Retrogaming heute Teil 1: Collections und Downloads

Alt ist wieder in, zumindest bei den Telespielen, ob nun Neo-Retro-Präsentation bei neuen Spielen, C64 T-Shirt, Retrozeitschrift auf Retropapier oder eben bei dem, wo es wirklich drauf ankommt, den Spielen. Will man diese spielen, stellt sich allerdings ganz schnell die Frage nach dem Wie. Reicht ein simpler Download im elektronischen Store, soll es echte, alte Hardware sein, eine moderne Retrokonsole oder doch klassische Emulation? Alle Bereiche haben ihre eigenen Stärken und Schwächen. Sei es die Zugänglichkeit, die Verfügbarkeit, Reparaturanfälligkeit oder einfach das Feeling. Natürlich kann hier auch das Geld eine ganz entscheidende Rolle spielen. Ein Neo Geo-Modul etwa war bereits Mitte der Neunziger meist unerreichbar teuer, 400 Deutsche Mark ein gängiger Preis. Wer heute die Cartridge-Version von Viewpoint sucht, der sollte allerdings gleich mit 700 bis 800,-€ rechnen, Neo Geo-Spiele als Download bekommt man dagegen aktuell für eine Handvoll Dollar. Auf der anderen Seite fühlt sich ein Donkey Kong Country auf einem richtigen Super Nintendo an einem richtigen Röhrenfernseher einfach noch mal ganz anders an. Kann man auf Originalverpackungen und vielleicht sogar Anleitung verzichten, dann muss der Preis hier auch nicht aus dem Ruder laufen. Wie also Klassiker spielen? Unsere kleine Reihe macht den Anfang mit Neuauflagen.

Am Anfang war die Sammlung

Portierungen und neue Versionen von Spielen sind mindestens so alt wie kommerzielle Videospiele. Um allerdings Klassiker neu aufzulegen, müssen Spiele erstmal Klassiker werden. So war ein Super Mario All Stars zu seiner Zeit nicht wirklich retro. Mehr noch, Nintendo war seinerzeit bemüht, das audiovisuelle Erlebnis einer Frischzellenkur zu unterziehen und damit gehört es, wie auch andere Spiele, klar in den Bereich früher Remaster und Remakes. Erstaunlicherweise finden sich Anfang bis Mitte der Neunziger aber auch schon die ersten Collections, die mal mehr und mal weniger auf das originale Spielgefühl aus sind. Dabei sind zum damaligen Zeitpunkt nicht immer alle Spiele alt. Und manchmal steht es um die Originalität eine ganze Ecke schlechter als bei Super Mario All Stars. So präsentiert Sega bereits 1992 auf dem Master System mit Arcade Smash Hits eine drei Spiele umfassende Minisammlung, die optisch zweifelhafte Verbesserungen mitbringt. Bei den neuen Hintergründen zu Breakout scheint beispielsweise ein Fliesenleger seine blauen Altbestände aus den Siebzigern entsorgt zu haben. Auch Centipede und Missile Command überzeugen nicht so recht. Eher noch schlimmer ist vier Jahre später Arcade Classics für Mega Drive, teils kann man, dank der neuen Hintergründe, das Spielgeschehen deutlich schlechter verfolgen.

In eine ganz andere Kerbe schlägt dagegen Williams Arcade’s Greatest Hits. Die Firma Williams ist dabei eher älteren Semestern ein Begriff, ihre Spiele gehören heutzutage aber sehr oft zu den Klassikern. Williams war einer der klassischen amerikanischen Spielautomatenhersteller und entsprechend früh machte man Atari in den Arcades Konkurrenz. 1996 veröffentlichte Williams seine Collection, und zwar für SNES und Mega Drive ebenso wie für PlayStation und Saturn. Mit immerhin schon sechs Klassikern kamen gerade die 32 Bit-Fassungen den alten Automaten extrem nahe. Zumindest in Japan erschien der erste Teil einer ganzen Reihe sogar noch früher; Namco Museum Volume 1 kam dort bereits Ende 1995 heraus und legte den Grundstein für eine äußerst umfangreiche Klassikersammlung.

In anderen Fällen ging es zur gleichen Zeit eher darum, Automaten der frühen Neunziger möglichst original einzufangen. So war Capcoms erste Street Fighter Collection 1997 ebenfalls für Sonys und Segas 32 Bit CD-Schleudern erschienen, damals völlig ohne Retro-Gedanken. Gleichzeitig erschien allerdings die Fassung, die am nächsten an die CPS-Board Originale herankam.

Von der Disc zum Download

Die Hochphase der typischen Spielesammlungen stellt wohl die Generation PS2 dar. Insbesondere Sonys Third Place war erste Wahl, wenn es um Klassiker ging, zumindest quantitativ. Denn wir Europäer durften das ein oder andere Mal mit unschönen Details wie schlechter PAL-Anpassung leben. Die Midway Arcade Treasures bietet zum Beispiel auf einen Schlag 24 Klassiker, darunter alle sechs Spiele aus der oben genannten Williams Compilation (denen Midway geraume Zeit gehörte). Segas Mega Drive Collection wiederum bot direkt 28 der wichtigsten Titel für den 16-Bitter und wer jahrelang vom Neo Geo geschwärmt hatte, der bekam nun zum moderaten Preis gleich alle Metal Slug-Teile, allerdings zumindest auf Sonys Erfolgskonsole nur mit 50 Hz und ’Palbremse‘. Gleichzeitig deutete der digitale Store der ersten Xbox bereits eine Veränderung an, nämlich kleine Titel nur noch als Download anzubieten. Mit Nintendos Virtual Console auf der einen Seite und Neuauflagen wie der Monkey Island Special Edition auf der anderen Seite sind wir damit auch praktisch schon in der Moderne angekommen. Klassiker werden ironischerweise meist nur noch digital vertrieben. Fast schon Matroschka-artig findet man sogar die alten Namco Museum Teile unter den PSOne Classics.

Rares replayen

Eine gewisse Ironie hat es schon. Die ein oder andere Klassikersammlung ist mittlerweile selbst schon zum Klassiker mutiert und manchmal gar nicht so billig. Damit bieten gerade die Collections auch ein kleines Feld für Sammler. Gleichzeitig findet man gerade auf der Generation PS2 ein weites Feld an ziemlich originalgetreuen und dabei umfangreichen Software Anthologien aller Art. Die Spielbarkeit ist dabei meist entsprechend hoch, der ein oder andere Titel speziell aus dem Arcadesektor steht und fällt aber auch mit dem Eingabegerät. Zumindest einfache, optionale Grafikfilter, um Spiele dezent aufzuhübschen, findet man hier auch schon einigermaßen häufig. Ein ganz anderes Bild ergibt im Vergleich die letzte Konsolengeneration. Speziell Nintendos Wii ragt hier mit einem enormen Umfang an Virtual Console-Titeln heraus. Darunter finden sich sogar ehemalige Homecomputer-Titel wie Last Ninja. Interessanter dürften für manche Konsolenfans dagegen PC-Engine-Spiele und Neo Geo-Software sein. Leider fällt hier auch direkt ein grundlegendes Problem des digitalen Vertriebs auf. So wurden vor einiger Zeit C64-Spiele, die meisten R-Type-Versionen und weitere Titel aus dem Store gestrichen. Eine weitere Schattenseite bei der Wii Virtual Console: Viele Spiele stehen PAL-Spielern auch nur als 50Hz-Fassung zur Verfügung. Bei der Wii U und dem 3DS sieht das schon wieder ganz anders aus. Dafür zeigt sich direkt ein weiteres Problem, Umsetzungen müssen für jede Plattform getrennt durchgewunken werden, angefangen beim Lizenzinhaber. So fehlen der Wii U VC nicht nur massig Spiele, die es auf Wii gab, verschiedene Systeme sind gar nicht erst vertreten. Immerhin kann man dank vWii alle seine Wii Daten (mit reichlich Aufwand) auf die Wii U transferieren und letztere auch als klassische Wii nutzen.

Das geht zum Beispiel bei Sony nicht. Wer hier auf verschiedenen Systemen spielen will, sollte sicher sein, dass die entsprechende Digitalversion auch auf allen Systemen unterstützt wird. PlayStation 2-Spiele auf den beiden Nachfolgegenerationen sind beispielsweise zwei völlig voneinander getrennte Geschichten. Wer auf der dritten PlayStation also Classics gekauft hat, der darf auf der vierten erneut löhnen. Gleichzeitig gilt auch hier die gleiche Lizenzgeschichte. Bloß weil es einen Klassiker in der letzten Generation mal zum Download gegeben hat, muss das nicht erneut der Fall sein.

Einen gewissen Sonderfall stellt Microsoft dar. In den Neunzigern waren die Redmonder noch nicht im Konsolenbusiness aktiv, eigene Klassiker aus der Zeit gibt es also nicht. Andererseits ist bereits die Xbox 360 leidlich abwärtskompatibel. Die Xbox One dagegen ist zu einem wachsenden Katalog an Last Gen-Spielen kompatibel und soll nun auch bald Spiele der originalen Xbox unterstützen. Auch wenn hier noch Details fehlen, für Fans von Spielen, die noch nicht ganz so retro sind, sieht das gut aus. Microsoft bietet aber auch noch “ollere” Kamellen. Da wären Titel wie die aktuellen Neo Geo-Veröffentlichungen, aber natürlich auch Rare Replay, eine Sammlung, die es auch auf Datenträger gibt und die zeigt, wie man Retro Anthologien heutzutage aufmachen kann.

The good, the bad and the ugly

Wenn man sich mit Retro auf aktuellen Konsolen auseinandersetzt, gibt es natürlich eines, das sehr schnell auffällt: Man hängt an den verfügbaren Titeln wie an einem Tropf. Ein Grund dafür, dass auch das SNES Classic Edition einen ziemlichen Hype ausgelöst hat, dürfte an Star Fox 2 liegen sowie am Vorgänger und der SNES Version von Yoshi’s Island (die der Autor übrigens für das beste 2D Jump & Run aller Zeiten hält). Denn Super FX-Spiele wurden von Nintendo selbst bis heute niemals erneut veröffentlicht. Mindestens ebenso schlecht sieht es meist bei Lizenzspielen aus oder wenn der ehemalige Publisher pleite gegangen ist. Manchmal verhindert aber auch Lizenzmusik eine Neuveröffentlichung. Das Beispiel Virtual Console zeigt obendrein, wie schnell Titel unter Umständen aus digitalen Stores verschwinden können. Letztlich ist das die größte Schattenseite der Anthologien und Digitalangebote. Entweder man bekommt seine Klassiker oder eben nicht. In der letzten Zeit war der Markt allerdings auch für Überraschungen gut. Gerade Titel der Neunziger erleben aktuell eine Wiederveröffentlichungs- und Remasterwelle, die leider nicht immer auf Konsolen schwappt. Wer einigermaßen PC-affin ist sollte hier zumindest Good old Games (gog.com) auf dem Schirm haben. Und Star Fox 2 zeigt, dass sogar Nintendo für waschechte Überraschungen gut ist. Wer weiß da schon, was die Zukunft sonst noch gutes bringt?

Auch nicht immer ganz schön ist das Maß an Originalität. Ob die Emulation nun ungenau ist und Farben oder das Bildformat nicht so recht stimmen, ob die Eingabemethode nicht so ganz passt oder ob einfach das originale Feeling abhanden geht, es gibt hier einfach immer wieder gewisse Unterschiede. So sind Rares Banjo Neuauflagen wirklich gut auf Xbox 360 und One umgesetzt. Aber gerade die Umsetzung samt angepasster Kontrollen bringt einfach ein anderes Gefühl mit sich. Auch neu gezeichnete Grafik kann für Fans von Originalität ein negativer Punkt sein. Umso besser, wenn man wie bei Monkey Island Special Edition oder Super Street Fighter II Turbo HD zwischen alt und neu wählen darf.

Neuauflagen haben aber auch ganz klare Vorteile. Ganz oben auf der Liste steht hier lustigerweise auch die Verfügbarkeit, wenn es Titel eben zu kaufen gibt. Wo Originalspiele oftmals schlecht oder nur zu enormen Preisen verfügbar sind, von der jeweiligen Konsole mal ganz zu schweigen, da sind Re-Releases auf Wunsch kauf- und preislich locker tragbar. Besonders eklatant ist das natürlich bei eingangs erwähnten Neo Geo-Spielen. Aber selbst ein Metroid Zero Mission ist mittlerweile kaum noch unter 30,- € zu bekommen. Wer keinen Röhrenfernseher mehr sein Eigen nennt, freut sich aber meist auch über entsprechende Zuschaltfilter oder gar hochaufgelöste und dennoch originalgetreue Grafiken, wie sie Day of the Tentacle als Remaster bietet. Allerdings sind auch ganz andere Komfortoptionen einfach praktisch, die Retro-Releases mittlerweile meist bieten. Etwa jederzeit speichern zu können, bei Wii U Virtual Console Spielen mittlerweile gängig. Mit Blick auf den ein oder anderen Old School Controller sind aber auch Anpassungen an aktuelle Eingabegeräte oft mehr Vor-als Nachteil.

Bleibt die Frage, für wen sich Anthologien und Einzeldownloads besonders eignen und für wen weniger. Letzteres ist ziemlich einfach zu beantworten. Wer ein hohes Maß an Originalität haben will, ist hier einfach nicht ideal bedient, manchmal sogar denkbar schlecht. Auch wer ganz bestimmte Titel sucht, guckt trotz der Menge an Wiederveröffentlichungen schnell mal in die Röhre. Schließlich wäre da noch der klassische Sammler. Der wird in den wenigsten Fällen mit reinen Downloads glücklich. Allerdings bieten ihm klassische Collections ein weites Feld, um eine speziellere Sammlung aufzubauen. Umso mehr lohnen sich Sammlungen und digitale Klassiker dagegen für alle, die einfach mal das ein oder andere Spiel (erneut) zocken wollen, keinen Platz oder keine Lust haben, sich mit dutzenden Konsolen plus Spielen rumzuschlagen und natürlich für alle, die genau den Komfort neuer Steuerung, verbesserter Grafik oder eines Quicksave Slots haben wollen. Das mag nicht original sein, es ist aber keineswegs verkehrt.