The Evil Within 2 im Test – Ein Nerd springt in die Wanne

Tja, da sind wir wieder. meine Kollegen haben vermutlich ordentlich mit der Stirn gerunzelt, als ich bei The Evil Within 2 hier geschrien habe, obwohl ich doch als eher sanftes Gemüt im Bereich Horror und Grusel bekannt bin. Trotzdem hat mich die Prämisse vom ersten Teil des Third Person Survival Horrors bereits begeistern können und ich wollte einfach wissen, wie die Story um Sebastian Castellanos weitergeht. Es gibt wohl kaum einen passenderen Release-Termin für das Horror Genre wie Freitag der 13 – natürlich ein wenig Klischee überladen aber durchaus ein Ausrufezeichen von Bethesda und Shinji Mikami’s Entwicklerstudio Tango Gameworks. Der erste Teil wurde auf der Bühne der Horror-Games entweder in den Vordergrund gestellt oder ganz schnell Richtung Requisitenbau geschickt. Ob The Evil Within 2 in diesem Jahr eine Hauptrolle in dem Tanz der Horror-Games bekommt, verrate ich euch im Test.

Die Wanne ist voll!

Nach den Ereignissen in der Beacon Nervenklinik ist Sebastian Castellanos ausgebrannt. Er ist wörtlich durch die Hölle gegangen und hat nichts mehr, an dem er Halt findet. Seinen Job als Cop hat er aufgegeben und hängt, wie es sich für einen guten Ex-Cop gehört, in einer Bar herum und trinkt sich einen über den Durst. Die bereits aus dem ersten Teil bekannte Juli Kidman taucht auf und benötigt Sebastians Hilfe. Aber warum sollte er noch einmal in ein solches Horrorszenario wie früher zurückkehren wollen? Ganz einfach, seine vor Jahren totgeglaubte Tochter Lily kam nicht durch einen Brand um, sondern wurde von der Organisation Mobius entführt und als Kern für ihr STEM-System genutzt. Seine verschwundene Frau Myra hatte das schon früher herausgefunden und sich Mobius angeschlossen, um die Organisation zu unterwandern. Sebastian wollte in seiner blinden Trauer und Schuldzuweisung nichts davon wissen. In der Hoffnung Lily tatsächlich retten zu können, steigt er ein weiteres Mal in die Wanne und taucht in das STEM ein. Mit einem Funkgerät kann er den Kontakt zur realen Welt und Kidman halten. Das STEM ist eine Maschine, welche die Gehirne miteinander verkoppelt, um auf elektrochemischer Ebene Gefühle, Erinnerungen und Wahrnehmungen miteinander teilen zu können. Sebastian taucht also in die Welt von Lily ein, welche die Stadt Union in ihrem Kopf erbaut hat.

Dort angekommen merkt Sebastian schnell, dass hier genau derselbe Mist läuft wie früher in Beacon und dass er Lily schnellstens finden muss. Auf seinem Weg trifft er neben den Zombie ähnlichen „Verlorenen“ aber auch auf Überlebende eines Einsatzsquads von Mobius. Aber was ist überhaupt hier passiert? Warum ist die Welt so ins Chaos gestürzt? Grund dafür sind Psychopathen, die sich durch die Tests von Mobius schummeln konnten, um an das STEM angeschlossen zu werden und die Welt nun sukzessiv zu übernehmen und nach ihren eigenen Gedanken umzuformen. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Alles nur in meinem Kopf

Die Welt im STEM bricht auseinander und Sebastian muss all seine gelernten Fähigkeiten nutzen, um sein Ziel so schnell wie möglich zu erreichen. Nachdem er in das STEM eingetaucht ist, fängt ihn aber zu allererst Stefano Valentini ab, ein ehemaliger Kriegsfotograf, der bei einer Explosion sein rechtes Auge verlor und daraufhin langsam dem Wahnsinn verfiel. Es gilt also zuerst ihm zu entkommen und Union zu erreichen, um sich ihm später entgegen stellen zu können. Hierzu durchsuchen wir Union nach Ausrüstung und treffen auf O’Neil, dem Techniker des Mobius Einsatztrupps, der irgendwie überlebt hat. Er erzählt uns, wie wir Union noch vor dem Zerfall bewahren können und dass wir dafür an Stefano vorbei müssen. Also heißt es ausrüsten für alle möglichen Situationen. Vorbereitung in The Evil Within 2 ist besser als Nachsicht, denn es mangelt ständig an Munition und Ausrüstung und man lebt quasi von der Hand in den Mund. Ressourcenmanagement ist extrem wichtig in The Evil Within 2, zwar können wir ohne Ende Materialien sammeln, aber unser Munitionsvorrat ist durch die Größe der dazugehörigen Taschen sehr begrenzt. Die Pistole mit drei zusätzlichen Magazinen sind in einer hektischen Situation schnell in den Wind geschossen und in einem offenen Nahkampf möchte man gegen die Verlorenen maximal dann gehen, wenn wir nur einem Gegner gegenüberstehen. Aber selbst bei nur einem Gegner ist es manchmal eher ratsam, die Beine in die Hand zu nehmen und das Weite zu suchen, was bei einfachen Gegnern aber auch gut möglich ist, denn man ist häufig deutlich schneller als die Kontrahenten. Wer allerdings denkt, er könne sich in der üblichen Zombiemanier auf einen LKW retten, wird schnell eines Besseren belehrt, denn unsere Gegner können klettern. Sollten man sich dann doch einmal gar nicht aus der prekären Lage befreien können, muss tief in die Tasche gegriffen werden. Denn während Sebastian an der Werkbank Munition günstig herstellen kann, muss er beim improvisierten Crafting deutlich mehr Herstellungsmaterialien verbrauchen. Die benötigten Materialien findet man in der Welt verstreut klassisch in Kisten oder bei erledigten Gegnern. Neben Munition, Spritzen zur Heilung und Sammelgegenständen bekommt man von Gegnern aber auch grünes Gel. Eine Währung, die sich als die Erfahrungspunkte des Spiels herausstellt.

Um diese einzulösen, müssen wir in einen sicheren Unterschlupf. Hier finden wir einen Spiegel, aus dem seltsame Musik dröhnt. Ein wenig strange ist das Ganze schon, wird aber damit erklärt, dass dies der Zugang zu einem sicheren Zufluchtsort für Sebastian ist. Eine Art Gedankenpalast, den nur er betreten kann und sich als sein ehemaliges Büro entpuppt. Hier ist ein Rollstuhl, der zu Tatiana führt, der Krankenschwester, die Spieler des ersten Teils bereits kennen. Wie sie immer noch im STEM existieren kann, ist ein ungeklärtes Geheimnis. Trotzdem können wir bei ihr unser gesammeltes grünes Gel gegen verbesserte Fähigkeiten einlösen. Neben dem grünen Gel finden wir gelegentlich auch noch rotes Gel, womit man höhere Stufen in den Fertigkeitsbäumen Gesundheit, Ausdauer, Schleichen, Kampf oder Erholung freischalten kann. Äquivalent zum Fertigkeitssystem lassen sich auch genauso Sebastians Waffen an der Werkbank verbessern. Durch gesammelte Waffenteile können Upgrades erkauft und mit speziellen Waffenteilen sogar höhere Stufen freigeschaltet werden.

Sebastians Waffenarsenal wächst im fortgeschrittenen Spielverlauf. Es beschränkt sich zwar auf vier bis fünf Waffentypen, weist aber auch hier ein wenig Abwechslung auf. Es können stärkere und schallgedämpfte Pistolen gefunden werden oder eine deutlich stärkere Schrotflinte. Ein wenig gezwungen wirkt allerdings die Einbringung der Armbrust. Diese kommt mit insgesamt fünf verschiedenen Bolzentypen, die teilweise sogar in Bosskämpfen benutzt werden müssen. So lassen sich Gegner einfrieren, elektrisieren, in Brand setzen, aufspießen oder mit Rauch ablenken. Auch wenn der Einsatz solcher Gadgets in Open World-Spielen durchaus bekannt ist, wirkt es in The Evil Within 2 ein wenig überflüssig. Ein paar passende Handgranattypen hätten hier denselben Zweck erreicht, ist aber vermutlich eine Frage des Geschmacks. Kampfenthusiasten und geübte Shooterfans sollten übrigens auf die Zielhilfe verzichten. Diese vereinfacht den Kampf immens, da wir dadurch immer auf die Schwachstelle des Gegners zielen. Das ist vielleicht für den Ungeübten eine immense Hilfe, drückt aber den Nervenkitzel nach unten.

Die Steuerung vom ersten Teil wurde von vielen als träge und zu langsam tituliert. Für ein Survival Horror Spiel hat es aber nach meinen Geschmack genau die richtige Mischung. Sebastian ist im Nahkampf recht ausufernd und der ausgeführte Schwunghacken muss ziemlich gut getimet sein. Daher greift man lieber auf den Schleichmodus oder das Waffenarsenal zurück. Die Stealth-Elemente werden im Spiel ab und an sogar zwingend notwendig, sind aber an den Stellen immer fair und gut intigriert. Wenn wir uns unbemerkt an einen Gegner heranschleichen können, schalten wir diese mit einem Messerangriff meistens sofort aus. Das gilt allerdings nur für die Verlorenen. Treffen wir auf höherstufige Gegner, braucht es schon mehr. Über eine Schultertaste lässt sich ein Auswahlmenü öffnen, was gleichzeitig auch die Zeit anhält und uns in Ruhe machen lässt. Man könnte es also auch als eine Art Panikknopf interpretieren, hier können wir auf unser Waffenarsenal zugreifen, Sebastian heilen oder auf das improvisierte Crafting-Menü zugreifen.

Die Freiheit zu erkunden

Wo wir bei Open World sind, ja auch The Evil Within 2 setzt im Gegensatz zu dem Vorgänger auf eine Art Open World. Aber eben nicht die Open World Ubisoft-Formel, an die ich immer wieder unwillkürlich denken muss, wenn ich den Genre Typus höre. Tango Gameworks setzt auf kleine offene Bereiche, die wir frei erkunden können und wechselt zwischendurch immer wieder in einen streng linearen Modus. In den offenen Bereichen können wir Nebenmissionen finden, welche uns häufig sinnvolle Upgrades bescheren und von der Art her nicht die typischen Nebenmissionen sind. Man kann The Evil Within 2 durchaus auch komplett ohne eben jene Missionen spielen, verpasst aber dann den ein oder anderen Storyfetzen. Mit dem Funkgerät können wir, neben den Kontakt zu Kidman, auch sogenannte Echos aufspüren, in der wir mehr über das Geschehene in Union erfahren. In den streng linearen Abschnitten setzt Shinji Mikami auf starke Inszenierungen. Durch die Prämisse der Welt kann sich hier voll und ganz künstlerisch ausgetobt werden. Auf dem Weg zu Stefano begegnen wir immer wieder seinen „Werken“ – Menschen, die genau in dem Moment mit seiner Kamera eingefroren wurden, als er sie tötete. Wenn diese „Kunstwerke“ dann noch von riesigen blutroten Vorhängen eingerahmt werden, stellen sich einem die Nackenhaare auf und man erlebt ein Wechselbad zwischen Ekel und Bewunderung. Auch die von ihm geschaffenen Monstrositäten jagen einem einen richtigen Schauer über den Rücken. The Evil Within 2 wartet mit teilweise wirklich deftiger Gewaltdarstellung und ein paar richtigen Mindfuck-Momenten auf. Das gilt vor allem für die Gestaltung der Gegner. Stefano ist natürlich nicht der einzige Antagonist im Spiel, aber für mich wohl einer der bemerkenswertesten gewesen. Durch das ganze Spiel passt sich die Welt aber immer an den Antagonisten an, der gerade das „Ruder“ in der Hand hat. Dabei verändert sich die Welt stets sinnvoll und bleibt abwechslungsreich.

Insgesamt wirkt The Evil Within 2 technisch ein wenig altbacken. Gerade wenn es um die Animationen der Menschen geht, hinkt man doch ein wenig der Zeit hinterher. Kleine Detailverliebtheit wie ein durchnässtes Hemd von Sebastian im Regen oder wenn er sich nach dem Einrammen einer Tür ein wenig die Schulter vor Schmerzen reibt, machen das Ganze aber ein wenig wett. Hier und da gibt es ein paar Clipping-Probleme, wo beispielsweise ein Baum durch die Veranda eines Hauses ragt und der Titel leidet auf der Xbox One gelegentlich unter Framerate-Schwankungen. Alles in allem ist die technische Darstellung aber ordentlich und teilweise gibt es auch wirklich interessante Kamerakniffe, die entsprechenden Situationen einen gewissen Nervenkitzel verleihen, dabei aber nie inflationär oder aufgesetzt wirken. Der hohe Detailgrad der Welt und die “Gore”-lastigen Animationen der Gegner lässt den ein oder anderen Fehler verschmerzen. Ein wenig schade ist, dass die entweder stark kritisierten oder hochgelobten Letterboxen aus dem ersten Teil, je nachdem welche Review man liest, erst nach einem vollständigen Durchlauf des Spiels freigeschaltet werden. Hier hätte ich die Wahl von Beginn an besser gefunden, da dem Spieler durch den engeren Sichtbereich noch mehr Übersicht genommen wird und man am liebsten einfach die ganze Zeit panisch wegrennen möchte. Der Soundtrack von The Evil Within 2 ist insgesamt recht unterschwellig und nie aufdringlich, dafür ist die Soundkulisse im Bereich der Effekte schaurig gut gelungen. Knackende Geräusch von Knochen, das Röcheln der Gegner und Knarzen der Türen haben mir schon ohne bildliche Darstellung den ein oder anderen Schrecken eingejagt. Bei der Lokalisierung wurde das ein oder andere Wortspiel dann allerdings doch zu wortwörtlich übersetzt, ist insgesamt aber solide.

Fazit

The Evil Within 2 macht viele Dinge, die im ersten Teil kritisiert wurden, besser. Möchte aber insgesamt ein paar seiner Kanten behalten und einfach nicht für jedermann zugänglich sein. Fans von Resident Evil 4 werden sich in Union durchaus schnell zurechtfinden und können sich für die Anspielungen, die The Evil Within 2 auf verschiedene Horrorfilme und Spiele macht, durchaus begeistern. Ich für meinen Teil ziehe tatsächlich nochmal in Erwägung, mich ein weiteres Mal im New Game Plus Modus auf die Suche nach Lily zu machen.

The Evil Within 2
Grafik/Präsentation
77
Story/Atmosphäre
84
Gameplay
83
Spielspaß
81
Leserwertung1 Bewertung
68
81