Persona 5 im Test – Psychospiele im XXL-Rollenspielformat

Der Begriff Persona (lat. Maske) wurde vom Schweizer Psychologen Carl Gustav Jung in den Sprachgebrauch der Psychoanalyse integriert. So ging Jung davon aus, dass wir alle „Masken“ tragen um von der Gesellschaft wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Dies geht jedoch immer auf Kosten unserer „wahren Identität“ die wir ständig hinter dieser Maske verbergen. Man könnte also sagen, wir formen uns unsere Masken nach unseren sozialen Erfahrungen und Prägungen. Unbestrittener Weise würden wohl viele von uns ihre persönliche Schulzeit als äußerst einflussreiche und prägende Zeit beschreiben, seien es die ersten Freundschaften, Stress mit den Lehrern oder erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht.

Im neusten Teil der Persona-Reihe schickt uns Atlus zum fünften Mal in die Rolle eines Jugendlichen auf eine japanische Schule. Auch hier geht es darum all die Aufgaben die der Schulalltag mit sich bringt zu meistern und seinen Platz oder besser Identität zu finden. Damit das Ganze aber nicht zu einer kafkaesken Lifesimulation verkommt, hat Atlus noch eine ordentliche Portion Mystik und japanische Folklore in das sehr ambitionierte JRPG gesteckt in dem es gilt, Monstern und Dämonen in Paralleluniversen das Handwerk zu legen. Ob der wilde Cocktail aus jugendlicher Selbstfindungsphase, Suspense-Thriller und Dämonenjagd die Anforderungen für ein packendes Rollenspiel erfolgreich besteht, findet ihr im folgenden Test raus.

Probleme in der Schule und zwischen den Welten

Das hat sich unser Protagonist sicher anders vorgestellt. Da rettet man eine junge Frau vor den Bedrängungsversuchen eines zwielichtigen  Mannes, doch statt von den Sittenwächtern Lob und Dankbarkeit zu ernten, wird er kurzer Hand selbst als Täter ausgemacht und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Unser Held muss seine gewohnte Umgebung verlassen und sich an einer neuen Schule, der Shujin Academy, anmelden. Zudem bezieht er die Wohnung eines entfernten Verwandten, der ein Café führt und sich scheinbar nur wenig für unsere Situation interessiert.

Als seien dies nicht schon genug Probleme, müssen wir zu allem Überfluss auch noch feststellen, dass unser neuer Sportlehrer Kamoshida ein Faible dafür hat, die Spieler seines Volleyballteams zu quälen und Schülerinnen sexuell zu belästigen. Aufgrund seines hohen Prestiges an der Shujin Academy scheinen Lehrer und Eltern über das Verhalten des Lehrbeauftragten großzügig hinwegzusehen. Ihm das Handwerk legen ist mit einem hohen Risiko verbunden, schließlich sind wir auf Bewährung hier und jeder Fehltritt könnte uns in den Knast bringen. Wenn wir Kamoshida nicht in dieser Welt Herr werden können, dann vielleicht in einer anderen…

Parallelwelten

Tatsächlich ereignen sich an der Shujin Academy rätselhafte Ereignisse die es unseren Helden ermöglichen, in das kollektive Unterbewusstsein der Menschen (übrigens auch eine entfernte Anlehnung einer Theorie von Carl Gustav Jungs) zu reisen. Das klingt ziemlich abgedreht und ist es tatsächlich auch, manifestieren sich doch in diesen Traumlanden die Wünsche, Begierden und Ängste der Menschen in Form von Dämonen und anderen Fabelwesen.

Hier müssen wir mit unseren neuen Schulfreunden als Phantomdiebe Labyrinthe bereisen und das Unterbewusste durch unsere Taten derart beeinflussen, dass sie auch Auswirkungen in der realen Welt haben. So helfen wir beispielsweise einem erfolglosen Politiker, seine Selbstbewusstseinsprobleme zu lösen oder schlagen uns mit neugierigen Journalisten rum. Als Hauptziel gilt es natürlich, Kamushida das Handwerk zu legen indem wir in seinem Traumpalast eindringen und seinen „Schatz“ stehlen.

Innerhalb der Parallelwelt, auch Mementos genannt, agieren wir mit Schlag- und Schusswaffen um uns unserer Feinde zu erwehren, doch unsere mächtigste Waffe im Kampf gegen manifestierte Dämonen sind unsere Personas…

Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?

Wie bereits eingangs erwähnt bilden die Personas, im Spiel ebenfalls durch Masken dargestellt, ein Abbild unseres Selbst dar. Je nach getragener Maske variieren unsere magischen Fähigkeiten in der Traumwelt. Diese reichen über klassische Feuer, Eis; Heil- und Windmagie bis hin zu ungewöhnlicheren Fähigkeiten wie Nuklear- oder Psiattacken. Diese Attacken sind untereinander auch kombinierbar und können, je nach Schwäche unserer Gegner, verehrende Schäden anrichten. Die Kämpfe in Persona 5 laufen dabei klassisch rundenbasiert ab wobei es je nach Kampfverlauf sogar möglich ist, mit unseren Gegnern zu sprechen. Sind unsere Widersacher dem Tode nah, können wir ihnen anbieten, sich für Geld frei zu kaufen oder sich in Form einer neuen Maske uns anzuschließen. Auch anschleichen und plötzliche Überraschungsangriffe starten erweisen sich als hilfreiche Taktik gegen die Dämonenscharen.

Im Velvet Room können wir neuerworbene Persona miteinander zu stärkeren Formen verschmelzen und ihre Fähigkeiten kombinieren. Eine gut gewählte Auswahl an Masken und Mitstreitern ist für den Ausgang eines erfolgreichen Diebeszuges in die Traumwelt essentiell.

Wer jetzt jedoch denkt, dass man pausenlos durch verwunschene Dungeons läuft um Alpträumen das Handwerk zu legen irrt gewaltig. Schließlich müssen wir uns auch den ganz normalen alltäglichen Problemen die ein Schülerleben so mit sich bringt in der realen Welt stellen…

Die leiden eines jungen Schülers

Tatsächlich machen unsere Reisen in die Parallelwelt etwa die Hälfte der Spielzeit aus. Die restliche Zeit verbringen wir mit allerlei Schul- und Freizeitaktivitäten. Prüfungen wollen vorbereitet und von uns gemeistert werden. Sport und Freizeit mit Freunden erhöhen unsere sozialen Fähigkeiten wie Charme, Mut Tüchtigkeit und so weiter. Wir können uns mit Schülerinnen treffen, Nebenjobs annehmen oder auch im Laden unseres Onkels aushelfen.

Das klingt alles zunächst recht gewöhnlich bis langweilig doch wird die Schulsimulation durch den eigenen typischen Persona Animestil und die geschickte Verknüpfung der Ereignisse in den verschiedenen Welten zu einer spannenden Angelegenheit. Selbst solche Kleinigkeiten wie das Wetter haben Auswirkungen auf unser Handeln. So lernen wir beispielsweise bei Regen besser und können auch bei einem gemütlichen Bad leichter entspannen. Die vielen Details machen die sozialen Interaktionen in der realen Welt angenehm abwechslungsreich und gestalten sich ähnlich kurzweilig und spaßig wie das Durchforsten der Dungeons.

Style ist Alles

Besonders lobend erwähnt seien an dieser Stelle das Artdesgin sowie der durchweg stimmige Soundtrack des Spiels. Während in der realen Welt noch der gewohnte Anime-Schülerlook wartet, konnten sich die Artdesigner in den Traumebenen richtig austoben. Sicherlich werden hier auch wieder einige gängige Mangaklischees bedient. Von ausfallenden lasziven Frauenkostümen bis hin zu kitschigen Heldenkostümen kommt hier alles vor. Allerdings passen diese Gewänder und Designentscheidungen hervorragend zur Inszenierung und Umgebung der Traumwelten. Der jazzige Soundtrack ist ebenfalls stimmig, und die englischen Stimmen sind durchweg gut getroffen. Wer lieber die englischen Originalstimmen hören möchte, kann sich diese kostenlos downloaden. Deutsche Bildschirmtexte fehlen leider.

Fazit

Egal ob die hervorragenden Rundenkämpfe, die unzähligen motivierenden sozialen Interaktionen, das einzigartige Interface, Charakter- und Monsterdesgin oder die Geschichte, Atlus präsentiert hier JRPG-Kost auf allerhöchstem Niveau. Ich hätte nicht gedacht, dass der Schulalltag so angenehm abwechslungsreich gestalltet werden kann und dabei so motivierend ist. Die klassischen Rundenkämpfe bieten genügend Abwechslung und taktische Möglichkeiten ohne sich in überfrachteten oder verwirrenden Befehlsketten zu verrennen. Das sammeln und züchten neuer Personas macht Laune und motivert zu stundenlangen Dungeoncrawling. Tatsächlich gestallten sich die Alltagsaufgaben sowie die Diebeszüge durch das kollektive Unterbewusstsein der Menschen gleichermaßen kurzweilig, das es in beiden fällen so gut wie nie langweilig wird und es auch kaum inszenatorische Durchhänger gibt. Das liegt vor allem auch an der spannenden Geschichte rund um die Paralellwelt und die Einzelschicksale unserer Protagonisten. Auch wenn ich es schön gefunden hätte, auf deutsche Bildschrimtexte zurückgreifen zu können oder mein Hauptcharakter etwas gesprächiger hätte sein können, Atlus macht in diesem JRPG alles richtig und schlägt im direkten Vergleich Final Fantasy XV in so gut wie allen Belangen. Persona 5 ist ein zutiefst beeindruckendes JRPG das vor Symbolik und Tiefe nur so strotzt. Wer wenig Wert auf philosophische und tiefenpsychologische Themen legt sollte diesem Titel trotzdem eine Chance geben, denn Gameplay und Desgin suchen in diesem Ausnahmetitel ebenfalls ihresgleichen.

Persona 5
Grafik/Präsentation
92
Story/Atmosphäre
91
Gameplay
91
Spielspaß
93
Leserwertung0 Bewertungen
0
92