Mega Man 2: Der NES-Klassiker im Retro-Review

Worum geht es eigentlich, wenn man vom Retro-Gaming spricht? Der eine denkt an DOS-Spiele vom PC, andere haben den guten, alten ATARI mit Holzfront im Kopf und für wieder andere ist es eine frühe Konsole der heute marktführenden Platzhirsche. Fakt ist jedoch, dass jede Konsolengeneration, gemessen an ihren technischen Möglichkeiten, faszinieren kann – ganz unabhängig vom eigentlichen Alter. Die Konsolen der 80er Jahre wurden hauptsächlich durch Plattformer, also Super Mario-ähnliche Spiele beherrscht. Paart man nun das Genre mit einer gehörigen Portion Action und nimmt das Nintendo Entertainment System als Grundlage, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das daraus entstandene Spiel auf den Namen Mega Man (im japanischen Original übrigens “Rockman”) hört.

Insgesamt erschienen sechs Mega Man-Spiele auf dem NES, alle ordentlich durchnummeriert. Das Prinzip ist immer das selbe: Mega Man muss das Level durchqueren, dabei verschiedene Robotergegner und Hindernisläufe meistern und am Ende eines jeden Levels den dazugehörigen “Robotermeister” besiegen. Das NES war bereits über vier Jahre auf dem Markt, als Capcom den ersten Teil der Mega Man-Reihe herausbrachte. Es ist daher wenig verwunderlich, dass sich die fünf anschließend erschienenen Teile visuell und akustisch, wenn überhaupt, nur marginal vom ersten Teil unterscheiden.

Natürlich erhielt das Gameplay selbst von Teil zu Teil Innovationen. Zumeist sind es neue Robotergegner, komplett neue Leveldesigns, ausgeklügelte Hindernisparcours sowie neue Robotermeister je Level, von denen es wiederrum neue Waffen zu ergattern gibt. Aber auch die Bewegungsfreiheit und grundlegende Angriffe Mega Mans selbst haben sich weiterentwickent. So konnte man im dritten Teil erstmals den “Slide” anwenden, bei dem Mega Man praktisch liegend über den Boden rutscht, was sich fortan vor Allem beim Ausweichen von Angriffen als äusserst nützlich erwies.

 

mm2_05_controllercartWas jedoch macht den zweiten Teil so besonders? Das erste Mega Man war 1987 ein großer Erfolg und als der zweite Teil angekündigt wurde, waren die Erwartungshaltungen groß. Da mir aktuell leider nur der zweite Teil für das NES vorliegt, wird sich dieser Review nicht um einen direkten Vergleich, als mehr um eine Einzelwertung kümmern. Auf dem Game Boy sind mir Mega Man 1 und 2 mehr als geläufig, waren es doch zwei meiner Lieblingsspiele in der Kindheit. Auf anderen Konsolen jedoch habe ich bisher noch kein Mega Man gespielt, was mir durchaus dabei hilft, den Artikel sachlich zu gestalten.

 

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Auch, wenn das Spiel sowie diverse NES-Konsolen original vorliegen, wird dieser Review auf einem Emulator stattfinden. Der Grund hierfür ist das einfachere Aufnehmen von Screenshots. Jedoch dient kein PC als Emulationsgrundlage, das wäre mir, als Retro-Fan doch etwas zu weit weg vom originalen Spielgefühl. Statt dessen wird die RetroN 5 als Rechenknecht genutzt und natürlich kommt als Eingabegerät ein originaler NES-Controller ohne Zuhilfenahme von Turbotasten zum Einsatz.

mm2_06_retronscreenOhne zu sehr ins Detail der RetroN 5 zu gehen, möchte ich an dieser Stelle dennoch auf ein paar tolle Features des Geräts hinweisen. Zum Einen ermöglicht sie das Zuschalten von Filtern wie z.B. Scanlines, womit das Spiel auch auf einem modernen TV-Gerät wieder ein wenig an alte Röhren erinnern kann, zum Anderen leisten die Aufhübscher, die das Bild etwas weicher zeichnen, wirklich gute Arbeit. Der größte Vorteil, der das Spiel jedoch tatsächlich positiv in seinem Gameplay beeinflusst, ist das mm2_07_retronscreen60Hz-Feature! Was das bedeutet? In Deutschland gekaufte Röhrenfernseher arbeite(te)n nach dem PAL-System, was ihnen eine Bildwiederholrate 50 Hz (50 (Halbzeilen-)Bilder pro Sekunde) zu Grunde legt. Japan und die USA hingegen haben das NTSC-System, welches mit 60 Wiederholungen pro Sekunde arbeitet. Das trifft auch auf die jeweiligen Konsolenspiele zu. Wegen der notwendigen Umrechnung laufen PAL-Spiele tatsächlich um ein Sechstel langsamer, als sie es im Original tun, sofern sie aus den USA bzw. Japan stammen. Das betrifft die Bewegung im Spiel, Projektile, aber auch z.B. die Geschwindigkeit und Tonhöhe der Musik.

Anbei folgen zwei Beispiele, die direkt vor dem TV aufgenommen wurden, einmal im PAL-Modus:


und einmal im NTSC-Modus:

 

Um uns also das Erlebnis zu gönnen, das Capcom 1989 für uns vorgesehen hat, werden wir im schnellen NTSC-Modus spielen. Zusätzlich fordert uns das Spiel zu Beginn dazu auf, einen Schwierigkeitsgrad zu wählen. “Normal” und “Difficult” stehen zur Verfügung, wobei der schwere Modus herhalten darf. Von einer kleinen Eigenschaft der RetroN 5 (und eines jeden anderen, gängigen Emulators) mache ich jedoch Gebrauch, die so im originalen Spiel nicht vorhanden ist: Savestates. Somit erlaube ich mir, vor Robotermeistern oder vor kniffligen Sprung-Rätseln, ein Savegame abzulegen, das ich jederzeit an genau dieser Stelle wieder laden kann. Generell ist das bei den Mega Man-Spielen dank des Passwort-Systems nicht notwendig, da man so, selbst nach dem Ausschalten der Konsole, jederzeit beim zuletzt verlassenen Level weiterspielen kann. Savestates sparen hier einfach massiv Zeit und unterbinden zudem einen eventuell aufkommenden Frustlevel an Stellen, die sonst zu oft “von vorn” wiederholt werden müssten. Für den Review gönne ich mir daher dieses kleine Hilfsmittel.

Der Spielbeginn

Mega Man 2 (Europe)-11Wie üblich für Spiele aus der 8 Bit-Ära gibt es kein allzu langes Vorgeplänkel. Ein für kurze Zeit vertikal scrollender Bildschirm an einem Hochhaus entlang erklärt kurz die Story hinter Mega Man, Dr. Light (der ihn erschaffen hat) und Dr. Wily (der Dr. Light hintergangen hat). Das reicht uns, um loszulegen! Der nachfolgende Auswahlbildschirm stellt den Spieler vor die freie Wahl, welcher Robotermeister in welcher Reihenfolge besiegt werden soll, denn zu Beginn besitzt Mega Man lediglich seinen “Power Blaster” und keine weiteren Waffen. Generell ist jeder der acht ersten Robotermeister mit dem Power Blaster zu besiegen, Mega_Man_2_-_NES_-_Stage_Select (1)allerdings macht man sich das Leben leichter, wenn man zum Beispiel Wood Man mit der Metallsäge auf die Pelle (Rinde?) rückt oder wenn man Heat Man mit den Blubberblasen von Bubble Man abkühlt. Auch die normalen Robotergegner, die einem in den Levels über den Weg laufen, haben verschiedene Affinitäten zu, bzw. gegen Mega Man’s Waffen. Mein persönlicher Favourit bildet zu Anfang jedoch zweifellos die Metal Man-Stage. Dies hat gleich mehrere Gründe. Einerseits gibt es eine Stelle im Level, an der man recht gut Leben sammeln kann, zum Anderen ist die Waffe von Metal Man, das Metal Blade, eine der stärksten, die man im Spiel haben kann. Hierbei geht es nicht nur um die Durchschlagskraft der rotierenden Sägeblätter selbst, sondern auch und vor Allem um die Tatsache, dass Mega Man mit diesen in allen acht Richtungen des D-Pads frei zielen und schießen kann. Zudem handelt es sich bei den Metal Blades um ein sehr großes Projektil, womit auch kleine Gegner mit kleiner Hit-Zone recht einfach bezwungen werden können.

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Die Bilder drei und vier zeigen den Trick mit den Extraleben.

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Und das letzte Bild beweist bei einem Blick auf die Lebensanzeige, dass ich etwas eingerostet bin – aber für Metal Man hat’s gereicht!

Der Ton

Im ersten Level angekommen fällt sofort die packende Musik auf. Natürlich ist das NES in seiner Soundverarbeitung eingeschränkt, aber das, was vorhanden ist, hat Capcom großartig genutzt. Das trifft zudem auf jedes Level zu, es gibt keinen nervigen Soundtrack, alle haben ihren Charme und sind oftmals in der Lage, den Spieler im aktuellen Spielfluss ordentlich mitzureissen. Dies wird auch dadurch belegt, dass es im Internet (YouTube oder OCRemix) teils großartige Metal-, Techno-Remixes oder sogar Acapella-Versionen einzelner Tracks zu finden gibt. Die Liebe vieler Fans reisst auch nach bald 30 Jahren offensichtlich nicht ab.

Zusätzlich zum Soundtrack gibt es natürlich auch Soundeffekte, die hier nicht verschwiegen werden sollen. Natürlich kann auch hier das NES keine Wunder vollbringen, jedoch wird das Spielgeschehen stets passend untermalt. Die Blaster-Schüsse, die Bubble Man-Blasen, der Feuerstrahl von Heat Man, aber natürlich auch Explosionsgeräusche, die tatsächlich voluminös und authentisch klingen – für einen Mono-Sound gar nicht mal schlecht.

Das Bild

Mega Man 2 (Europe)-36Grafisch gibt sich Mega Man 2 ebenfalls keine Blöße. Die Farbpalette des NES wird ausgereizt und die Level sind – wenn auch nicht allzu groß – recht abwechslungsreich und passen generell gut ins Thema des jeweiligen Robotermeisters. Optisch am Besten gefällt mir persönlich Das Level von Wood Man, das Thema passt hier sprichwörtlich wie die Faust auf’s Auge. Einen kleinen Kritikpunkt gibt es jedoch: Das NES hat generell Probleme, wenn zu viele Sprites auf einmal auf dem Bildschirm dargestellt werden müssen. Das ist mit einer der Gründe, dass nie zu viele Gegner auf einmal zu sehen sind. Kommen nun jedoch noch einige Gegenstände sowie Mega Man’s Projektile hinzu, tendieren viele der Sprites zum Flackern. Dies ist ein Umstand, der selbst auf der RetroN 5 noch auftritt – tatsächlich ein Pluspunkt, denn hier wurde bei der Entwicklung des Emulators wohl deutlich mehr Wert auf Kompatibilität, als auf Glanz und Glamour gesetzt.

 

Das Gameplay

Spielerisch geht Mega Man locker von der Hand. er reagiert punktgenau auf Richtungsanweisung und besitzt kein Momentum, wie dies z.B. bei Super Mega Man 2 (Europe)-35Mario Bros. der Fall ist, wo Mario und Luigi nach dem Loslassen des Steuerkreuzes noch einige Millisekunden weiter in die zuletzt gewählte Richtung laufen, um dann langsam herunter zu bremsen. Nach kurzer Eingewöhnungszeit sind auch präzise Sprünge und das Seitwärts-Schießen von einer Leiter aus kein Problem mehr. Hier und da kommen mal ein paar Gegner vor, bei denen es unbedingt erforderlich ist, zuerst dessen Angriffsrhythmus zu studieren, andernfalls kommt man, ohne Schaden zu nehmen, nicht an diesen vorbei. Alles in Allem tritt jedoch keineswegs Frust auf, auch, wenn man sich vor manchem Kampf gegen einen Robotermeister gewünscht hätte, zuvor doch eine andere Waffe ausgewählt zu haben.

Mega Man 2 (Europe)-74Richtig Fahrt nimmt das Spiel jedoch erst auf, wenn die ersten acht Robotermeister besiegt wurden und man zur Wily-Stage gelangt. Diese unterteilt sich in insgesamt sechs Bereiche, wobei einer davon erfordert, alle acht zuvor besiegten Roboter-Meister erneut und in einem Rutsch zu erledigen. Als Belohnung bekommt man nach jedem Kampf lediglich eine Power-Kugel (also zum Aufladen etwa der Hälfte des Lebensbalkens von Mega Man). Hier gilt es also, die zuvor erbeuteten Waffensysteme gezielt gegen die erneut auftretenden Robotermeister einzusetzen, um somit möglichst effektiv und ohne viel Schaden zu nehmen diese Hürde zu nehmen. Hierhin gelangt man jedoch erst, nachdem man die vier Wily-Stages absolviert hat, an deren Ende jeweils knifflige Bosskämpfe auf sich warten lassen. Dabei handelt es sich nicht mehr um Robotermeister, sondern um große Gefährte, Wände, die sich zu angriffslustigen Maschinen transformieren können, einem Puzzle mit Selbstschuss-Anlagen, die man nur mit den Bomben von Crash Man ausschalten kann oder sogar einem Roboter-Drachen. Wem die acht Anfangslevel nicht ausreichend Anspruch boten, der bekommt hier definitiv nochmals eine Steigerung geliefert.

Zu guter Letzt folgt ein zweiteiliger Bosskampf gegen Dr. Wily höchst persönlich. Den Anfang macht ein von Mega Man 2 (Europe)-94ihm gesteuertes Flugobjekt, das große Projektile verschießt, denen man nur sehr schwer ausweichen kann. Hat man dieses zerstört, läuft man durch einen befremdlichen Gang, von dessen Decke rote, scheinbar ätzende Flüssigkeit tropft. Die Musik setzt an dieser Stelle vollends aus, um die Spannung zusätzlich anzuheben – das funktionierte bei mir zumindest sehr gut! Im letzten Raum angelangt wartet erneut Dr. Wily auf uns, der sich vor unseren Augen in ein Alien verwandelt. Hier war mein persönlicher Frust-Höhepunkt erreicht, der sich den Rest des Spiels praktisch gar nicht gezeigt hatte. Es ist kein unschaffbarer Bosskampf, allerdings dauert es eine Weile, bis man herausgefunden hat, gegen welche Waffe dieses Alien nicht immun ist. Zudem verursacht es massiven Schaden, sobald man es berühren sollte. Aber mein Ehrgeiz war groß genug und auch, wenn man heute (im Gegensatz zu 1989) einfach im Internet recherchieren kann, habe ich mich durchgebissen und ihn ohne zu spicken besiegt.

Ist Dr. Wily wirklich ein Alien? Nein, aber ein verdammt guter Wissenschaftler.

Das Spiel ist vorbei, Dr. Wily und seine Robotermeister sind besiegt und der Spieler wird mit einem ordentlichen Outro belohnt. Melancholische Musik beginnt, die Besetzung rollt vorbei, Mega Man geht seiner Wege… es ist vollbracht!Mega Man 2 (Europe)-103

Das Fazit

Für einen Mega Man 2-Erstspieler ergibt sich eine ungefähre Spielzeit von 2-3 Stunden, es ist mit etwas Übung jedoch durchaus möglich, das Spiel auch in unter einer Stunde durchzuspielen. Das ist jedoch kein Kritikpunkt. In den 80ern und teils auch noch 90er Jahren war es leider üblich, dass die meisten Spiele, egal welchen Genres sie angehörten, nur eine verhältnismässig kurze Spielzeit hatten – zumindest, wenn man es darauf angelegt hat, das Spiel in möglichst einem Rutsch durchzuspielen.

Was bleibt zu sagen? Das Spiel macht Spaß. Es macht richtig viel Spaß. Sogar so sehr, dass es mit Sicherheit nicht lange dauern wird, bis ich weitere Mega Man-Spiele in meinen Händen halten werde. Was mich zudem positiv überrascht hat, ist die Tatsache, dass die beiden ersten Game Boy-Teile, die ich bereits seit Kindestagen mein Eigen nenne, sehr gut umgesetzt sind, sofern man sie am Original des NES misst.

Letzten Endes sollte jeder, der Plattformer liebt, dieses Spiel zumindest gespielt, wenn nicht sogar in seiner persönlichen Sammlung haben.