Day of the Tentacle: Remasterd im Test – Frisch aus dem Chron-O-John gefischt

Machen wir mal eine kurze Reise in die Vergangenheit, etwa 23 Jahre zurück ins Jahr 1993. Wie habt ihr dieses Jahr wahrgenommen, was blieb euch in puncto Videospiele so in Erinnerung? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr genau, aber ich erinnere mich zumindest noch daran, dass der Game Boy damals ein fester Bestandteil meiner Grundschullaufbahn war und mir diese gerade frisch erworbene neue Konsole Namens Super Nintendo viele glückliche Stunden vor dem Fernseher bescherte. Während ich dieses junge Medium gerade erst richtig kennenlernte, erfreuten sich die älteren Semester der Video-und Computerspieler auf den Heimrechnern an Point & Click Adventures. Die Rolle des Platzhirschs in diesem damals unglaublich beliebten Genre nahm ohne Zweifel die Firma LucasArts ein. Titel wie „Zak McKracken“, „Maniac Mansion“ oder „Monkey Island“ hallen auch über 20 Jahre nach ihrem Erscheinen wie ein überwältigendes Echo durch das kollektive Unterbewusstsein der Videospieler und zaubern allein bei der bloßer Erwähnung ein kleines Funkeln in die Augen vieler (meist ü-30iger) Zocker. Es gab jedoch ein Spiel, das aus diesen ganzen famosen Adventures für viele Fans noch einmal herausragte. Und es war eben dieses Jahr 1993, in dem es eine ganze Generation von Spielern zum Rätseln, Lachen und Staunen bringen sollte. Die Rede ist von keinem geringeren Titel als „Day of the Tentacle“.

Die Double Fine Productions, welche unter der Leitung von keinem geringeren als Tim Schafer gegründet wurden, haben sich diesem zeitlosem Klassiker angenommen und in einer modernen Version für PC und konsolenexklusiv auf der PS4 neu veröffentlicht. Bis auf eine grafische und soundtechnische Überarbeitung sowie zeitgemäße Steuerung blieben alle weiteren Features des Spiels unangetastet. Ob „Day of the Tentacle“ auch nach 23 Jahren trotz allen Entwicklungen, die das Medium Videospiel über die letzten zwei Dekaden durchlebt hat, noch überzeugen kann, wird der folgende Test zeigen.

„Ich fühle mich großartig“

Umweltverschmutzung ist eines der wichtigsten Themen unserer Zeit und wird quer durch alle Bevölkerungsgruppen rund um den Globus kontrovers diskutiert. Schon 1993 nahm sich „Day of the Tentacle“ dieser Problematik an und zeigte auf sensible Art und Weise, welche katastrophalen Auswirkungen die achtlose Müllentsorgung eines gewissen  Dr. Fred Edison haben kann. So trinkt Purpur Tentakel, eine von Edisons zwei selbstgezüchteten Haustentakeln, bedenkenlos von dem giftigen Abwasser seines Labors und schon nimmt das Übel seinem Lauf. Dem kleinen Tentakel wachsen nach dem Müllkonsum zwei Stummelärmchen und direkt fühlt sich unser Purpur dazu auserkoren, die Welt zu erobern. Glücklicherweise kennt der freundlich gesinnte Grün-Tentakel die Freunde Bernard, Laverne und Hoagie und schickt ihnen auch direkt per Hamster einen Brief zu, um ihnen die unangenehme Nachricht zukommen zu lassen. Bernard, der bereits in „Maniac Mansion“ das Anwesen der Edisons erkundete, erkennt sofort den Ernst der Lage und macht sich mit den beiden Begleitern auf den Weg um die Machenschaften von Purpur zu vereiteln.

Im Haus angekommen wollen sich die drei Freunde mit Hilfe von Dr. Edisons Zeitmaschine, dem Chron-O-John, 24 Stunden in die Vergangenheit begeben, um Purpur am Trinken des giftigen Abwassers zu hindern und somit den Verlauf der Zeit entscheidend zu verändern. Doch leider hat der Doktor beim Bau des Chron-O-Johns gespart und statt eines echten Diamanten nur ein billiges Imitat benutzt, was dazu führt, dass die Maschine unsere drei Helden in jeweils drei unterschiedliche Zeitzonen wirft. Laverne verschlägt es 200 Jahre in die Zukunft, in der Purpur die Welt der Menschen unterjocht hat. Hoagie landet 200 Jahre in der Vergangenheit und darf Zeitzeuge bei der Entdeckung der Elektrizität mit Hilfe eines gewissen Benjamin Franklin werden, sowie bei der Erstellung der amerikanischen Verfassung dafür sorgen, dass jeder Bürger einen Staubsauger in seinem Haushalt haben soll. Bernard muss sich in der Gegenwart um die Reparatur des Chron-O-John kümmern und sich unter anderem mit suizidgefährdeten Spaßartikelherstellern, leeren Schweizer Bankkonten und Hamstern in Kühltruhen rumschlagen.

Wer beim Lesen bisher nun das ein oder andere Mal die Stirn runzeln musste und mit dieser absolut irren Geschichte nichts anfangen kann, der sollte lieber die Finger von „Day oft he Tentacle“ lassen, denn das war erst der Anfang eines total verrückten Abenteuers. Wer jedoch wie ich auf nerdigen Humor steht, gerne Zeit mit lustigen Knobelaufgaben verbringt und sich von toll animierten Spielsequenzen und witzigen Dialogen begeistern lässt, der wird die nächsten Stunden Zeuge einer der wahrlich besten Adventure-Erlebnisse, die das Genre je zu bieten hatte.

„Es klebt am Boden fest“

Day of the Tentacle Remastered_20160328013944Day oft he Tentacle spielt sich wie ein klassisches Point & Click-Adventure alter Schule. Mittels der Steuerungsbefehle am unteren Bildschirmrand, lassen sich all die klassischen Befehle wie „Nimm“, „Gebe“, „Rede mit“ und so weiter anwählen und am gewünschten Zielobjekt durchführen. Wem diese Technik etwas zu alt und umständlich ist, kann dankenswerter Weise eine alternative, kontextsensitive Steuerung auswählen. Dabei öffnet sich ein ringförmiges Menü um das anvisierte Objekt, in dem man die gewünschte Aktion im Kreis direkt auswählen kann. Eine Option, die ich vor allem beim Spielen der Konsolenversion bevorzugt habe, da sie besser an die Padsteuerung angepasst ist. Die Charaktere bewege ich durch Richtungsangabe mit Hilfe des Cursors. Einfach die gewünschte Richtung antippen und schon machen sich unsere Helden auf den Weg. Gesammelte Items können im praktischen Inventarmenü am unteren Bildschirmrand jederzeit ausgewählt und gegebenenfalls auch miteinander kombiniert werden.

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Wie bereits eingangs erwähnt spielen wir in Day of the Tentacle drei verschiedene Charaktere in unterschiedlichen Zeitzonen. Hier zeigt sich eine der Besonderheiten des Spiels. Statt nur eine Figur spielen zu können, ist es möglich, zwischen Bernard, Hoagie und Laverne per einfachem Tastendruck hin und her zu wechseln und in ihren jeweiligen Zeitzonen den Lösungsweg weiter zu verfolgen. Während Hoagie und Bernard bereits relativ früh ihre Umgebung erkunden können, müssen wir Laverne erst noch aus den Ästen eines Kumquatbaumes (oder war es doch ein Kirschbaum?) befreien, in dem sie sich bei der Landung aus der Zeitmaschine ungünstig verfangen hat. Tatsächlich ist es sogar möglich, Items per Chron-O-John einem anderen Charakter zukommen zu lassen. Entweder gehen wir jedes Mal zur Zeitkapsel  und spülen das entsprechende Item durch den Zeitlokus oder wir wählen das zu verschickende Item im Inventarmenü an und klicken auf das entsprechende Portrait des Empfängers.

Die Fähigkeit, Gegenstände durch die Zeit zu schicken und die Tatsache, dass Geschehnisse in einer vergangen Zeitzone Auswirkungen auf zukünftige Zeitzonen haben, eröffnen sehr schnell eine Vielzahl an Möglichkeiten und Puzzelaufgaben, wie sie verrückter und witziger nicht sein könnten. Hierbei sei zum Beispiel erwähnt, dass Hoagies Entwurf der amerikanischen Flagge dazu führt, dass sich Laverne in einer von Tentakeln regierten Welt geradezu chamäleonartig  tarnt und sich somit unerkannt unters Saugnapfvolk mischen kann.

„Tolles Haar für eine Mumie“

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Audiovisuell wurden an der Remasterd Version von Day of the Tentacle einige zeitgemäße Schönheitskorrekturen vorgenommen. So glänzt das Spiel nun in einem schicken 16:9-Breitbildformat und die ehemalige Pixelgrafik erhielt eine HD-Aufpolierung. Wem das zu viel neumodischer Schnickschnack ist, der kann auch wieder bequem auf die klassische Grafik- und Soundeinstellung umschalten, wobei auch der 23 Jahre alte Pixellook nichts von seinem Charme verloren hat. Wer das Spiel im Originalton auf Englisch spielen möchte, kann jeder Zeit in den Optionen den Ton frei wählen und sollte man der englischen Sprache nicht so mächtig sein, lassen sich natürlich auch noch optional die Untertitel mit einblenden. Ein beispielhafter Komfort, den ich mir für alle größeren Spiele wünschen würde. Noch ein Wort zur deutschen Übersetzung: Natürlich kann diese nicht mit dem Originalton mithalten, doch unter der Berücksichtigung, dass anno 1993 vollvertonte Videospiele noch lange kein Standard waren, haben die damaligen Sprecher hier ganze Arbeit geleistet. Als Bonusfeatures gibt es zudem noch einen wählbaren Day of the Tentacle Remastered_20160326035138Audiokommentar in dem die Produzenten des Spiels (unter anderem Tim Schafer und Lead Artist Peter Chan) das komplette Spiel von Intro bis Ende kommentieren. Gerade in diesem Genre funktioniert die Kommentaroption besonders gut, da das Spiel erst weiter läuft, sobald man eine Aktion ausführt und man so ungestört den Gesprächen von Schafer und Co folgen kann.

Doch das beste Bonusfeature des Spiels wurde ebenfalls 1:1 aus dem Original übernommen. In Eds Zimmer findet sich ein Computer, den wir trotz seiner 64k Speicher respektieren werden, denn sobald wir ihn benutzten, ist es möglich, den Vorgänger „Maniac Mansion“ in seiner Originalversion komplett zu spielen. Ihr erhaltet also quasi zwei Spiele zum Preis von einem.

Day of the Tentacle schlägt somit die ideale Brücke zwischen Fanservice für die alten Fans und neuzeitlicher Optimierung für die jüngere Spielergeneration.

Fazit

Es ist schon erstaunlich, wie faszinierend ein 23 Jahre altes Adventure auf einen Spieler wie mich wirken kann, der bisher eher sporadisch was mit diesem Genre anfangen konnte. Bisher zähle ich zu meiner Point & Click-Erfahrungen lediglich Monkey Island und Grim Fandango. Sicherlich auch alles hervorragende Spiele, doch erst „Day of the Tentacle“ entfachte in mir diese wunderbare Faszination aus schrägem Humor und witzigen Knobelaufgaben. Das liegt vor allem an der liebevoll Inszenierten Geschichte in einer herrlich zeitlosen Cartoon-Grafik, die damals wie heute wunderbar funktioniert. Die Geschichte bietet rund um die verschiedenen Zeitzonen eine Menge Spaß und herrliche Zeitparadoxen, wobei mir hier besonders Hoagies Spielerreien mit den amerikanischen Gründungsvätern gefallen haben. So wirr die Auflösungen mancher Rätsel auch sein mögen, so ganz unlogisch sind sie doch nie.
Die Zockergemeinschaft sollte dankbar sein, dass Double Fine Productions es sich zur Aufgabe gemacht, hat diesen Klassiker der Videospielgeschichte an den richtigen Stellen zu optimieren und somit einer neuen Spielergeneration zugänglich zu machen. Day of the Tentacle ist ein weiterer Beweis dafür, dass wirklich gute Spiele auch über Generationen hinweg noch genauso fesseln, wie sie es ihrerzeit taten. Und bevor ich mich weiter mit Lobhuldigungen überschlage, bleibt mir für alle PS4 Besitzer nur folgender Rat: Sammelt euer Kleingeld, brecht wenn nötig einen Süßigkeiten-Automaten auf oder plündert ein Schweizer Bankkonto und ladet euch „Day of the Tentacle: Remasterd“ aus dem PSN-Store und genießt ein Stück Videospielgeschichte.

 

 

 

 

Day of the Tentacle: Remasterd
Grafik/Präsentation
90
Story/Atmosphäre
88
Gameplay
94
Spielspaß
93
Leserwertung0 Bewertungen
0
91