Assassins Creed Odyssey im Test – Ein Nerd auf dem Weg zum Olymp

Nach Assassins Creed Syndicate sollte es eigentlich erstmal Sabbat für die Franchise bedeuten. Nach nur zwei Jahren kam Ubisoft dann mit einer Neuinterpretation Assassins Creed Origins auf den Markt. Statt die Uhr weiter in die Zukunft zu drehen wurde diese gebremst und ordentlich der Rückwärtsgang eingelegt. Man führte uns ins alte Ägypten zu den Anfängen der Assassinen und der Templer. Nun hat man nur ein Jahr später die Uhr noch weiter zurückgedreht und bringt uns ins alte Griechenland zur Zeit des Pelopennesischen Kriegs. Aber wo fängt man an, wenn die Assassinen erst in rund 100 Jahren gegründet werden? Natürlich bei einem Söldner! Wie genau das aussieht? Erkläre ich euch weiter in meiner Review.

Tonight we dine in hell!

Die Schlacht der 300 stellt den Anfang von Assassins Creed Odyssey dar. Wer den Film 300 kennt, weiß welch rumreiche aber auch tödliche Schlacht König Leonidas und seine Spartiaten gegen das persische Königreich und König Xerxers geschlagen hat. Nach dieser kleinen Rückblende mit Tutorial rund um das Kampfsystem steigen wir wahlweise als Kassandra oder Alexios ins Spiel ein. Die Charakterauswahl spielt bei dem Verlauf der Story keinerlei Rolle aber der Gegenpart wird entsprechend im Verlauf des Spiels auftauchen. In jedem Fall ist unser Charakter ein Söldner, welcher von seiner spartianischen Familie der Götter wegen von einem Berg geworfen wurde. Er oder Sie wird von einem zwielichtigen Händler aufgelesen und aufgenommen. Aber warum sollte ein Söldner auf einmal quer durch das Land ziehen? Ein Auftrag, den eigenen Vater zu töten, gibt uns die Möglichkeit unseren Rachegelüsten nachzugehen und gleichzeitig unseren Geldbeutel aufzufüllen. Welcher Söldner kann da widerstehen? Im offenen Krieg Spartas gegen die Athener können wir lustig zwischen den Seiten wechseln. Der Krieg gibt Ubisoft auch die Möglichkeit ein neues System in Assassins Creed Odyssey einzuführen. So können wir die Partei, welche gerade die Macht in einem Gebiet innehat, durch das Töten von Hauptmännern und zerstören von Kriegsvorräten schwächen, so dass es zu einer entscheidenden Schlacht über die Vorherrschaft kommt. Hier können wir uns entscheiden, ob wir uns auf die Seite des Peloponnesischen Bundes unter der Herrschaft der Spartiaten oder der des Attischen Seebundes unter der Führung der Athener stellen. Der Sieger der Schlacht wird in jedem Fall als gefestigter Herrscher des Gebietes gelten, was aber auch nicht heißt, dass wir es nachträglich wieder ändern könnten.

Vivere militare est

Auf der Suche nach unsere Familie merken wir schnell, dass nicht der Peloponnesische Krieg die große Gefahr für das Land ist, sondern der Kult des Kosmos. Dieser hat überall seine Fäden gesponnen und agiert im Hintergrund. So stellt dieser Kult durchaus ein Pendant der Templer aus den früheren Assassins Creed Spielen dar. Allerdings war es bisher nicht so, dass eine solche schiere Masse an verschleierten Übeltätern auf uns gewartet haben. Rund 50 Kultmitglieder gilt es unschädlich zu machen, was sich unser Protagonist selbst und aus völlig freien Stücken zur Aufgabe macht. Schwierigkeit dabei: Wir kennen die Identitäten der Kultisten nicht. Zwar sind wir früh bei einer Versammlung, da aber alle vermummt sind, können wir nur erahnen wer sich hinter den Masken verbirgt. Also es gilt 50 Gegner auszuschalten nur wissen wir nicht wer? Ziellos Menschen jagen ist wohl keine zielbringende Option. Also fragen wir uns einfach ein wenig durch, erfüllen Nebenquests und machen uns weiter auf die Suche nach unserer Familie. Durch das muntere Questen entwickeln sich auf einmal Nebenquests zu Hauptquests und geben uns häufig Hinweise auf Anhänger der Kultisten. Überhaupt wirft man einen Blick auf die Karte wird man mit Symbolen nur so erschlagen. Will man sich zur Aufgabe machen, wirklich alles zu erledigen, kann das eine ganze Weile dauern. Und auch das herausfinden der Persönlichkeiten hinter dem Kult fühlt sich durch die eher undurchsichtigen Nebenquests ein wenig zufällig an. Leider sind viele der Nebenquests aber auch simple „Beseitigungs“- oder „Sammel“-Missionen und hinzu kommt dann auch manchmal noch, dass die Dialoge in der deutschen Vertonung eher schlecht als recht geschrieben und synchronisiert sind. Schade! Aber trotzdem haben manche Missionen immer noch ihre Momente. Herzerweichend war beispielsweise eine Nebenquest mit einem kleinen Mädchen, welches im Ton gespielt hat und Geschenke für ihre Freunde machen wollte. Wir helfen ihr und sammeln Edelsteine und Perlen. Merken dann aber, dass ihre Freunde eben aus Ton selbst gemacht sind. Sie ist klein, allein und hilflos und ihr wurde nur gesagt, dass sie sich Freunde suchen soll aber nie erklärt, was Freunde überhaupt sind. Mein Herz ist weich geworden und ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie zu belehren, was genau Freunde sind, sondern habe mitgespielt. Solche Situationen sind übrigens über das Dialogsystem von Assassins Creed steuerbar. Ich hätte auch zur Wahl gehabt, die Illusion des Mädchens zu zerstören, welche Tragweite diese Entscheidung allerdings gehabt hätte, kann ich nicht sagen. Aufgrund einer anderen Entscheidung ist auf meiner Heimatinsel allerdings jetzt eine Seuche ausgebrochen. Das Dialogsystem gibt uns zusätzlich die Möglichkeit auch Quests eher diplomatisch zu lösen, anstelle direkt die Klinge ziehen zu müssen. Eine nette Abwechslung neben all dem Meucheln.

Über Stock und Stein

Die offene Welt von Griechenland können wir nach Lust und Laune bereisen. Lediglich die Gefahren sind ein wenig an unseren Progress gebunden. Denn Assassins Creed Odyssey hat genauso wie im direkten Vorgänger ein Rollenspiel System mit Leveln. Durch das erforschen der Umgebung, besiegen von Gegnern und erledigen von Quests sammeln wir Erfahrungspunkte und steigen wie gewohnt im Level auf. Bei jedem Level bekommen wir einen neuen Fähigkeitspunkt den wir in einen der drei Fähigkeitsbäume Jäger, Krieger oder Assassine vergeben können. Anders als im Vorgänger können wir so auch neue Skillangriffe freischalten. Diese können wir mit im Kampf verdienten Fokus einsetzen. So können wir beispielsweise unsere Klingen in Brand setzen um unseren Gegner ordentlich einzuheizen oder können den Weltberühmten Spartaner Kick einsetzen. Es gibt wohl kaum einen bekannteren Tritt, abgesehen von Chuck Norris Roundhouse Kick, wird dieser schließlich bis heute im Internet als ein Meme gefeiert. Das Kampfsystem ist gewohnt fordernder aber im Vergleich zu Assassins Creed Origins etwas einfacher geworden, da es dank dem Skillsystem gute Konterbewegungen für bestimmte Gegnertypen gibt. An neuen Orten können wir uns mithilfe von unserem ständigen fliegenden Begleiter, dem Adler Ikarus schnell eine Übersicht verschaffen. Damit markieren wir Gegner, Schätze und Missionsziele in direkter Umgebung. Zu Land sind wir über weitere Strecken häufig auf dem Pferd unterwegs, was sich durch das automatische Wegesystem als sehr komfortabel erweist. Haben wir ein Questziel auf der Karte aktiviert, können wir per Knopfdruck automatisch dahinreiten und können unsere Aufmerksamkeit vollständig der schön gestalteten Umgebungen widmen. Wie gewohnt in einem Assassins Creed Spiel sind natürlich auch hier wieder die gewohnten Parkour Elemente vorhanden und wir können auch so an Bergen und Wänden heraufklettern. Genauso schleichen wir durch hohes Gras und verstecken uns hinter Wänden um Gegner aus dem Hinterhalt zu erledigen.

Zu Wasser kehrt eine alt bekannte Mechanik aus Assassins Creed Black Flag zurück. Das Schiff! Die Adrasteia ist unser treuer Begleiter durch die Meere von Griechenland. Statt mit Kanonen beschießen wir unsere Gegner mit Pfeilen oder Speeren und können andere Schiffe entern um Ressourcen und Crafting Gegenstände zu erbeuten. Der Kampf auf dem Wasser fühlt sich dabei genauso gut an, wie aus dem vierten Teil und macht auch wirklich Spaß. Aufwerten können wir die Adrasteia dann mithilfe der gesammelten Materialien. Zusätzlich können wir auch noch neue Mannschaftsmitglieder anheuern, welche uns Boni auf bestimmte Schiffselemente geben.

In einem Rollenspiel geht es häufig um die beste Ausrüstung, warum sollte das in diesem also anders sein? Assassins Creed hat ein Level-basiertes Ausrüstungssystem, sprich jedes Rüstungsteil oder jede Waffe ist an eine Mindeststufe gebunden. Zusätzlich können alle Ausrüstungsgegenstände noch eine Seltenheitsstufe von Selten bis Legendär besitzen. Bei einem Schmied können wir die Ausrüstung noch zusätzlich mit Gravuren verbessern oder rüsten sie mithilfe von gesammelten Materialien auf unsere aktuelle Stufe auf. Dadurch können wir auch in niedrigeren Leveln unsere aktuelle Ausrüstung behalten. Finden können wir neue Ausrüstung überall in der Welt. In Truhen, bei Gegnern, in Missionen. Bei Truhen müssen wir allerdings vorsichtig sein, denn in Assassins Creed Odyssey können wir nicht einfach alles mitgehen lassen, was wir wollen, sondern sollten uns besser nicht beim Stehlen erwischen lassen. Überhaupt sollten wir uns bei keinerlei Straftaten erwischen lassen. Sollte das doch passieren, wird ein Kopfgeld auf uns ausgesetzt und andere Söldner machen Jagd auf uns. Nun können wir fortwährend angreifende Söldner aus dem Weg schaffen. Alternativ können wir aber auch das Kopfgeld selbst bezahlen oder den Auftraggeber einfach meucheln. Die Söldner sind zwar alle Elitekrieger wie auch schon das Jagdkommando aus Origins, sind die Gegner in Odyssey aber eher an unser Level angepasst und somit leichter zu besiegen. Zwar ist das System auf Dauer lästig, da die Söldner auch während einer Mission auftauchen können und diese dadurch schwerer machen, macht es die Welt insgesamt aber auch Glaubhafter und zwingt uns gewisse Regeln auf. Ob das jedem gefällt ist dabei wohl Geschmackssache.

Zu nah an der Sonne vorbei

Gerade die Landschaft von Griechenland ist wirklich ein Highlight an dem ich mich kaum satt sehen kann. Ich war schier begeistert als ich die kleine versteckte Ortschaft an den heißen Quellen gefunden habe. Selten habe ich eine wirklich liebevoll und detailreiche Open World gesehen und stecke hier wirklich voller Lob. Auf der Xbox One X kommt in 4k auch noch wirklich wundervolle Weitsicht. Nur selten kommt es zu wirklichen Grafikfehlern. Hier und da gibt es allerdings leichte Probleme mit der Beleuchtung, wodurch sich Schatten ein wenig unnatürlich verhalten. Insgesamt macht Odyssey grafisch aber auch keinen riesigen Sprung nach vorne, sondern geht mit der Zeit. Im Audiobereich sieht das Ganze allerdings nicht so rosig aus. Seltsame und teils emotionslose Dialoge in der deutschen Synchronisation haben mich schnell auf die englische Synchro wechseln lassen, welche deutlich besser gelungen ist. Schade, wurde hier doch einiges an Potenzial liegen gelassen. Gerade durch die schiere Masse an Quests und den damit einhergehenden Dialogen allerdings auch nachvollziehbar. Die restliche Umsetzung passt wieder sehr gut ins Spiel. Eventgebunde Musik, Schantys auf dem Schiff könnten sogar häufiger sein, haben mir diese schon so sehr in Black Flag gefallen. Audiovisuell macht Assassasins Creed in der englischen Synchro vieles wirklich gut, in der deutschen Synchro gibt es aber Abzüge in der B-Note. Wenn ein Dialog der in drei Sätzen hintereinander sagt, dass das Ziel getötet werden soll / wird / muss ist einfach zu viel des Guten.

Fazit

Ich war ein wenig verwundert, dass Assassins Creed Odyssey schon nach nur einem Jahr nach Origins veröffentlicht wird. Anhand des Systems und der Umgebung muss man allerdings auch sagen, dass es zu Origins nicht viele, dafür aber sinnvolle Neuerungen gibt. Wer also ein Rollenspiel mit Assassins Creed Stealth System sucht, wird mit Odyssey vermutlich glücklich. Wer eingefleischter Assassinen Fan ist und deren Story genau verfolgt, der könnte bei diesem Assassins Creed durchaus ein wenig in die Röhre gucken. Gerade vom Umfang her, werden Rollenspiel Fans hier einiges zu tun haben und die Angekündigten Events werden auch noch im Lategame für einige Zeit beschäftigen.

Assassins Creed Odyssey
Grafik/Präsentation
82
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
85
Spielspaß
84
Leserwertung9 Bewertungen
62
Riesige liebevoll gestaltete Spielwelt
Forderndes skillbasiertes Kampfsystem
Riesger Umfang
Nerviges Söldnersystem
Schlechte Synchronisation
Schwierige Übersicht im Bezug der Kultisten
84