Manticore: Galaxy on Fire im Test – im Weltraum hört dich niemand ballern

Die Neunziger, unendliche Weiten: Dies sind die Abenteuer unzähliger Weltraumopern, die meist auf dem PC und gelegentlich auf Konsole unterwegs sind, um neue Spieler zu erobern, FMV-Sequenzen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat und um abgehalfterte Schauspieler wieder auf die Mattscheibe zu bringen. Genau diese Zeit, minus abgehalfterte Schauspieler, will Manticore – Galaxy on Fire von Fishlabs und Deep Silver wieder aufleben lassen. Anders als Wing Commander oder X-Wing stammt Manticore allerdings aus der Smartphone-Ecke. Ob die Qualität da ausreicht?

Ein bisschen Tiger‘s Claw

Zu Spielbeginn werden wir umgehend von irgendwelchen Piraten attackiert. Unser Schiff ist schon ziemlich zugerichtet, als uns zwei fremde Raumjäger zu Hilfe eilen. Die beiden gehören zur Besatzung der Manticore, der wir uns nach erfolgreicher Verteidigung spontan anschließen können. Mit leicht sarkastischer, neuer KI ausgestattet geht es in der Folge auf allerhand Missionen für unsere neuen Söldnerkumpels, wobei die Manticore als Trägerschiff natürlich eine zentrale Rolle spielt. Anders als bei Wing Commander müssen wir ohne Bar und zwischenmenschliche Geplänkel auskommen. Stattdessen dreht sich eigentlich immer alles um Ausrüstung, Fortschritt und Missionen. Ansehnlich in Szene gesetzt sind die Bilder unserer Kollegen aber trotzdem.

Die meiste Zeit verbringen wir allerdings eh im Cockpit unseres kleinen Jägers. Hier gibt es durch die Bank weg gewohnte Kost. Mal soll eine Raumstation oder ein Frachter verteidigt werden, mal gehen wir selbst auf die Jagd nach Gesetzlosen. Dabei ist an sich für einige Abwechslung gesorgt. Von allgemeiner Verteidigung über das Abschießen explosiver Kamikazejäger bis hin zum Dogfight gegen einen Piratenanführer ist eigentlich alles vertreten, was Spaß macht.

Zu viel WarpSpeed

Ihr habt noch nie von WarpSpeed gehört? Das könnte daran liegen, dass es ein typisches Spiel der frühen Neunziger war: erfolgreiches Konzept, dürftiges Spiel. Leider hat auch Manticore eine ganze Reihe von Punkten, die nicht besonders gut sind. Besonders doof: Die Meisten haben mit dem Kampf gegen unsere Gegner zu tun und kommen ausgerechnet bei den Gefechten gegen die Bosspiraten so richtig zur Geltung. Die können nämlich einfach durch Umgebungsobjekte hindurchfliegen, während wir abprallen und Schaden nehmen. Die Tatsache, dass anscheinend auch alle stärkeren Gegner einfach nach hinten schießen können, macht die Dogfights spielerisch auch kein bisschen besser. Ausweichmanöver mögen zwar wichtig sein, aber davon ab profitiert man praktisch nie von ausgefeilten Flugmanövern. Schade, aber hier verschenkt Manticore Unmengen an Potenzial. Das Level nach getaner Arbeit nach besserer Ausrüstung und Schiffsteilen abzusuchen, ist ebenfalls müßige Fleißarbeit, die vor allem unnötig streckt.

In anderen Bereichen kann das Missionsdesign dabei eigentlich punkten. Auch wenn die Komplexität sich in Grenzen hält und man immer wieder merkt, dass Galaxy on Fire eher für Actionhäppchen unterwegs steht und nicht für das Drei-Gänge-Menü mit Plasmakanone, Javelinrakete und Protonentorpedo. Abwechslung findet sich dennoch immer wieder.

Ein Quäntchen Privateer

Ein gar nicht so unwichtiger Aspekt ist das Mikromanagement. Die richtige Ausrüstung und das Ausnutzen von Schwachstellen helfen gerade bei gegnerischen Elitepiloten enorm. Dazu gehören natürlich auch Upgrades und Ausrüstungsobjekte, die wir im Weltraum finden, natürlich mit viel Gesuche.

Da wir uns auf Söldnerseite befinden, spielen unsere Aufträge natürlich auch eine gewisse Rolle. Für mehr als kurze Texte reicht es dabei allerdings meistens nicht. Generell ist man auch schon lange ein komplexeres Niveau gewohnt, als die Geschichten aus dem Neox Sektor es so hergeben. Serienkennern dürften die Rassen Terraner, Vossk, Nivelianer und so weiter sowieso bekannt vorkommen. Allen anderen wird das Galaxy on Fire-Universum aber ebenfalls vertraut vorkommen, weil man alle Versatzstücke schon kennt. Auch die Story bietet keine echten Überraschungen. Das fängt schon im Anfangsbereich an. Eine Friedenskonferenz wird torpediert, indem Unbekannte einen ganzen Planeten sprengen, was auch die Konferenzteilnehmer ziemlich dezimiert. Ruhe und Frieden in der Galaxis sind halt eine gute Grundlage für Jedis, aber nicht für nen soliden Space Shooter.

Das gute an der Handlung ist allerdings, dass man auch nach ein paar Tagen oder gar Wochen Pause nicht das Gefühl hat, man hätte etwas verpasst oder vergessen.

Ein Schuss Colony Wars

Für ein ehemaliges Smartphonespiel sieht es wirklich gut aus, das muss man Manticore – Galaxy on Fire schon lassen. Von Detailgrad und Finesse eines Everspace ist es ein gutes Stück entfernt, Objekte sind geometrisch oft einfacher, Explosionen schlichte Bitmap Effekte und Texturen nie so knackig wie beim heimlichen Stiefbruder. Immerhin steckten hinter Everspace auch ehemalige Fishlabs Mitarbeiter.

Allerdings stammt Everspace nunmal vom PC und nicht vom Handy. Das hat auf der Switch auch handfeste Vorteile. So läuft Manticore auch im Handheld-Modus bei reichlich Action butterweich, egal wie viel gerade auf dem Bildschirm los ist. Nicht ganz so toll ist, dass die wenigsten Designs auch nur im Ansatz originell wirken. Das meiste wirkt seltsam vertraut. Der Sound ist ebenfalls grundsolide, allerdings bleibt hier wenig hängen. Und auch die Sprecher machen einen wirklich ordentlichen Job. Die englischen Dialoge sind durchaus professionell eingesprochen.

Schade nur, dass am Kernproblem sich dadurch nichts ändert. Die Dogfights gegen feindliche Jäger sind einfach nicht gut. Ein Totalausfall ist Manticore zwar auch bei weitem nicht, es wurde aber ziemlich viel Potenzial verschenkt. Wer damit leben kann, bekommt einen immerhin soliden Space Shooter, der sich trotz seiner Schwächen bestens für kurze Runden zwischendurch eignet, es wäre aber deutlich mehr drin gewesen.

Fazit

Schade, denn die dürftigen Dogfights als größter Kritikpunkt und einige andere durchwachsene oder schlicht unnötige Aspekte verhindern, dass Manticore – Galaxy on Fire so richtig überzeugen kann. Potenzial hätte die Reihe dabei eigentlich. Was auf dem Smartphone top war, ist auf Konsole aber nicht gut genug geworden. Trotzdem bietet Manticore solide Häppchen für zwischendurch. Reicht euch das, könnt ihr ruhig einen Blick wagen. Die anderen warten besser auf handfestere Weltraumkost.

Manticore: Galaxy on Fire
Grafik/Präsentation
74
Story/Atmosphäre
62
Gameplay
67
Spielspaß
68
Leserwertung0 Bewertungen
0
68