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NHL 18 im Test – Eishockey aus der Feinkostabteilung

Alle Jahre wieder beglückt EA nicht nur Fußball- und Footballfans mit einer aktualisierten Fassung ihrer jeweiligen Sportsimulation, auch Eishockeyfreunde werden in diesen Tagen in Form des jährlichen NHL-Spiels bedacht. Wie sich die 2018er Ausgabe (mangels Konkurrenz) im Vergleich zu ihren Vorgängern schlägt, zeigen wir im Test.

NHL Threes

Die größte Neuerung bei NHL 18 ist ein Spielmodus namens NHL Threes. Dabei hat EA aber keineswegs das Rad neu erfunden, vielmehr erinnert der Modus an den Serien-Ableger „3 on 3 NHL Arcade“, den EA selbst im Jahr 2009 auf den Markt brachte. NHL Threes kürzt das eigentliche Spielgeschehen so weit herunter, dass ein rassiges Arcade-Erlebnis bleibt: Das Spielfeld ist kleiner, das Regelwerk wird mehr oder weniger gar nicht angewandt (besonders bezüglich überharter Zweikampfführung ist der Schiedsrichter eigentlich nur Staffage) und es treten je Mannschaft auch nur drei Spieler plus Torhüter gegeneinander an. Und wenn der Referee sich meldet, verhängt er gleich einen Penalty. Zeitstrafen sind was für Pussys!

Einige Extras runden das simplifizierte, aber massig unterhaltsame Vergnügen ab: Je nach Farbe des eingesetzten Pucks zählt ein erzieltes Tor nicht nur einen Punkt, sondern zwei oder gar drei – was einem vermeintlich einseitigen Match mitunter noch den Schubs in die andere Richtung zu geben vermag. Unterhalb der Spielstandsanzeige wird der Spieler informiert, welcher Puck als nächstes aufs Eis kommt, was dem Ganzen noch eine kleine strategische Komponente gibt. Während des Spiels verteilt ein Stadionsprecher launige Kommentare im Stile des von „NBA Jam“ bekannten Tim Kitzrow, Tore werden mit Feuerwerk gefeiert.

Und man muss sich auf Unvorhergesehenes gefasst machen: Es kann durchaus passieren, dass während einer Partie plötzlich sogenannte Helden auftauchen, die in einer Art Wrestlingpräsentation aufs Eis treten und die gegnerische Mannschaft verstärken. Bezwingt man die Kontrahenten dennoch, wechselt der Star ins eigene Team. Das kann dann auch ein Maskottchen sein. Also beispielsweise ein übergroßer Plüschtiger namens Hunter, eine Spezies, der man nicht per se Eishockey-Fähigkeiten attestieren würde.

Offline spielt man NHL Threes solo im Circuit Mode, in dem man die Fridge Raiders zu Ruhm und Ehren führen muss. Dabei gibt es zahlreiche Gimmicks freizuschalten, beispielsweise zusätzliche Arenen. Online wird der Modus dann zu einer einzigen Gaudi, gerade im Koop wächst der Spielspaß.

Anfangs mutet das Geschehen zwar etwas unübersichtlich an, nach einiger Eingewöhnungszeit macht NHL Threes aber großen Spaß und ist eine wunderbare Ergänzung zum eigentlichen Simulationskern der Spiels. Dabei geht es trotz allem auch nicht so comichaft überzogen zu wie seinerzeit bei „Wayne Gretzky’s 3D Hockey“ auf dem N64, als ein Treffer ins gegnerische Tor selbiges in Flammen setzte. Für Einsteiger ist dieser Modus am besten geeignet, was man auch daran erkennt, dass EA außer NHL Threes eigentlich nur einen Teil des Spiels signifikant ausgebaut hat – den Trainingsmodus.

Übung macht den Meister

Diesen hat EA nämlich deutlich vergrößert. Verschiedene mehrteilige Trainingseinheiten führen nun auch komplette Neulinge in die grundlegende Steuerung der Eishockeysimulation ein. Unterstützt werden die Übungen von kurzen Trainingsvideos, die dem Spieler den aktuellen Unterrichtsstoff im Echtbetrieb zeigen. Da fühlt man sich irgendwie an selige Sega Mega CD-Zeiten erinnert, wenngleich die Videos in NHL 18 natürlich in HD vorliegen.

Leider stößt der Trainingsmodus an seine Grenzen, wenn es darum geht, einfache oder fortgeschrittene Dekes (Finten bzw. Tricks) zu erläutern. Hier fällt sowohl die Anweisung zu knapp aus, was der Spieler jetzt wie drücken muss, und auch das Feedback zur durchgeführten Aktion (warum etwas nicht geklappt hat) lässt zu wünschen übrig. Auf der anderen Seite erläutert das Spiel bei den grundlegenden Basistechniken ganz gut, welchen Sinn überhaupt der Move hat, der da gerade geübt wird.

Während der Matches (unabhängig vom Spielmodus) gibt NHL 18 dem Spieler weiterhin regelmäßige Rückmeldungen über sein Spielverhalten und gibt nachvollziehbare Tipps, wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Das erfolgt zum einen über kurze Texteinblendungen am gerade gesteuerten Spieler und zum anderen etwas ausführlicher in den Drittelpausen. Dort können dann ganze Listen mit Feedback studiert werden, um die eigenen Schwachstellen zu ermitteln. Novizen müssen sich aber trotz des neuen Trainings in NHL 18 regelrecht reinbeißen. Hat man den Dreh aber erst einmal raus und einige Dekes verinnerlicht, ist die Befriedigung riesig, wenn der Puck nach einem Between-the-legs-Deke und anschließendem Verladen des Goalies im gegnerischen Tor landet.

Neues und Verfeinertes

Abgesehen vom aufgemotzten Trainingsmodus und NHL Threes bietet NHL 18 eine große Auswahl an weiteren Modi, ohne hier allerdings grundlegende Neuigkeiten anzubieten. Die finden sich eher im Detail wieder. EA hat Stellschauben gedreht, die zu klein sind, um Revolutionen auszulösen, aber groß genug, um merkliche Veränderungen herbeizuführen.

Der Saisonmodus erlaubt nun das Durchspielen von 13 nationalen Wettbewerben, darunter jetzt auch mit der EBEL die erste österreichische Liga und separat auch die Champions Hockey League. Unter Be A Pro wird der selbsterstellte Kufenflitzer zum Superstar geformt, leider ohne Storymodus – der bleibt FIFA und Madden vorbehalten.

Der Franchisemodus erlaubt es dagegen, ein Team über mehrere Dekaden zu managen (und bietet überaus sinnvolle Online-Hilfen). Kleinere Verbesserungen gegenüber NHL 17 fallen hier durchaus ins Gewicht: So kann man nun endlich vorzeitig Spielerverträge verlängern und Stammspieler frühzeitig an den Klub binden. Auch sind Talente aus dem Draft öfter und schneller verfügbare Kandidaten für die erste Mannschaft und müssen nicht mehr jahrelang in den Juniorenmannschaften vergammeln. Zudem wurde das Scoutingsystem überarbeitet.

Grundsätzlich stehen nun auch die Vegas Golden Knights zur Verfügung, die am 22. Juni 2016 gegründet wurden und real seit Beginn der Saison 2017/18 als 31. Team der NHL angehören. Im Expansion Draft-Modus wird nach diesem Vorbild kurzerhand ein neuer 32. Klub gegründet, für den dann der Kader gedraftet, eine Heimatstadt ausgewählt, ein Maskottchen bestimmt sowie Trikot, Arena und Logo ausgesucht werden müssen.

Im Sammelkartenmodus Hockey Ultimate Team (HUT) gibt es jetzt sogenannte Herausforderungen, die es leichter machen, an begehrte Karten zu kommen und so den Einsatz von Echtgeld merklich reduzieren.

Während die Veränderungen im organisatorischen Bereich also eher überschaubar sind, legt EA in puncto Kontrolle und Gameplay einiges nach. Der rechte Stick mutiert zum „Skill Stick“, mit dem sich eine ganze Reihe Offensiv-Dekes vollziehen lassen. In der Defensive gibt einem der Stick wiederum die Möglichkeit, Passwege zuzustellen und den Puck abzufangen. Insgesamt muss nun viel differenzierter verteidigt werden als noch in NHL 17. Das Defensivspiel ist komplexer geworden, doch hat man das Prinzip durchblickt, macht sogar die Abwehrarbeit Spaß.

Dieser ganze Haufen an neuen Steuerungsmöglichkeiten ist für Neulinge gar nichts so einfach zu beherrschen, insbesondere wenn es darum geht, verschiedene Dekes miteinander zu kombinieren. Da kann man sich zügig die Finger verknoten, gerade in der Standardbelegung, die auch den rechten Stick zum Torabschluss vorsieht. Hier gibt es zwei Alternativen: die erste zusätzliche Steuerungsmethodik legt Puckaktionen wie Pässe und Schüsse wieder auf die Feuerknöpfe des Joypads zurück und belässt die Dekes auf dem rechten Stick, die zweite Alternative hingegen führt den Spieler 24 Jahre zurück ins Erscheinungsjahr von NHL 94, als zwei Feuerknöpfe (Schuss und Pass) noch ausreichten, um das Spiel unter Kontrolle zu bekommen.

Gute Grafik, redundanter Soundtrack

Technisch gibt es bei NHL 18 nicht viel zu bemängeln. Obwohl das Spiel im Gegensatz zu FIFA oder Madden noch nicht mit der Frostbite-Engine läuft, macht der Titel grafisch einen hervorragenden Eindruck. Das fängt bei der Präsentation der Matches an, die auch dieses Jahr wieder unter dem Etikett von NBC läuft. Während des Spiels überzeugen auf dem Eis vor allem die grafischen Effekte wie Spiegelungen oder die Abnutzung der Spielfläche. Das Publikum ist glaubwürdig animiert, die Spielermodelle auffällig detailliert. Das trifft aber alles auch so auf die Vorgängerversionen zu, so kommen Details wie die Torwartanimationen dem Kenner der Serie sattsam bekannt vor.

Akustisch befindet sich EA ebenfalls in bekannten Gefilden. Leider in zu bekannten: Das Kommentatorenduo ist seit Jahren das gleiche und hat auch in NHL 18 keine neuen Statements zu bieten, was nicht nur schade ist, sondern mittlerweile auch ein kleiner Atmosphäre-Killer. Denn die Sprüche der beiden Jungs sind nicht nur altbacken, sie wiederholen sich auch sehr zügig. Die zur musikalischen Zerstreuung ausgewählten Musikstücke in den Menüs sind nett, werden aber den meisten Menschen nach einigen Wochen auf den Geist gehen. Schleierhaft, warum es nicht einfach eine Funktion gibt, mit der man ein Webradio im Hintergrund laufen lassen kann.

Multiplayer-Partien sind offline ein großer Spaß, auch online überzeugt der Titel. Naturgemäß dauert die Spielersuche mitunter etwas länger, es spielen generell weniger Menschen NHL 18 als andere Blockbuster. Verbindungsabbrüche traten im Test keine auf, sowohl das reguläre Match als auch das in NHL Threes ist auch technisch eine saubere Sache.

Fazit

NHL 17 war schon eine sehr gute Eishockeysimulation, NHL 18 schafft es aber, den Vorgänger zu übertreffen. Das liegt hauptsächlich am grandiosen NHL Threes-Modus, der für sich schon als eigenständiges Spiel eine Veröffentlichung wert wäre. Gerade online oder im Multiplayer auf dem heimischen Sofa bockt der Modus wie seinerzeit „NBA Jam“ auf der 16 Bit-Konsole. Aber auch solo bietet der Titel genug Langzeitmotivation, der umfangreichen Spielmodi sei Dank. Falls man überhaupt etwas bemängeln möchte, ist es die Tatsache, dass sich NHL 18 grundsätzlich nicht genügend vom Vorgänger abhebt. Die neuen Offensiv-Dekes sind witzig, aber nicht spielentscheidend und eher nutzlos. Dem Be A Pro-Modus fehlt immer noch eine Story, die Kommentatoren sind seit Jahren mit immer dem gleichen Vokabular im Einsatz, der Managermodus ist immer noch in staubtrockener und langweiliger Optik gehalten. Das alles ist aber Gemecker auf höchstem Niveau. NHL 18 ist schlichtweg ein sensationelles Sportspiel, dem zur Perfektion nicht mehr viel fehlt. Und irgendwelche Verbesserungsmöglichkeiten muss EA sich ja noch für NHL 19 offenhalten.

NHL 18
Grafik/Präsentation
88
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
87
Multiplayer
87
Spielspaß
91
Leserwertung0 Bewertungen
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