We Happy Few im Test – Play it with Joy

Game Preview beziehungsweise Early Access ist ein Thema für sich. Für viele kleine Entwickler bieten sich hier, gerade bei ambitionierteren Projekten, ganz neue Möglichkeiten. Denn Indie Studios können sich weder Unmengen von Gametestern leisten, noch jeden kleinen Winkel auf Macken abchecken. Obendrein holen viele Studios die Spieler auch für andere Dinge ins Boot, etwa für Ideen und Vorschläge zum Gameplay oder für die Übersetzungsarbeiten, die nicht nur viel Zeit und Geld verschlingen können, sondern am Ende auch zum Spiel passen müssen. Natürlich ist auch die Kommunikation zwischen Entwicklern und Spielern wichtig, gerade bei Game Preview-Titeln. Nun habe ich aktuell mehrere Preview Games. Im Fall von Subnautica etwa war schon immer die Performance ein Problem, Ansätze und Probleme wurden seitens der Entwickler aber auch immer wieder klar kommuniziert. Es war auch von vornherein bekannt, dass die PC-Fassung entwicklungstechnisch immer etwas früher dran ist und dann für Konsole optimiert wird. Man liefert saubere Community-Arbeit ab und auch ein geplanter Arktis-DLC für nächstes Jahr ist innerhalb der Community kommuniziert worden.

Noch ein paar Nummern draufgelegt hat Slime Rancher. Hier wurde von Anfang an auf eine sauber laufende Version Wert gelegt, die anschließend immer erweitert wurde. Die Entwicklung verlief eng mit der Community verknüpft, man hat frühzeitig Fans für Übersetzungen ins Boot geholt, auch um gute Arbeit abzuliefern und das Spiel nach Release noch mit kostenlosen Erweiterungen zuversorgen.

Leider sind längst nicht alle Preview Games solche Musterbeispiele. We Happy Few war beispielsweise keines. Angefangen bei Dingen wie Preiserhöhungen über absolute Nullkommunikation in vielen Belangen bis zu zweifelhaften Zwischenreleases, Compulsion Games war in der Early Access-Phase leider kein Musterschüler. Da stellt sich natürlich die Frage, wie es um das fertige Produkt steht und wie fertig es überhaupt ist.

Ein bisschen Freude

Unser anfänglicher Protagonist Arthur arbeitet, dank von oben verordneter Droge Joy eigentlich glücklich und zufrieden als Redaktor alter Zeitungstexte. Alle negativen Aspekte sollen geschwärzt und damit aus dem allgemeinen Leben ausgeblendet werden. Dumm nur, dass er ausgerechnet einen Bericht über sich und seinen Bruder Percy findet. Percy, den er dank Joy völlig verdrängt hatte und der seinerzeit von den Deutschen deportiert wurde, als sie England und vor allem die Insel Wellington Wells besetzt hielten. Denn We Happy Few spielt in einer alternativen Zeitlinie. Und die erinnert sichtlich an die eine oder andere Dystopie der 60er Jahre. Arthur jedenfalls will erstmal kein Joy mehr nehmen, was aber im bereits bekannten Intro die Spaßpolizei auf den Plan ruft. Wir flüchten so geradewegs in die Kanalisation, werden aber dennoch geschnappt und landen erstmal bei den Downern, den Drogen freien Verzweifelten. Von dort aus führt uns unser Weg, auch mit Joy sowie mit anderen Drogen, nach und nach durch alle Teile von Wellington Wells und durch unsere eigene Vergangenheit sowie die der Insel.

Ziemlich früh erfahren wir beispielsweise, dass die Deutschen, die dabei waren, den Krieg gegen die Kommunisten zu verlieren, junge Kinder als Geiseln nach Deutschland verfrachten wollten, darunter auch uns und Percy. Dabei konnte sich die Bevölkerung nicht gegen die Überlegenheit der deutschen Waffen durchsetzen, zu erdrückend war beispielsweise die Panzermacht oder etwa doch nicht? Und sind wir auch ganz sicher Arthur oder vielleicht doch in Wirklichkeit Percy?

Auf Storyebene hätte We Happy Few eigentlich so einiges zu bieten, denn von Verdrängung mit und ohne Drogen über den klassischen psychischen Knacks bis zu Lug und Selbstbetrug hat das Spiel eigentlich einiges in petto, leider macht es immer noch zu wenig daraus.

Gameplay auf Entzug

Das liegt zum Großteil an der Spielmechanik. So dürfen wir fröhlich jeden Mist einsammeln, weil wir ihn vielleicht zum Basteln brauchen. Das Inventar ist aber begrenzt und Waffen sind so ganz nebenbei auch Verbrauchsgegenstände. Gebaut wird, falls genug Einzelteile vorhanden sind, einfach per langem Knopfdruck. Anders als das Kochen bei Zelda oder sogar Crafting in Skyrim langweilt das einfach nur, es ist aber oft nötig, damit wir z. B. genug Wundheilmittel, Brecheisen oder Dietriche haben. Apropos Dietriche und Brecheisen, Türen knacken oder Truhen und Fenster aufhebeln geht natürlich auch per langem Knopfdruck. Schwierig wird es höchstens, wenn Gegner uns erwischen.

Dabei zeigt We Happy Few ab und an, wie man solche Dinge besser machen könnte. Da darf z. B. mal ein obskurer Alkohol gebraut werden, wofür wir die Destille auch bedienen müssen. Sowas passiert aber viel zu selten.

Der Umgang mit Gegnern beschränkt sich auf bewaffneten und unbewaffneten Nahkampf, wobei letzteres oft witzlos ist und Ausschalten per Anschleichen. Dumm nur, dass man bloß in einer Blumenart unsichtbar für Gegner ist…

Leider reicht es beim Kampfsystem auch völlig, etwas zu blocken und nach hinten auszuweichen und im passenden Moment zuzuschlagen. Außer für ein Achievement und damit Arthur nicht ‘oh my god, what have we done‘ jammert, lohnt waffenlose Vorgehensweise jedenfalls selten. Auch wenn die Waffen verschleißen, Spaten und Cricketschläger finden sich schon genug. Schwieriger wird es, wenn zu viele NPC’s es auf uns abgesehen haben. Das passiert im ‘korrekten‘ Wellington Wells, wo alle brav unter Drogen stehen ganz schnell. Etwa, wenn man plötzlich vom Joy runter und nüchtern ist oder eine Überdosis genommen hat. Nicht so ganz klar war mir allerdings, warum ich dann jedes Mal als Mörder verfolgt wurde.

Ach ja, das Questdesign. Besorge hier den Schlüssel, schalte dort den Generator ab, dann laufe hierhin zurück und flüchte und lass dich nicht erwischen. Ziemlich genau in der Art kann man die meisten Quests zusammenfassen. Das eigentliche Missionsdesign ist einfach nicht besonders dolle.

Bleiben die sonstigen Survivalelemente: Schmutziger Verband schlecht, sauberer gut, verdorbene Nahrungsmittel schlecht und so weiter würde es schon ganz passabel zusammenfassen. Die Survivalaspekte sind unterm Strich bisweilen eher nervig als positiv. Das hat auch viel mit der Art des Aufbaus zu tun, vor allem aber hat man es anderswo schon deutlich besser und spannender gesehen.

Schlechter Techniktrip

Ich mag das Artdesign von We Happy Few, deswegen würde ich hier eigentlich gerne Positives schreiben. Trotz manchmal überzogener britischer Akzente passt auch die Arbeit der Sprecher und die musikalische Untermalung sehr gut zum Spiel. Der Unterschied zwischen Joytrip und Nüchternheit macht oft sogar so einiges her. Leider bleibt es hier auch schon bei den positiven Aspekten. Viele Grafikaspekte wiederholen sich einfach viel zu oft, seien es NPC-Designs, Gebäudestrukuren oder Landschaftsteile. Wenn einem ein Dutzend Frauen mit Zweig im Haar entgegen kommen, die sich, wenn überhaupt, nur durch die Kleiderfarbe unterscheiden, dann wirkt das schlicht unfertig. Pop-Ins ganzer Objekte oder zumindest höherer Detailstufen gehören leider ebenso zur Tagesordnung, sind verglichen mit manchen Clippingfehlern aber ziemlich harmlos. Da scheint es einen freien Weg zu geben, an dessen Stelle aber plötzlich ein massives Gebäude tritt. An der Stelle: Haben wir eigentlich schon über Dinge wie die Bildrate geredet? Vielleicht sollten wir das besser nicht tun, denn geht ab und an in die Knie wäre wohl etwas zu euphemistisch. Ein Kapitel für sich hätte schließlich die Übersetzung verdient. Wer Bezeichnungen wie Freudloser oder Wohlige dezent eigenwillig findet und die ein oder andere gar nicht übersetzte Textpassage vielleicht sogar als suboptimal bezeichnen würde, der sollte besser entweder gleich komplett auf englisch spielen oder eine Freude nehmen…

Potenzial erkannt, Potenzial gebannt

Ja, ich bin enttäuscht. Die Vorstellung seinerzeit auf der E3 hatte mich ziemlich schnell überzeugt, dass hier ein ganz spannendes Spiel auf der Matte stehen könnte. Und das Potenzial dafür hat We Happy Few bis heute. Die Story und das Protagonisten-Trio können einen vielleicht sogar über das ganze Spiel hinweg am Ball lassen. Genau diese Aspekte hätten aber von einem geradlinigeren, dafür aber qualitativ besseren Spielablauf, wie ihn Titel Marke Soma bieten, deutlich profitiert. Als Open World Action Adventure liefert We Happy Few unterm Strich leider viel zu oft eine spielerisch halbgare Nummer ab.

Fazit

Nur damit wir uns richtig verstehen, We Happy Few hat seine Momente, sogar richtig gute Momente. Deswegen kann es auch definitiv eine lohnenswerte Spielerfahrung sein. Dafür muss man sich aber mit technischen und spielerischen Macken abfinden, von denen der Titel einfach sehr viele hat. Das ist einerseits extrem schade, war aber andererseits nach den vielen Problemen in der Early Access-Phase schon absehbar. Wer sich damit arrangieren kann, bekommt allerdings eine Spielerfahrung, die aktuell kein anderer Titel bietet.

We Happy Few
Grafik/Präsentation
61
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
58
Spielspaß
63
Leserwertung0 Bewertungen
0
66