Mega Man 11 im Test – Wie nach Hause kommen

Auf dem besten Wege zum dreckigen Dutzend: Wo Mega Man 1987 als Action-Plattformer das NES eroberte, sind 30 Jahre später unzählige Nachfolger, Spin-Offs und sonstige Serien-Ableger auf verschiedensten Plattformen nachgezogen. Doch wie auch immer die verschiedenen Iterationen des blauen Roboters hießen, die klassische Mega Man-Reihe wurde über die Jahre und die Plattformen nahezu kaum angetastet. Jetzt steht Teil 11 in den Download-Shops bereit – und überrascht mit geradezu revolutionären Ideen.

Neue Tapete

Offenbar fühlte sich Capcom vom 2016 veröffentlichten „Mighty No 9“ angestachelt – der Titel bediente sich unbekümmert dreist beim großen Mega Man und steckte das Spielprinzip in zeitgemäßeres Gewand. Dass das eigentliche Spiel mit dem Original nicht mithalten konnte, fiel da erst später auf. Doch diese Aufmüpfigkeit, geradezu dreist zu versuchen, die unumstößliche Legende des Action-Hüpfspiels vom Thron stürzen zu wollen, hat Capcoms Entwickler dazu veranlasst, Mega Man ebenfalls in moderne Kleider zu packen. So hüpft und ballert sich der Spieler durch schicke HD-Welten in 2,5D – obwohl von der angedeuteten dritten Dimension kein Gebrauch gemacht wird. Denn im Keim hat sich seit dem Debüt 1987 nix geändert: Es geht zuverlässig von links nach rechts (oder umgekehrt) sowie oben nach unten (oder umgekehrt). Gefeuert werden darf in Blickrichtung – fertig.

Lernfähig

Hüpfen, schießen, Rutschfunktion und Trampolin-Rush rufen. Wer dachte, dass sich Mega Mans Aktionsportfolio damit komplett erschöpft hat, ist diesmal getäuscht. Per Schultertasten aktiviert man das Double Gear-System, das Mega Man zwei weitere Fähigkeiten verleiht: Speed ​​Gear und Power Gear. Der Speed ​​Gear versetzt Mega Man Bullet Time-like in eine Art Zeitlupe, wodurch er Angriffen ausweichen kann, während Power Gear die Angriffskraft der Waffen von Mega Man erhöht. Beide müssen nach häufigem Einsatz erst wieder ein paar Sekunden abkühlen. Wenn die Gesundheit von Mega Man kritisch niedrig ist, kann er beide Gears gleichzeitig aktivieren, um einen kraftvollen Blaster-Schuss auszuführen, der nur einmal benutzt werden kann und Mega Man danach geschwächt zurücklässt.

Doch ganz ehrlich: Dieses kleine Gameplay-Gimmick ist für Veteranen nicht mehr als ein netter Gag. Serien-Neulinge freuen sich darüber vielleicht, aber um das Spiel erfolgreich abzuschließen, ist der Einsatz weder des einen noch des anderen Gears zwingend erforderlich.

Never touch a running system

Worum geht’s denn jetzt in Teil 11? Nun, es gilt Dr. Wily davon abzuhalten, sein ebenjenes Double Gear System zu benutzen, das er viele Jahre zuvor erfunden hatte, als er an der Robot University war. Dr. Wily hat die neuen Roboter von Mega Man-Konstrukteur Dr. Light umgedreht und zu seinen Handlangern gemacht, die fortan als Endgegner in acht frei anwählbaren Levels fungieren – also hat Mega Man es mit Block Man, Fuse Man, Blast Man, Acid Man, Tundra Man, Torch Man, Impact Man und Bounce Man zu tun. Selbstverständlich erbt Mega Man nach dem Sieg über einen Boss dessen Superwaffe, und selbstverständlich lässt sich jeder Endboss mit einer speziellen Waffe ganz besonders effektiv ausschalten. Und selbstverständlich erfährt man nichts über die korrekte Reihenfolge der Levels, das muss man schon selbst ausprobieren. Gut, dass selbst beim „Game Over” die in den Levels gesammelten Schrauben behalten werden und anschließend im Shop investiert werden dürfen (keine Mikrotransaktionen!). Mit dann nämlich einem oder gar mehreren Energietanks im Gepäck (die füllen Mega Mans Gesundheit komplett auf) steigen die Überlebenschancen deutlich.

Damit die ganze Tour nicht zu happig wird, bietet Teil 11 wie auch Teil 10 verschiedene Schwierigkeitsgrade an. Lediglich auf „Anfänger” ist das Spiel mit unendlich Leben, schwächeren Feinden und einem Vögelchen, das Mega Man aus sonst tödlichen Löchern hievt, deutlich leichter. „Normal“ bedeutet hier den klassischen Mega-Man-Schwierigkeitsgrad – und der ist sackschwer.

Ansonsten wird in bester Serientradition die ganze Palette an liebgewonnenen Plattformer-Gemeinheiten aufgefahren, die aus der Serie bekannt sind – inklusive dem berühmten Respawn besiegter Gegner, wenn Mega Man wieder in einen Bildschirm zurückkehrt. Bevor aber die komplette Verzweiflung um sich greift: Es gibt deutlich mehr Rücksetzpunkte innerhalb der Levels.

Hart wie eh und je

Die acht Levels (plus die gängigen vier Wily-Stages) sparen nicht mit herausfordernden, kniffligen Hüpfpassagen. Zudem lassen sich nicht wenige Screens erst im dritten oder vierten Anlauf knacken, wenn man den Dreh raus hat. Die Boss- und Zwischengegner agieren nach festen Angriffsschemata, die es zunächst zu durchblicken gilt. Das Leveldesign ist durch die Bank durchdacht und großartig wie eh und je. In zahlreichen Situationen könnte man den Controller an die Wand pfeffern, oft muss der Level neu gestartet werden, vieles ist richtig schwer, aber niemals unfair.

Zum Leveldesign muss auch angemerkt werden, dass die Stages richtig schön entworfen wurden und auch von ihrer kompletten Aufmachung originell und stimmig wirken. Die Bounce-Man-Stage etwa sieht sehr knuddelig aus, hier nutzt Mega Man mit perfektem Sprungtiming bunte Bälle als Sprungbrett, eisiger Wind katapultiert ihn in Tundra Mans Level nach vorne. Serientypisch sind ebenfalls die vor Persönlichkeit geradezu triefenden Standardgegner.

Technisch passt das Paket: Wunderschöne, stilistisch zur Serie passende 2,5D-Grafik und ein toller Soundtrack – allerdings ohne wirkliche Killer-Titel oder Ohrwürmer wie zu 8 Bit-Tagen.
Freilich wird man hier nicht, wie bei modernen Spielen üblich, an die Hand genommen. Manch einer wird also eine steile ‘Oldschool-Lernkurve’ überwinden müssen, bevor der erste Robotmaster fällt. Doch in der Summe ist Teil 11 vom Schwierigkeitsgrad her noch ein humaner Vertreter, da war Teil 9 noch deutlich extremer.

Fazit

So muss ein 2D-Klassiker im modernen Gewand sein: Mega Man 11 bringt technisch alles mit, um auch 2018 schick auszusehen. Zudem ist es im Kern immer noch das gleiche Spiel wie 1987 (wenngleich Mega Man ein paar Fähigkeiten hinzugewonnen hat), was die Retrofans freuen wird. Die 2D-Ikone bleibt ihren Wurzeln auch in diesem Titel treu und beeindruckt mit toller Technik, unglaublich viel Charme, hervorragendem Leveldesign und hammerharten Levels vergangener Tage. Zwar sind geübte Spieler in zehn Minuten durch jedes Level (und damit in drei Stunden durchs ganze Spiel), aber das spielt keine Rolle. Es ist Mega Man!

Mega Man 11
Grafik/Präsentation
80
Story/Atmosphäre
74
Gameplay
86
Spielspaß
81
Leserwertung0 Bewertungen
0
Mega Man!!!!
großartiges Leveldesign
harmonischer Stil, gutes Artdesign
Gameplay-Extensions durch Gear-Techniken
Sauschwer
Soundtrack ohne echte Höhepunkte
Trotz hohem Schwierigkeitsgrad zu kurz
80