Wolfenstein 2: The New Colossus für Nintendo Switch im Test – “Nazis” killen am Baggersee

Nintendo Spieler sind das Warten auf Portierungen seit langer Zeit gewohnt. Auch bei MachineGames‘ Wolfenstein 2 kommt die Portierung wieder reichlich später, und zwar ziemlich genau acht Monate. In diesem Fall ist das ausnahmsweise aber mal ziemlich praktisch, denn so kommt der Port von Panic Button perfekt für Urlaub, Balkon und Baggersee. Ob die mobile Umsetzung aber auch wirklich was taugt, lest ihr im Test:

Set and Max hit the Road

Wolfenstein 2: The New Colossus fängt ziemlich genau da an, wo The New Order endete. In einer kurzen Rückblende, die die Story des Vorgängers rekapituliert können wir uns auch noch mal für eine der beiden Zeitlinien des ersten Teils entscheiden. Das hat so ganz nebenbei Auswirkungen auf unsere Spielausrüstung, ist aber vor allem für Nintendo Spieler, die den Vorgänger gar nicht kennen sehr praktisch. Inhaltlich ist Wolfenstein 2 auf Switch natürlich völlig identisch zur von uns getesteten ‘großen‘ Version. Entsprechend bietet es exakt die gleichen Spielmechaniken und Level wie auf PlayStation 4 und Xbox One. Die grundsätzlich ziemlich linearen Umgebungen bieten immer wieder mal kleinere Abkürzungen und Schleichwege, welche verschiedene Spielweisen bedienen. Ob man eher geduckt und leise oder in Rambo-Manier vorwärts kommen will, ist alles in allem dem Spieler überlassen. Eine Ausnahme stellen die immer wieder auftauchenden Kommandanten dar. Diese können nämlich Alarm schlagen und so reichlich Verstärkung herbei rufen, weswegen sie nach Möglichkeit immer zuerst ausgeschaltet werden sollten.

In der zweiten Spielhälfte dürfen wir uns auch noch eine von drei Spezialfertigkeiten aussuchen, die etwa neue Wege frei räumen kann oder uns durch Lücken quetschen lässt, durch die B.J. Blazkowicz sonst nie passen würde. Der Schwerpunkt von Wolfenstein 2 liegt aber klar auf packenden Shootouts mit den Nazis.

Hit Heiler

Die ziemlich B-Movie mäßige Alternative- Historie-Handlung von Wolfenstein 2 macht nach wie vor eine wirklich gute Figur. Das fängt bereits beim ersten Level an, in dem der extrem geschwächte B.J. im Rollstuhl unterwegs ist. Immerhin bekommen wir nach kurzer Spielzeit den Powerarmour-artigen Anzug von Caroline Becker, mit dem der schwer verletzte B.J. wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Tatsächlich ist The New Colossus bei aller Abgedrehtheit ausgesprochen konsequent. Der Wiesenau Kreis und Blazkowicz selbst müssen immer wieder mit ernsthaften Konsequenzen umgehen. Die Mischung aus Dieselpunk, Ernsthaftigkeit, Brutalität und auch immer wieder Humor, die MachineGames bereits beim Vorgänger an den Tag legte, geht auch bei Wolfenstein 2 wieder voll auf.

Wesentlich kritischer kann man dagegen die Schnitte der deutschen Fassung sehen. Die Ironie an der Geschichte – in der Gewaltdarstellung ändert sich bei uns mittlerweile nix mehr. Dafür wurden mit den Hakenkreuzen auch alle Nazis entfernt. Nun heißt die Bösen auch schlicht Regime, selbst Weltraumnazis sind keine Nazis mehr. So manche Entscheidung wirkt dabei schon geradezu absurd. Sicher, Hitler war offiziell Reichskanzler. Auch wenn man ihn wohl überall den Führer nannte. Die Bezeichnung Kanzler statt Führer ist deswegen noch nachvollziehbar. Warum man aus Hitler allerdings Heiler machte schon deutlich weniger. Völliges Unverständnis weckt dann der fehlende Bart. Der amerikanische Ku Klux Klan darf wiederum auch der Klan bleiben, so ganz ohne Änderungen.

Nüchtern betrachtet funktioniert das Regime genauso gut wie ‘richtige‘ Nazis. Immerhin sehen sie aus wie Nazis, benehmen sich wie Nazis und so weiter. Dennoch wirken die Änderungen unnötig, gelegentlich albern und ja, konstruiert. Schade, dass sich Publisher in Deutschland auch 2018 noch nicht trauen, Nazis einfach Nazis sein zu lassen.

Blurrenstein?

Wie gut verträgt Wolfenstein 2: The New Colossus die zwangsläufige Schrumpfkur? Denn dass der Titel auf der Switch technisch Federn lassen muss, war wohl jedem klar. Vorweg: trotz eines großen Aber, ziemlich gut. Wolfenstein 2 macht auf der Switch Spaß, spielt sich auch im Handheldmodus sehr rund und hat auf Nintendos Konsole sogar einen netten Bonus. Auch wenn den nicht jeder mögen wird. Anders als der Port von Doom bietet Wolfenstein vom Start weg Bewegungssteuerung. Und zwar ganz egal, ob mit Joycons solo, Pro Controller, mobil oder zusammengesteckten Joycons. Fans der Bewegungssteuerung werden sich freuen, dass sie ziemlich gut funktioniert, alle anderen werden sie vermutlich deaktivieren.

Auch auf Soundseite lhaben wir nix auszusetzen. Die guten Sprecher, satten Soundeffekte und passende Musikuntermalung wirken immer perfekt zum Geschehen, zusätzlich bietet Wolfenstein 2 auch auf Switch Surroundsound in den Optionen. Somit sollte hier wirklich jeder zufrieden sein. Bleibt der große Knackpunkt – die Optik.

Der erste große Kompromiss, der für die Switch Fassung gemacht wurde erweist sich prompt als gar nicht so wild. Ähnlich wie bei Doom wurde die Bildrate auf 30fps halbiert. Da Wolfenstein 2 aber ohnehin ein geringeres Spieltempo aufweist und seine Bildrate fast immer halten kann, stören die 30 Bilder pro Sekunde in der Praxis gar nicht sonderlich. Erst der direkte Vergleich mit den anderen Konsolenfassungen macht klar, dass sich 60 Bilder pro Sekunde eben doch etwas flüssiger spielen. Aber selbst dann bleibt der gut spielbare Eindruck der Switch Fassung. Und damit kommen wir schon zum zweiten gravierenden Punkt – der dynamischen Auflösung. Auch das kennen Switch Besitzer bereits von Doom.

Von maximal 720p kann die Auflösung bis auf 360p sinken. Dabei wird The New Colossus zwar nie pixelig, aber teilweise sehr unscharf. Im Handheldmodus passiert es zwar deutlich häufiger, dass das Minimum erreicht wird, gleichzeitig stört es hier aber weniger als bei großen Fernsehern. Wer noch einen FullHD-TV im 40“ Bereich hat ist hier ohnehin nicht so stark betroffen wie Besitzer eines 65“ 4K Monsters. Unterm Strich hat man hier bei Panic Button dennoch genau die richtige Entscheidung getroffen, denn bis auf sehr wenige Szenen bleibt die Spielbarkeit völlig erhalten. Die wenigen Ausnahmen sind eine Handvoll Stellen, in denen sehr weit entfernte Gegner auf der Switch schlecht zu erkennen und wesentlich schwerer zu treffen sind.

Auf der anderen Seite blieb der komplette Look von Wolfenstein 2 intakt. Das liegt nicht zuletzt an der aufwendigen Beleuchtung samt Effekten wie Ambient Occlusion. Dynamische Lichteffekte oder Schatten – all das bleibt auch Switch-Spielern erhalten. Auch wenn man mobil spielt. Sicher, Schatten- und Texturqualität mussten Abstriche in Kauf nehmen und gerade im Handheldmodus blendet die höchste Texturstufe manchmal spät und sichtbar ein. Trotzdem gibt es aktuell wohl keinen vergleichbaren First Person Shooter, den man mobil spielen kann. Auch wenn man sich eine höhere Minimalauflösung wünschen würde, Wolfenstein 2: The New Colossus macht auch auf Switch eine wirklich gute Figur. Wer ausschließlich am TV spielen will wäre aber mit einer der anderen Fassungen besser bedient.

Missing in Action

Leider fehlen Switch Spielern die DLC’s der anderen Fassungen. Gerade nach der langen Wartezeit wäre es schön gewesen, wenn MachineGames und Panic Button sie gleich mit integriert hätten. Ein ärgerlicher Punkt für Retailkäufer ist ein Zwangs-Download von immerhin 8GB für die Modulfassung. Das wäre definitiv kundenfreundlicher und besser gegangen.

Kann man mit den beiden Einschränkungen leben, ist Wolfenstein 2 auch auf Switch ein tolles Spiel und obendrein der aktuell beste First Person Shooter auf Handhelds.

Fazit

Ja, Wolfenstein 2 auf Switch ist manchmal alles andere als scharf. Aber das betrifft wirklich nur die Optik. Sieht man davon mal ab bekommt man den aktuell wohl besten Handheld Shooter überhaupt. Schade ist dabei nur, dass auf die DLC’s verzichtet wurde. Wer schon immer Nazis im Freibad abknallen wollte kann das jetzt jedenfalls endlich tun.

Wolfenstein 2
Grafik/Präsentation
80
Story/Atmosphäre
88
Gameplay
86
Spielspaß
87
Leserwertung0 Bewertungen
0
85