Als 2013 Titanfall auf der E3 als exklusives Microsoft Game vorgestellt wurde, klappten bei vielen Fans von Serien wie Full Metal Panic, Mechwarrior oder Pacific Rim die Kinnlade herunter und die ehemaligen Entwickler von Infinity Ward, die auch schon an der Call of Duty-Reihe mitgewirkt hatten, wussten, dass sie einen neuen Blockbuster geschaffen hatten. Im Frühjahr 2014 erschien dann Titanfall im Handel, abseits vom Herbstgeschäft, in denen traditionell Battlefield, Call of Duty und andere große Spieleserien erscheinen.
Zwar war der Multiplayer sehr gut und wurde von der Fangemeinde angenommen, gab es aber abseits davon auch sehr viel Kritik: Keine Einzelspielerkampagne, zu wenige Unterschiede bei den Titans, ein zu kleines Waffenarsenal und verschwindend geringe Individualisierungsmöglichkeiten für Piloten. Dieser Kritik hat sich Respawn Entertainment angenommen und nun genutzt, um Titanfall 2 zu entwickeln.
Er sollte nie mein Titan sein und ich nicht sein Pilot
Titanfall 1 barg einen Storyplot, der wahrscheinlich aufgrund der Priorisierung des Multiplayers ein tiefes Loch voller Fragen hinterließ. Man wollte Details rund um den Konflikt zwischen Miliz und IMC (Interstellar Manufacturing Corporation) wissen, man wollte herausfinden wo überhaupt die laufenden Panzer herkamen und in was für einer Welt man sich überhaupt bewegte. Titanfall 2 erzählt zwar die Geschichte weiter, lässt aber die losen Fäden aus dem Vorgänger größenteils offen, was eigentlich auch gar nicht nötig ist. Die Protagonisten und deren Geschichte sind trotzdem überdurchschnittlich gut und haben viele in unserem Team überrascht. Es erinnert auch an die Storyqualität auf dem Niveau von Half-Life oder Far Cry 3.
Die Story dreht sich dabei um den Piloten Jack Cooper und seinem Sidekick-Titan, BT-7274 – Diese ist vergleichbar mit vielen anderen Geschichten: Ein Mann und sein Auto (Knight Rider), der Junge und sein Hund (Lassie) oder die Familie und ihr Delfin (Flipper) und so haben wir regelmäßig die Situation aus den jeweiligen Serien und Filmen, dass entweder wir unserem stählernem Begleiter oder er uns helfen muss und auch ein entsprechendes Band zwischen den beiden Protagonisten aufgebaut wird. Verstärkt wird diese Situation dadurch, dass wir bei Gesprächen zwischen zwei möglichen Antworten auswählen können und BT entsprechend darauf reagiert. Dies ändert zwar den Spielverlauf nicht, der sehr vorgeschrieben ist, aber es gaukelt aus einer narrativen Sicht verschiedene Möglichkeiten vor, ähnlich wie bei den Telltale Games.
Zeitlich bietet uns die Kampagne, je nach unserem eigenen Können, etwas weniger als acht Stunden Spielspaß. In dieser Zeit werden wir im Feld vom einfachen Fußsoldaten zum Piloten befördert und bekommen die Kontrolle über BT, dessen Pilot uns die Steuerung überschreibt. Anschließend bringen wir in Erfahrung, dass die IMC einen Todesstrahl bauen lässt und müssen die Inbetriebnahme verhindern. Dabei treffen wir auf einfache IMC-Soldaten, verstärkte Einheiten und Elite-Söldnern, den APEX Predators, die uns aufhalten wollen, deren persönlichen Deathstar zu zerstören. Während der gesamten Kampagne schafft Respawn Entertainment einen hervorragenden Spagat zwischen Ernst und Humor. Der Titel bringt die nötige Ernsthaftigkeit mit, die der Shooter benötigt. Dabei lockern Jack und BT die Stimmung aber immer wieder mit ihren Dialogen etwas auf. Ob BT versucht nun unsere Gesten nachzuahmen oder die maschinentypischen, kalkulierten Antworten auf Jack’s ironischen Phrasen raushaut, das ein oder andere Schmunzeln wird sich hier wohl keiner verkneifen können.
Dies hört sich natürlich nicht wirklich episch an, wenn man den Storyplot von Half-Life oder Star Wars: Episode IV – A New Hope auf einige wenige Zeilen zusammenfassen würde, denn dies würde sich auch nicht so überragend anfühlen, wie wenn man die Geschichte im Kinosessel oder am Fernseher selber erlebt. Aber nicht nur storytechnisch bietet die Kampagne sehr viel Inhalt. Es gibt sowohl klassische Shooting-Passagen als auch intensive “Run’n’Jump“-Sequenzen und Endgegner, in Form der APEX-Söldner, die uns in ihren Mechs entgegentreten. Zusätzlich schafft Titanfall 2 es neben dem Erhalt der verschiedenen Titan Loadouts auch mit anderen Gameplay Elementen in der Kampagne zu glänzen, welche nicht Teil des Multiplayers sind. Beispielsweise einen Zeitmanipulator, mit dem wir zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her springen können oder ein Energie Werkzeug, mit dem ihr Schalter aus der Distanz betätigen könnt.
Wie viele Titanen braucht man um eine Glühbirne zu wechseln?
Auch wenn die Kampagne sehr gut ist, dürfte für die meisten Spieler der Fokus nicht auf dem Singleplayer stehen, speziell nicht nach dem Multiplayer des ersten Teils. Hier im zweiten Teil stehen uns insgesamt neun Spielmodi zur Verfügung. Diese unterscheiden sich vom Kolosseum, in dem wir im Duell gegen einen anderen Spieler antreten dürfen, bis hin zum „Free for all“-Modus, in dem jeder gegen jeden kämpft. Teamfights sind aber bei den meisten Spielmodi im Vordergrund und so gibt es den Piloten vs. Piloten-Modus, in dem wir nur als Piloten kämpfen und den Last Titan Standing, wo wir direkt mit einem Titanen starten.
Auch die Materialschlacht, in der wir mit fünf weiteren Spielern gegen sechs Gegenspielern inklusive KI-Unterstützung um ein Gebiet kämpfen, ist wieder enthalten und stellt mit dem neuen Spielmodus Kopfgeldjagd einen weiteren Teammodi dar.
Bei der Kopfgeldjagd gewinnt das Team, das als erstes 5000 $ gesammelt hat. Um den Betrag zu erreichen, müssen wir KI-Gegner in Form von Soldaten, Mini-Titans (so genannten Renegades) oder Titans töten oder zerstören und anschließend das erworbene Geld zu einer Bank bringen. Alternativ können wir auch Spieler davon abhalten eine Bank zu erreichen und bekommen für den Abschuss einen Teil von dem Geld, welches der andere Spieler gesammelt hat und haben dadurch selber die Chance es auf der Bank zu deponieren. Unterm Strich schlagen sich aber maximal 16 Personen auf einem Schlachtfeld bzw. 12 + KI-Unterstützung und somit bleibt der Kampf, im Gegensatz zu Battlefield 1, eher gesittet und man trifft häufiger auf bestimmte Gegenspieler.
Piloten, Titans, Ausrüstungen und Bewaffnung
Titanfall besaß schon viele Möglichkeiten sich zu individualisieren, diese ließen sich aber durchweg zu schnell freispielen. Zusätzlich gab es das Problem, dass die Titans sich in Titanfall durch diese Individualisierungen zu gleichanfühlten und sich gerade mal in Rüstung und in den Schub-Dashes unterschieden.
Beide Themen hat man in Titanfall überarbeitet und die Palette der Pilotenindividualisierungen nochmal aufgebohrt. Man kann nun aus sieben verschiedenen Grundpiloten auswählen, die von einem Tarnmodus über einen Kletterhacken bis hin zu einer holographischen Kopie reichen.
Anschließend dürfen wir uns eine Primärwaffe aussuchen. Dabei stehen uns verschiedene Sturm-, Maschinen- und Scharfschützengewehre, Maschinenpistolen, Schrotlinten aber auch Grenadierwaffen zur Verfügung. Bei der Sekundärwaffe müssen wir uns zwischen Pistole und Titanabwehr entscheiden. Alles in allem stehen uns 28 Waffen zur Auswahl.
Um unsere Ausrüstung abzuschließen, dürfen wir uns dann noch für zwei Kit-Systeme entscheiden. Das eine bewirkt eine schnellere Regeneration, während das andere uns ermöglicht an einer Wand hängend schießen zu können. Damit wir unserem Piloten aber noch einen kleinen persönlichen Touch geben dürfen, können wir dem Piloten, dem Titan und die Waffen farblich anpassen. Auch stehen uns für die Individualisierung mehrere „Exekutionen“ zur Verfügung, die erst durch Geschenke, die wir bei Level-Ups bekommen, freigeschaltet werden.
Bei den Titanen hat man sich in eine andere Richtung bewegt. Da im ersten Teil bemängelt wurde, dass es mit drei Titans zu wenige gäbe und diese sich durch die freie Auswahl der Waffen zu ähnlich verhalten haben, hat man nun individuelle Waffen den Titanen vorgeschrieben. Dies führt dazu, dass wir uns zwischen sechs Titanen entscheiden müssen. Ion und Tone dürften dabei die klassischen Archetypen darstellen mit einer mittleren Rüstung, einer Art Sturmgewehr bei Ion und dem, aus dem ersten Teil bekannten, 40-mm halbautomatischen Geschütz bei Tone.
Scorch ist eine Neuentwicklung und setzt auf Brandmunition, während Northstar ein Flugsystem besitzt und auf eine Railgun setzt, die auch schon im ersten Teil seinen Auftritt hatte. Ronin und Legion stellen die extremsten Gegenspieler dar. Während Ronin mit einer riesigen dreiläufigen Schrotflinte und einem übergroßen Schwert für Titans aufläuft, kommt Legion mit einer Minigun daher. Legion besitzt von allen Titanen die geringste Mobilität und kommt in der Grundversion komplett ohne Dashes aus, während Ronin dagegen auf Rüstung verzichtet und mehrere Dashes besitzt.
Jeder Titan besitzt neben der individuellen Waffe auch verschiedene andere Systeme. So kann jeder auf eine defensive Fähigkeit zurückgreifen (eine unterstützende und zwei offensive). Eine der beiden offensiven Fähigkeiten muss sich dabei aber aufladen und stellt eine ultimative Zerstörungswaffe dar.
Es gibt viel zu tun – Sehr viel.
Damit wir auf alle Titanen, Waffen und Ausrüstungsgegenstände zugreifen können, müssen wir leveln. Leveln, leveln und nochmal leveln – Weil alles will gelevelt werden. Sowohl unser Pilot als auch jede Waffe und jeder Titan besitzt sein eigenes Levelsystem, mit dem wir neue Gegenstände, neue Kits, aber auch einfach nur neue Skins freischalten können. Gerade diese Level Ups motivieren ungemein und sind ein sehr psychologischer Faktor. Durchweg wird man jede Runde belohnt, egal wie gut oder wie schlecht man war. Dies fördert, dass man immer weiterspielen möchte, gegebenenfalls sogar was neu Erworbenes ausprobieren will und sollte man doch aufhören wollen, dann hat man kein negatives Gefühl, falls das letzte Match am Tag doch mal verloren wurde. Es gibt aber auch einen alternativen Weg zu unserer Traumwaffe: Credits. Mit diesen können wir höhere Waffen, falls uns der Weg zu lang scheint, auch frühzeitig freischalten. Wer nun aber gleich losschreien möchte und „In-Game-Purchasements“ verurteilen will – Der kann sich schnell wieder beruhigen. Die Credits kann man nicht kaufen, sondern bekommt diese nur mühsam über den Multiplayer zusammengefarmt – so besitzt doch jeder die gleichen Möglichkeiten.
Kein Season Pass und kostenlose DLCs
Zusatzinhalte sollen die Lebensspanne von einem Spiel erweitern und Spieler an das Spiel binden, bis eine Fortsetzung rauskommt. Dies wird in der heutigen Zeit durch Season Pässe nochmal verstärkt, durch die der Käufer dem Entwickler im Voraus für alle kommenden DLCs eine Art Versprechen abkauft.
Titanfall 2 möchte hier aber etwas Besonderes sein und es wird keinen Season Pass geben – Auch wird man die Community nicht entzweien und so werden alle kommenden DLCs kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Fazit
Mechs haben mich schon immer begeistert – Egal ob Mechwarrior und Battletech oder in Pacific Rim – Titanfall hat hier die Mechs in ein neues Zeitalter geführt. Titanfall 2 toppt aber das Spielerlebnis des ersten Teils und stellt ein Unicorn dar. Ein Fabelwesen, welches eigentlich gar nicht existieren kann. Der Singleplayer ist wirklich überragend und kann sich mit Geschichten wie Half-Life oder Far Cry 3 vergleichen und der Multiplayer ist mindestens genauso gut wie bei den Genregrößen Call of Duty und Battlefield 1. Auch die DLC-Politik, dass alle kommenden DLCs kostenlos sein sollen, ist etwas besonderes und toppt daher um Längen den Auftakt des ersten Teils. Dadurch besitzt Titanfall 2 alle nötigen Voraussetzungen, um sich im eigenen Haus mit Battlefield 1, aber auch auf dem Markt mit dem neuen Call of Duty messen zu können. Auch hartgesottene Fans beider Lager sollten den Blick über den Tellerrand wagen, weil dieses Steak etwas Besonderes darstellt und all das toppt, was ihr auf euren Tellern habt. Aber auch Neulinge und eher schlechtere Spieler finden im Multiplayer, gerade bei den KI-unterstützenden Spielmodi, Erfolgserlebnisse. Für mich ist Titanfall 2 DAS Spiel 2016.