in einer Szene z.B. auch der allseits bekannte “Wilhelm-Scream” zu hören. Der aufmerksame Zuschauer wird zudem belohnt mit unzähligen Anspielungen auf die vorhergehende Webserie des AVGN, sei es mit bekannten Zitaten vom Nerd oder aber Cameos z.B. vom Nostalgia Critic oder Pat the NES-Punk.

avgnmovie011Als weiteres großes “Wow” des Films kann mit Sicherheit der Gastauftritt von Howard Scott Warshaw, dem tatsächlichen Programmierer des Spiels E.T. angesehen werden. In einem der vielen Bonus-Features berichtet dieser, dass er über die Jahre hinweg von unzähligen Berichterstattern und Dokumentarfilmern zum Thema E.T. gelöchert wurde, Rolfe jedoch der erste gewesen sei, der nach beinahe 30 Jahren endlich mit einer überraschend frischen Idee auf ihn zukam, weshalb er dankend angenommen und seinen Auftritt im Film sogar selbst mitbestimmen konnte.

Für viele dürfte die zusätzliche Tonspur zum Film, die den Kommentar der drei Hauptverantwortlichen (James Rolfe, Kevin Finn, Sean Keegan) beinhaltet, wegen der weiteren, unzähligen Background-Informationen sicherlich eine weitere tolle Dreingabe sein. Persönlich habe ich jedoch den meisten Spaß mit der “Audience Reaction” gehabt, einer weiteren Tonspur, in der die Zuschauer aus der Kino-Urausführung zu hören sind.

Dabei ist keinesfalls einfach nur der Mikrofon-Mitschnitt als Tonspur verwendet worden. Es handelt sich viel mehr um einen intelligenten und sehr passenden Zusammenschnitt, in dem die originale 5.1 Tonspur in einem Stereo-Downmix vorliegt. Somit ist, bis auf die wegfallenden Kanäle, kein Qualitätsverlust am Ton zu vernehmen. Jedesmal jedoch, wenn eine Stelle mit entsprechender Zuschauer-Reaktion zu vernehmen ist, wurde diese tonal und zeitlich passend über die Stereo-Tonspur drübergemixt. Somit bleibt die Tonqualität stets erhalten, die tolle Kino-Atmosphäre der Uraufführung, die im Übrigen im Grauman’s Egyptian Theatre in Hollywood stattfand (unter Anderem prämierte hier auch “Die Rückkehr der Jediritter”), wird jedoch mitreissend wiedergegeben.

Die Quellen

Wer den Film nun selbst einmal sehen möchte, dem sei geraten, der englischen Sprache mächtig zu sein, da er ausschließlich in englisch synchronisiert wurde. Allerdings liegen dem Film mehrere Untertitelspuren bei, überraschenderweise sogar eine in deutsch. Bis auf fehlende Punkte bei Umlauten sowie dem Sonderzeichen “ß”, das lediglich mit einem einzelnen “s” dargestellt wird, kann zweifellos behauptet werden, dass die Qualität der deutschen Untertitel durchweg hochwertig ist.

Hier scheint ganz offensichtlich jemand den Untertitel übersetzt zu haben, der deutsch als Muttersprache hatte oder nahezu gleichwertig gut deutsch spricht. Selbst Wortwitze wie “You saw avgnmovie008two Bigfoots? Would they be Bigfeet?” wurden mit den deutschen Untertiteln bewusst beibehalten und nicht direkt übersetzt in z.B. “große Füße”. Das hat der Film vielen Hollywood-Blockbustern ohne jeden Zweifel voraus.

Der Film ist derzeit als DVD, Blu-ray sowie als Video on Demand erschienen, wobei auch hier eine Besonderheit zu erwähnen ist. Die DVD und Blu-ray sind beide ohne Regional Code erschienen, womit sie, aktuell nur in den USA bestellbar (z.B. Amazon.com), auf jedem DVD- oder Blu-ray-Player weltweit abzuspielen sein sollten. Damit jedoch nicht genug: bei der digitalen Version, die z.B. über Vimeo oder GOG zu erhalten ist, sei erwähnt, dass diese kein üblicher Webstreamist , wie man es von Videoportalen ala Amazon oder Sky gewohnt ist.

GOG (Good old Games) bietet den Film für aktuell 7,39 Euro als direkten Download in verschiedenen, vorwählbaren Qualitätsstufen bis hin zur (komprimierten) 1080p-Version an. Einmal zum persönlichen Konto hinzugefügt, kann der Film dort immer wieder heruntergeladen und auf der lokalen Festplatte oder auf mobilen Endgeräten uneingeschränkt wiedergegeben werden, ohne dabei Copyrights zu verletzen. Das beinhaltet jedoch nicht das Weitergeben an Dritte, was selbstverständlich sein sollte.

Das Fazit

avgnmovie014Normalerweise bin ich nicht gerade zurückhaltend, was das Urteil über ein Produkt angeht. Bei diesem speziellen Film jedoch kann ein Gesamturteil nur schwer gefällt werden. Mit einem Blockbuster muss sich AVGN: The Movie auf keinen Fall messen, denn dafür wurde er nie gemacht. Mit den üblichen B-Movies kann er jedoch ebenfalls nicht verglichen werden, denn dafür ist er bei Weitem zu gut – zumindest aus technischer Sicht.

Die Story hingegen muss nicht jedem zusagen. Hier wird es bestimmt von Vorteil sein, wenn der geneigte Zuschauer die Webserie bereits kennt und zu schätzen weis. Da dies auf mich zutrifft, habe ich genau das erhalten, was ich erwartet habe: knappe zwei Stunden voll mit unterhaltsamen Anspielungen auf die Welt der Videospiele, den Nerd in Bestform und stellenweise großartigen Wortwitz.

Mit den Worten “Long live the Nerd” verabschiede ich mich hiermit von meinem ersten offiziellen Review für GamingNerd.net und hoffe, du hattest Spaß am Lesen und hinterlässt mir vielleicht ein paar Anregungen zur Verbesserung in den Kommentaren.