Irgendwie passiert derzeit doch erstaunlich viel im Gaming Sektor. Nicht etwa auf den digitalen Events wie Gamescom 2020, die hat so mancher große Hersteller sträflich vernachlässigt. Aber dazwischen, teilweise währenddessen und oft aus dem Nichts, prasseln in letzter Zeit immer wieder bedeutende Infos auf uns ein. Eine der Neuesten und Wichtigsten dreht sich nun wohl um Luna. Und nein, das ist in dem Fall weder Sailor Moons Katze noch die erste Kolonie der Menschheit im All, sondern Amazons neuer Cloud Gaming Dienst. Der hat nämlich durchaus das Zeug, Gaming in den nächsten Jahren radikal zu verändern. Allerdings nicht alleine.
Heiter bis wolkig
Eigentlich ist Cloud Gaming schon ein alter Hut. Bereits Ende der 2000er waren mit OnLive und Gaikai gleich zwei Unternehmen an der Entwicklung von Cloud Gaming Services beteiligt. Mit einer stolzen 5MBit Leitung (für 720p Gaming) und angeblich geringer Latenz sollte man alles überall spielen können. Wobei überall anfangs unter anderem vollwertiger PC bedeutete, die Preismodelle nicht gerade das Gelbe vom Ei waren und auch sonst war das alles noch nicht gerade massenkompatibel. Daran sollte bei OnLive auch eine kleine Streamingbox samt Controller nix ändern. Gaikai schaffte es dagegen frühzeitig, sich Sony an den Hals zu schmeißen, wurde aufgekauft und transformierte zu PlayStation Now. Ein paar Jahre später folgten die kläglichen Überreste von OnLive und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr…. ach ne, eigentlich fängt es hier erst an.
Bei einem blieb es aber auch mit PlayStation Now: Cloud Gaming war und ist bis heute eher eine Nische. Auch Plattformen wie Shadow, die einem Zugriff auf einen kompletten PC per Streaming gewähren, oder Geforce Now, ein Streamingdienst von Nvidia, haben bisher wenig daran geändert. Bis jetzt. Denn während Sony seinen Streamingdienst bisher vergleichsweise stiefmütterlich behandelt, trotz hochklassiger Spiele, drängt neue Konkurrenz auf den Markt.
Die Welt ist im Wandel, ich spüre es in den Clouds
Wer von euch kauft eigentlich noch Musik? Platten, CD’s, oder Downloads? Und wer streamt alles per Amazon Music, Spotify und so weiter? Wer kauft noch massiv Blu Rays, speziell 4K Discs? Und wer hat Prime Video, Netflix oder gar Disney+? Im Massenmarkt ist der Trend jedenfalls klar, es geht in Richtung Streaming. Auch wenn ich die eine oder andere Platte kaufe (manchmal sogar ne CD), das meiste was ich an Musik höre läuft selbst bei mir längst per Stream. Blu Ray Käufe? Werden bei mir immer seltener. Mittlerweile hab ich sogar ein paar Streaming Videos gekauft, weil die extrem viel günstiger waren als die Discversion. Zugegeben, das passiert fast nur bei Sales. 4K Blu Ray? Ist mir durch die Bank zu teuer. Dabei hab ich vor langer Zeit in einer weit, weit analogeren Galaxis sogar mal Filme auf VHS für 39,99DM gekauft und die Preise für meine ersten DVD’s waren auch nicht gerade niedrig.
Was das mit Gaming zu tun hat? Eine ganze Menge. Klassisches Konsolen- oder PC-Gaming ist ein teurer Spaß. Man gibt, gerade zum Start, schnell einige hundert Euro für neue Hardware aus. Teilweise auch deutlich mehr. Dann noch 50, 60, zukünftig vielleicht bis zu 80,-€ für neue Spiele. Im Endeffekt führt das dazu, dass klassisches Core Gaming nach Jahrzehnten des Wachstums seit einiger Zeit stagniert. Was wir dabei gerne übersehen, es gibt mittlerweile Milliarden von Menschen, die spielen. Menschen, die auch Core Games am Smartphone spielen. Und sei es, weil der kleine Taschenherold das einzige Stück Computertechnik ist, das sie besitzen.
Damit nicht genug, Cloud Dienste haben einfach ganz allgemein hohe Accessibility. Ich gucke ja tatsächlich keine Filme auf dem Smartphone. Aber wenn ich das tun würde, dann könnte ich am Smart-TV anschließend nahtlos weiter gucken. Bei Youtube mache ich genau das ab und an. Dank Account Management auch noch völlig versatzlos. Bei Musik? Das gleiche Spiel. Und bei Gaming?
Clouds vs. Consoles
Innerhalb relativ kurzer Zeit drängen mit Google Stadia, Microsoft xCloud und Amazon Luna gleich drei neue und verdammt große Mitbewerber in den Streaming Bereich. Das auffälligste dabei ist wohl, dass Luna und xCloud mit ihren Spieleabos auf Varianten setzen, die an die bisherigen Erfolgsmodelle der Streamingdienste erinnern. Alle Konkurrenten setzen auch auf hohe Accessibility, Zugriff von möglichst überall zu jeder Zeit, sofern die Verbindung reicht. Interessantes Randdetail: mit der Übernahme von Bethesda hat Microsoft hier auch Techniken zum Echtzeitstreaming ohne Lag im 5G Netz mitgekauft, wie es scheint.
Sogar Nintendo ist an Streaming interessiert. Sony hat ohnehin noch PlayStation Now, das zukünftig sicher um PS5 Spiele erweitert werden muss. Und ja, auch die kleinere Konkurrenz gibt es noch. Allerdings ist es schon ziemlich wahrscheinlich, dass die großen Jungs den Markt für sich gewinnen werden.
Was aber bedeutet das für klassisches Gaming? Realistisch lässt sich das nur bedingt abschätzen. So oder so, Streaming steht gerade erst am Anfang. Die Angebote müssen für Gamer, gerade auch preislich, interessant sein. Stadia ist das aktuell zum Beispiel nicht und aktuell scheint der Service auch eher vor sich hin zu dümpeln. Gamestreaming hat aber auch noch ganz andere Probleme. Der Bandbreitenverbrauch ist zum Beispiel ziemlich hoch. Anders als bei Videostreams kann man bei Gaming kaum vernünftig Daten sparen, das Ganze muss möglichst frei von Lags sein und Unterbrechungen sind spätestens im kompetitiven Segment absolut tödlich.
Preislich dürften Modelle wie der GamePass (xCloud) und Amazon Lunas Abo samt Zubuchungsoptionen Cloudgaming einen großen Schub verpassen. Wer zum Preis einer Series S zwei Jahre streamen kann was das Zeug hält, der wird nicht mehr in jedem Fall eine Konsole kaufen. Die technische Komponente dagegen wird mit 5G, FTTH, immer höheren Bandbreiten und immer besserer Netzabdeckung auch ein Stück für Stück schrumpfendes Problem. Momentan gibt es natürlich gerade auf der Technikseite immer noch die eine oder andere Schattenseite beim Streaming.
Werden Konsolen (und womöglich auch der Gaming PC) damit zum Auslaufmodell? Auf die Schnelle ganz sicher nicht. Die Transformation im Filmsektor etwa spielt sich seit über einem Jahrzehnt ab und bisher laufen auch die Filmverkäufe weiter. Aber vielleicht hat dedizierte Hardware statt schlichter Streams auch auf lange Sicht eine Zukunft.
Entweder, oder, und
Aktuell bleibt der Erfolg der Streamingdienste sowieso abzuwarten. Luna startet erstmal in den USA und kommt noch nicht direkt nach Europa. Microsoft startet gerade erst durch und Stadia hat ohnehin viel Luft nach oben. Auf der anderen Seite hat Phil Spencer bereits angedeutet, dass Series X/S nicht die letzte Konsolenhardware von Microsoft sein wird. Klassische Konsolen für Entusiasten, die bereit sind, auch zukünftig Geld auszugeben, die e-Sports Gamer, denen es auf jede Millisekunde ankommt, Sammler und die ganzen Nerds? Das ist vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich.
Gerade als Nerd muss man sich aber vielleicht auch einfach fragen, warum nicht beides? Denn so, wie ich zum Beispiel heute an der Switch sowohl mobil als auch am TV spiele könnte ich mir bei vielen Spielen vorstellen, sie zukünftig unterwegs per Stream zu zocken und Zuhause in der besten Qualität an meiner Konsole, oder auch mal ein Ründchen per Stream am Zweitfernseher oder PC, und so weiter.
Ja, ein wenig sträubt sich mein Spielerherz dagegen. Allerdings, die ersten paar Jahre war ich auch nicht gerade glücklich damit, dass Microsoft im Konsolenmarkt mitmischte. Wirklich wahr. Dabei brachten doch gerade die Redmonder uns mit dem digitalen Vertrieb auch die Downloadspiele und leisteten damit letztlich den modernen Indie Games Vorschub, machten Online Gaming erst wirklich salonfähig und brachten auch andere Dinge deutlich nach vorne.
Ziemlich direkt begeistern konnte mich dagegen als Teenager die erste PlayStation. Wie auch andere Konsolen in den Neunzigern versuchte sie, raus aus den Kinderzimmern und rein ins Wohnzimmer zu kommen. Anders als etwa das 3DO war Sony damit aber wirklich erfolgreich. Und setzte sehr grundlegende Impulse fürs Gaming, das so im Lauf der Zeit deutlich erwachsener wurde.
Vielleicht, nur vielleicht, sind es ja zukünftig auch die Cloudanbieter, die Gaming wieder mal ein Stück weiter bringen und neue Impulse setzen. Vielleicht wünschen wir uns am Ende des noch ziemlich neuen Jahrzehnts auch die gute, alte Zeit zurück. Der eine oder andere macht das ja heute schon. In jedem Fall bleibt es aber spannend.