Es gibt Dinge, die haben Nintendos Hosentaschenspieler und ich gemeinsam. Mittlerweile sind wir beide was grau. Und seit kurzem beide über 30. Auch wenn ich bei letzterem nen klaren Vorsprung habe. Für uns Europäer ist der Game Boy eigentlich auch noch gar keine 30, erschien er hier doch erst im Herbst 1990. So war das halt früher, selbst ein Blockbuster wie Batman brauchte ein paar Monate vom US-Start bis nach Deutschland. Konsolen gleich ein ganzes Jahr. Machte aber nix, wir waren trotzdem geflasht.
Wie man es richtig macht
Dabei war der Game Boy nicht der erste Handheld. Und auch nicht Nintendos erster Gehversuch in der Richtung. Ganze zehn Jahre vor den Japanern brachte Milton Bradley den MB Microvision raus. Hier steckte die CPU im Spielmodul, es gab ganze 16 mal 16 Pixel für die Grafik und maximal 2KB ROM für ein Spiel. Kurzum, selbst verglichen mit dem Game Boy wirkte der Microvision technisch absolut witzlos. Eine ganz andere Hausnummer war da schon der Epoch Game Pocket Computer, der 1984 nur in Japan erschien. Mit 75×64 monochromen Pixeln und ganzen 2KB Arbeitsspeicher war er schon eine andere Hausnummer als der Microvision. Dafür gab es nur eine Handvoll halbgarer Titel. Die Achtziger gehörten nun mal den LCD Spielen. Wie Nintendos Game & Watch Reihe. Die sahen sogar meist halbwegs schick aus, waren aber spielerisch durch die Bank extrem simpel gestrickt. Vom Gameplay eines Space Invaders oder Pac-Man war das ziemlich weit entfernt. Und so hatte auch Donkey Kong als Game and Watch Titel nur rudimentäre Ähnlichkeit mit der Automatenvorlage.
All das änderte sich 1989, denn da erschien der Atary Lynx! Fast vier Zentimeter breiter und locker doppelt so dick wie Nintendos Switch, mit 64KB Speicher und bis zu zwei Megabyte großen Modulen, Sprite Zoom Spielereien die schicke 3D Effekte ermöglichten und allem drum und dran, Farbbildschirm mit Hintergrundbeleuchtung etwa. Sechs Batterien hielten mit etwas Glück vier Stunden. Akkus deutlich kürzer. Einige Zeit später sollte dann noch Segas Game Gear rauskommen, mit etwas mehr Ausflösung, ein wenig mehr Akkulaufzeit kompakter und tatsächlich kompatibel zum Master System. Tolle Technik, auf die wir Game Boy Besitzer in den Folgejahren manchmal etwas neidisch sein würden.
Denn viel hatten wir nicht. Da wären ganze vier Grünstufen, grau war das Display anfangs nämlich wirklich nicht. Überhaupt keine Hintergrundbeleuchtung. Und auch keine großen Effektspielereien. Allerdings hatten wir die deutlich handlichere Konsole, die nicht nur in einen einen eigenen Rucksack passte sondern in (wirklich große) Hosen- und Jackentaschen Platz finden konnte. Wir hatten 15 Stunden Batterielaufzeit und auch mit aufladbaren Akkus konnte man Nintendos Handheld vernünftig nutzen. Und wir hatten Tetris!
It’s all about the Games
Man kann Tetris lieben. Man kann Tetris auch hassen. Ich bin tatsächlich nicht der größte Fan der Klötzchenstapelei. Aber Tetris hatte Anfang der Neunziger einen riesigen Vorteil gegenüber fast allen anderen Videospielen. Die Erwachsenen fanden es auch gut. Manchmal vielleicht zu gut. Mein Vater kassierte den Game Boy zum Beispiel gerne mal abends ein, damit ich definitiv nicht mehr heimlich daddle. Und um selber Tetris zu spielen. Überhaupt, einige der größten Videospiel Hasser spielten plötzlich Tetris. Und das anscheinend nicht nur in meinem Umfeld. Aber das war natürlich nicht alles. Von Probotector und Castlevania bis Duck Tales und Super Mario Land, es gab einfach alles an 2D Titeln, was man sich vorstellen konnte am Anfang der Neunziger. Fun Fact, The Castlevania Adventure durfte ich Anfangs wegen des Covers nicht haben, das wirkte meiner Mutter erstmal zu gruselig-brutal für einen elfjährigen. So alt war ich nämlich, als ich endlich meinen eigenen Game Boy haben durfte. Ein paar Monate nach Europa Veröffentlichung und nicht zuletzt mit Tetris überzeugend.
Für mich war Nintendos Handheld das erste eigene Videospielgerät. Telespiele kannte ich allerdings schon deutlich länger. Die erste richtige Begegnung war ein Atari VCS 2600 am Schwarz-Weiß Fernseher, mit Space Invaders und Pac-Man. Die ganze Kombi gehörte einem Freund, der eigentlich immer mit kleinen Plastik Soldaten spielen wollte. Also erst die Arbeit, dann das Vergnügen…
Das änderte sich mit einem Neuen in der Klasse, ebenfalls mit Atari, aber am Farbfernseher im Wohnzimmer und mit sehr viel mehr Spielen. Von all dem waren meine Eltern, wie so oft zu der Zeit, wenig begeistert. Zum Teil wohl auch, weil ich als Kind zeitenweise gar nicht gerne draußen unterwegs war. Auch so ein Punkt, der mit dem Game Boy anders wurde. Im Zweifelsfall nahm man den einfach mit nach draußen zum Zocken. Das Licht war da sowieso oft besser. Und so einiges konnte man per Link-Kabel ja eh zu zweit spielen. Samt hitziger Wortgefechte. Leider wurden viele Spiele auch mit strahlendem Sonnenschein kein Stückchen besser. Der ein oder andere Fehlkauf (ja, ich meine auch dich, RoboCop 2) war dann auch der Grund für meine ersten Videospiel-Magazine. Man vergisst halt echt, wie durchwachsen die Durchschnittsqualität früher war.
Die Geschichte vom Klempner und vom Igel
wTatsächlich war meine eigene Game Boy Phase aus heutiger Sicht ziemlich kurz. Dank Super Nintendo, Fernseher mit riesigen 34cm sichtbarer Bilddiagonale und Amiga 500 und weil man als Teenager draußen langsam doch andere Sachen machte, hatte sich der Game Boy für mich weitestgehend erledigt. Eigentlich fand ich den Sega Nomad auch viel cooler als einen doofen GB Pocket. Als Pokemon in Europa rauskam interessierte ich mich eh längst mehr für Final Fantasy VII, Fallout und Co. und eigentlich war die kleine Kiste, die vom gurkigen Gamate bis zum TurboExpress restlos jeden Konkurrenten überlebt hatte eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Und trotzdem musste ich irgendwann dann doch noch einen Game Boy Color haben. Nicht, dass der technisch besonders dolle gewesen wäre. Die Farbauswahl war oft bescheiden, Hintergrundbeleuchtung gab es immer noch nicht. Entsprechend gute Lichtbedinungen brauchte man wieder mal zum Spielen. Aber er war mega kompakt, gerade mal zwei Batterien hielten ewig und vor allem hatte der Game Boy etwas, das kein Konkurrenzformat je so hinbekommen hat. Eine gigantische Software Bibliothek mit extrem vielen guten Exklusivtiteln. Sei es Links Awakening, gern in der leicht aufgebohrten DX Fassung, Super Mario Land 2: The Six Golden Coins, der gelungene Game Boy Color Port von Donkey Kong Country, Solar Striker, Pokemon oder sonst was. Wer irgendwann in den Neunzigern mal Kind war, der kommt am Game Boy einfach nicht vorbei. Manchmal zahlen sich Langsamkeit und Beständigkeit eben aus. Bei den Verkaufszahlen nur vom DS überboten, ist Nintendos Game Boy der Archetyp eines Handheld schlechthin. Einfach, robust, zuverlässig und irgendwie immer ein treuer Begleiter. Daran ändert sich wahrscheinlich auch die nächsten dreißig Jahre nichts.