Radiant Historia: Perfect Chronology im Test: Die perfekte Version?

Sobald ich die Worte JRPG in Kombination mit Zeitreisen lese, gerate ich kurz in Schnappatmung, muss ich dabei doch automatisch an das zeitlos geniale Chrono Trigger denken, welches ich selbst nach mehr als 20 Jahren zu den besten Videospielen überhaupt zähle. Nur eine Hand voll weiterer Spiele aus diesem Genre schafften es mich derart zu fesseln. Radiant Historia von Altus schlug mit seinem Gameplay und dem Grundsetting schon anno 2010 auf dem Nintendo DS in eine ähnliche Kerbe. Leider blieb uns in hiesigen Landen ein Release in Europa verwehrt. Da es in diesen Zeiten allerdings schon Standard ist, alte Spiele für aktuelle Systeme neu aufzulegen, komme ich nun doch dazu Radiant Historia: Perfect Chronology für Nintendos aktuellen Handheld testen zu können. Ob das Spiel bezüglich Story, Kampfsystem und vor allem des Features zwischen zwei Zeitachsen hin und her zu springen auch heute noch überzeugt oder gar an den Sphären eines Chrono Trigger kratzen kann, klärt der folgende Test für euch.

Geschichte zum selber schreiben

Schauplatz unserer Geschichte ist das Königreich Vainqueur. Das Reich wird von einer mysteriösen Seuche heimgesucht welche das Land zunehmend versanden lässt. Doch statt der Ursache dieser geheimnisvollen Dürre auf den Grund zu gehen, beginnen zwei Großmächte einen Konflikt um die letzten fruchtbaren Bodenflächen und Ressourcen.

Wir übernehmen die Rolle des für den Geheimdienst arbeitenden Stocke. Für seinen neusten Auftrag erhält er von seinem Auftraggeber ein Buch, dessen Bedeutung für den weiteren Verlauf seiner Mission essenzielle Ausmaße haben wird. Recht schnell wird unserem Protagonisten klar, dass wir mit Hilfe dieses besonderen Wälzers die Zeit zurückdrehen können um falsche Entscheidungen während unseres Abenteuers zu korrigieren. Mit zunehmender Spielzeit merken wir jedoch dummerweise, dass wir scheinbar nicht die einzigen Besitzer eines solchen Buches sind. Dies ist die Ausgangslage für ein spannendes Katz und Maus Spiel durch die Zeit, bei dem selbst ein Doc Brown den Überblick verlieren würde.

Life, try, repeat

Merken wir im Verlauf der Geschichte, dass wir in eine tödliche Sackgasse laufen oder sich eine unserer Entscheidungen im Nachhinein als schlecht erwiesen hat, drehen wir die Uhr einfach zurück. Fast 400 mögliche Zeitknotenpunkte gibt es zur Auswahl. Wer nun jedoch befürchtet, man müsste den ganzen Verlauf der Geschichte noch einmal bis zum Zeitpunkt des aktuellsten Spielstand spielen sei beruhigt. Bereits gelesene Dialoge lassen sich per Kopfdruck vorspulen, sowie erlebte Ereignisse überspringen.

Als sei das noch nicht genug Spielerei mit der Zeit gibt es noch einen alternative Geschichtsebene. Bereisen wir diese erhalten wir hier oft hilfreiche Infos oder Gegenstände um auf der anderen Zeitachse weiterzukommen. Um die Verwirrung komplett zu machen bietet die 3DS-Neuauflage sogar noch eine dritte Zeitachse dir wir entweder direkt zum Start des Spiels oder nach dem Beenden der Hauptstory hinzufügen können. Für Fans von Spielen mit Zeitreisethematiken und komplexen Handlungssträngen wahrlich eine Offenbarung.

Feldtaktiker

Angenehm clever und ausgeklügelt ist auch das Kampfsystem von Radiant Historia. Die Gegner sind auf der Karte jederzeit sichtbar. Zufallskämpfe gibt es daher nur wenige. Durch gezielte Schläge ist es sogar möglich, die Gegner zu betäuben und den Kontakt von Hinten zu suchen um sich Angriffsvorteile zu sichern. Komischerweise funktionierte die Kollisionsabfrage bei manchen Gegnerkontakten schlechter als bei anderen.

Die eigentlichen Kämpfe erfolgen klassisch rundenbasiert und sind zudem mit einem interessanten Raster- und Feldsystem verknüpft. Je nach Positionierung auf unserem drei mal drei großem Raster können die Angriffs- und Abwehrwerte unserer dreiköpfigen Heldentruppe verbessert oder verschlechtert werden. Das gleiche gilt natürlich auch für unsere Gegner. Wenn wir beispielsweise Nahkämpfer mit einer positionsverändernden Fähigkeit weiter auf eins der hinteren Felder schubsen, senkt sich somit deren Angriffskraft. Ein reichhaltiges Angebot an Waffen, Fertigkeiten und Zaubern runden unsere Kampfhandlugen auf dem Feld ab. In der 3DS-Version ist es sogar möglich, inaktive Gruppenmitglieder zur Hilfe zu rufen um uns mit einzelnen Fähigkeiten kurzfristig zu unterstützen.

Neben der komplexen Geschichte, erweist sich erfreulicher Weise auch das Kampfsystem als angenehm vielschichtig und abwechslungsreich.

Abseits der Kämpfe

Wem das ständige Kämpfen auf Dauer zu viel wird, kann im späteren Verlauf des Spiels auf die nützliche Tarnfunktion zurückgreifen und sich an jedem beliebigen Gegner vorbeischleichen, vorausgesetzt man verfügt über ausreichend Mana-Ressourcen. Auf der Kartenoberfläche gibt es zudem immer mal wieder kleinere Rätsel zu lösen. Mal müssen Kisten verschoben werden oder TNT-Fässer in richtiger Reihenfolge zum Explodieren gebracht werden.

Zur besseren Orientierung dient die praktische Automap, welche sich sogar per Touchscreen Funktion verschieben lässt. Die Charakterentwicklung verläuft, wie in den meisten JRPGs, automatisch. Um die Verteilung von Attributen oder Fähigkeiten muss man sich also keine Gedanken machen. Allerdings gibt es bestimmte Fähigkeiten, die sich nur per Schriftrolle erlernen lassen. Wenn man diese Rollen nicht gerade von besiegten Gegnern erhält, kann man sie auch für teures Geld bei bestimmten Händlern kaufen. Ausrüstung und Schriftrollen gehen ordentlich ins Geld, weswegen gelegentliches Grinden für eine gut ausgerüstete Gruppe leider unvermeidlich ist. Im Gegensatz zu älteren JRPGs hält sich der Grindfaktor jedoch in angenehm überschaubaren Grenzen. Wer sich weniger Geldsorgen mach möchte, sollte sich direkt zu Spielbeginn die bereits erwähnte dritte Zeitachse freischalten. Die Belohnung- und Geldausschüttung ist hier vergleichsweise größer, als in den zwei Hauptsträngen.

Das rundum Sorglos-Paket

Im Vergleich zur Originalversion sind in dieser Version natürlich auch alle DLC-Erweiterungen enthalten. Wer möchte, kann sich sogar Erfahrungsboosts und einen höheren Schwierigkeitsgrad herunterladen. Grafik und Sound wurden ebenfalls etwas modernisiert wobei man jedoch bezüglich der Optik keine Quantensprünge erwarten sollte. Die 3D-Funktion wird hingegen nicht unterstützt und leider hat Atlus es auch wieder verpasst, dass Spiel in deutscher Sprache für den hiesigen Markt zu lokalisieren.

Fazit

Schmetterlingseffekt hin, Großvaterparadoxon her. Spiele und Filme mit dem Thema Zeitreisen lösen in mir seit dem Klassiker „Die Zeitmaschine“ eine besondere Faszination aus. Radiant Historia: Perfect Chronology bespaßt mich jedoch nicht nur mit seiner komplexen Geschichte rund um Zeitstränge, Magie und Verschwörungen, es kann mich auch durch sein ausgeklügeltes Kampfsystem für lange Abende an den 3DS fesseln. Auch wenn die Grafik selbst nach einer Generalüberholung nicht mehr ganz taufrisch wirkt und uns eingedeutschte Texte leider wieder verwehrt bleiben, kann ich jedem Fan von JRPGs mit interessanten Geschichten und fordernden Kämpfen wärmstens empfehlen.

Radiant Historia: Perfect Chronology
Grafik/Präsentation
85
Story/Atmosphäre
93
Gameplay
88
Spielspaß
70
Leserwertung0 Bewertungen
0
84