Gears 5 im Test – Ein Nerd sägt im Schnee

Bis auf Halo repräsentiert kaum eine andere Marke die Xbox so sehr wie Gears of War. 2006 erschien der erste, bei Epic Games unter der Leitung von Lead Designer Cliff Bleszinski entwickelte, Teil des brachialen Action-Feuerwerks für die Xbox 360 und definierte unter einem Hagel an Traumwertungen ein neues Genre – den Deckungsshooter. Es folgten zwei weitere grandiose Teile, die das Ende der ersten Trilogie rund um den Locust-Krieg thematisierten und der Reihe somit eigentlich ein würdiges Ende bescherten. Durch die finanzielle Stärke der IP erschien jedoch zunächst ein Prequel der besonderen Art. Gears of War: Judgement versetzt euch in die Zeit des „E-Day“ und präsentiert die Geschichte von Bairds schräger Vergangenheit im Kilo-Squad mit einer interessanten Erzählstruktur. Mit Einführung der Xbox One wurde schnell klar, dass man bei MS ungerne weiter auf die Einnahmen von Gears of War verzichten würde und kündigte eine neue Trilogie an. Der vierte Teil kam 2016, demnach hatte das Entwicklerstudio The Coalition gute drei Jahre Zeit sich ausgiebig am fünften Hauptteil auszutoben. Was uns neben der Namensänderung sonst für neue und alte Überraschungen in Gears 5 erwartet haben, verraten wir euch im Test.

Die Gang ist wieder vereint

Das Spiel macht ziemlich genau da weiter, wo der vierte Teil damals sein Ende fand. Titelheldin Kait Diaz muss auf unschöne Art und Weise erfahren, dass sie den verhassten Locust scheinbar nähersteht als sie oder ihre Freunde es vermutet hätten. Zunächst einmal will die KOR zum Start des Spiels aber eine geeignete Waffe im Kampf gegen den Schwarm in ihre Reihen zurückholen, um den Schwarm bekämpfen zu können – den Hammer der Morgenröte. Naja also die KOR möchte das eigentlich gar nicht, vielmehr ist der „Fenix Clan“ von dieser Idee sehr angetan, weshalb sie kurzerhand heimlich nach Jacinto aufbrechen. Das erste Kapitel dient als Story-Einleitung und Erklärung wie sich die Charaktere im Laufe des eigenen Spiels verhalten und entwickelt haben. Anschließend vergehen ganze vier Monate bis ihr in die Haut der toughen Kait schlüpft. Solche Zeitsprünge gibt es in der Erzählweise der Kampagne öfter. So beschließt Kait Diaz ,nach einem Angriff des Schwarms auf die neue Heimat der Nonkons, aufgrund eines tragischen Zwischenfalls endgültig ihrer Herkunft nachzugehen. Kait verfällt nämlich zusehends einer Art Wahnsinn und wird durch Tagräume und Visionen geplagt. Diese erlebt sie jedoch ausschließlich aus der Sicht der Locust, was sie natürlich sehr beunruhigt, da sie ja ein Mensch ist.

Wer bin ich und woher komme ich?

Überraschenderweise ist es nicht der jüngste Fenix-Spross, James Dominic, der Kait auf ihre Reise durch den Schnee begleitet, sondern der beste Freund der beiden, Delmont Walker, sowie die neuste technologische Meisterleistung Daemon Baids – Jack. Jack ist eine fliegende Roboter-Einheit, die euch mit allerlei Tricks im Kampf gegen den Schwarm zur Seite steht. Serien-Veteranen merken schon, dass eigentlich noch ein Platz in der Truppe frei wäre. Leider habe ich niemanden vergessen, die Gears 5 Kampagne lässt sich nur noch zu dritt spielen. Das ist ein wenig schade, weil man sich an die Vierertruppe halt irgendwie gewöhnt hat und bei zahlreichen Online-Freundes-Truppen jetzt eben einer auf der Strecke bleibt. Der Rest des Spielablaufs ist jedoch weitestgehend unberührt und wurde lediglich durch ein paar mehr oder weniger moderne Elemente erweitert. Auf einen harten Reboot, wie ihn zuletzt beispielsweise Kratos durchlebt hat, verzichteten die kanadischen Entwickler. Der Kern des Spiels ist also absolut erhalten. Diese Info freut jetzt Serienfans und verschreckt möglicherweise Leute, die mit Gears nie richtig warm wurden. Ist dann halt so.

Gears bleibt Gears – zumindest im Gameplay

Die Figuren steuern sich für Neulinge also noch immer etwas panzerlastig, rote Suppe und fleischige Brocken fliegen noch immer in Massen durch die Luft, ihr ladet weiterhin „perfekt“ nach und das Gameplay ist immer noch herrlich brachial und simpel. Gears of War verkörpert und definiert also auch im sechsten Ableger das Deckungsshooter-Genre genau so, wie es 2006 seinen Einstand auf der Xbox 360 feierte. Auf Knopfdruck „saugt“ ihr euch hinter eine Deckung und seid für eure Feinde somit nicht mehr angreifbar (es sei denn sie stehen seitlich von euch). Per linker Schultertaste geht ihr in den Kimme und Korn Zielmodus, lugt dabei über die Deckung hervor und gebt euren Feinden Saures. Steckt ihr dabei selber zu viel Schaden ein, nehmt ihr schnell den Kopf wieder runter und wartet bis ihr euch regeneriert habt. Das klingt jetzt steifer als es in der Realität ist. Die Gegnervielfalt zwingt euch regelmäßig dazu eure Deckung zu wechseln oder eine eigene Strategie gegen die anrennenden Horden zu entwickeln. Während euch Sniper aus dem Hintergrund aufs Korn nehmen, versuchen euch kleinere “Nahkampf-Larven” zu überrennen und euch aus der Sicherheit zu locken. Währenddessen nähern sich euch normale Locust und viele der Kämpfe (vor allem auf den höheren Stufen) arten in Stress und Chaos aus. Aber genau das wollen die Entwickler damit erreichen.

Jack – der fliegende Alleskönner der KOR

Das Konzept dahinter ist so einfach wie effektiv. Aber auch der fünfte Teil hat teilweise etwas mit dem Balancing zu kämpfen. So komme ich im Spiel im Grunde ohne wirkliche Probleme voran, aber scheitere dann einige Male an besonders schweren Stellen im Spiel, die es mit Gegneraufkommen und der Arena-Architektur überproportional “gut” meinten. Ein bisschen helfen kann euch dann, wie eingangs erwähnt, Jack. Im Laufe der Kampagne findet ihr für euren elektronischen Freund einige neue Fertigkeiten und Upgrades, die euch nützlich im Kampf unterstützen. So legt ihr Schockfallen aus, die eure Gegner schädigen wenn sie durchlaufen, verpasst euch für eine kurze Zeit ein unzerstörbares Schutzschild oder werdet durch eine Tarnvorrichtung einfach unsichtbar. In der Welt verteilt sind darüberhinaus etliche Komponenten-Teile, mit denen ihr diese Skills verbessern und ihnen sogar Nebeneffekte spendieren könnt. So erhalten Feinde die vom Scan-Impuls entdeckt wurden beispielsweise mehr Schaden oder eure Schockfalle wird mit einem praktischen Eis-Effekt gepimpt. Diese Neuerung mag bei Veteranen jetzt vielleicht für Skepsis sorgen, da die Reihe seit jeher auf solche Zusätze verzichtet hat, sie sind jedoch im Spiel-Alltag ziemlich unauffällig und dezent. Sogar so sehr, das ich sie in der Regel fast immer vergesse zu benutzen. Kurz: Gegner von solchen Neuerungen brauchen sich nicht ärgern, da man quasi während der Kampagne auf die Nutzung verzichten kann – ais auf ein paar gescriptete Momente.

Gears of Open World?

Eine für die Reihe definitiv unpassende Neuerung findet ihr in der Kampagne in Akt 2 und 3. Hier war man bei Microsoft offenbar der Meinung zwingend ein paar Open World Elemente ins Spiel einfließen lassen zu müssen. So fühlen sich besagte Kapitel wie eine Art eigenständiges Spiel oder Spinoff an. Auf einer von der reinen Größe her recht überschaubaren Karte findet ihr verschiedene Nebenaufgaben beziehungsweise kleine Gebiete. Diese sind jedoch bei Betreten doch wieder klar abgegrenzt und spielen sich dann wieder wie ein normaler Abschnitt sonst im Spiel. In der Praxis untersucht ihr abgestürzte Fracht-Hubschrauber (Kondore) oder Verstecke der Nonkons in denen ihr wie immer Gegner in einer Arena bekämpft und anschließend brauchbare Updates für Jack findet. Nach dem klassischen ersten Akt zog dieser Teil der Kampagne meine Lust aufs Spiel schon irgendwie nach unten. Klar, die Kämpfe spielen sich trotzdem gut und die Wege mit eurem Segelschlitten sind recht kurz, aber dieser Abschnitt fühlt schon sehr gewollt und eben unpassend an und sollten für den sechsten Teil bitte doch wieder entfernt werden.

Nach der Kampagne ist vor dem Multiplayer

Habt ihr die rund 10-12 stündige Kampagne hinter euch gebracht, warten neben einem CliffhangeNeben #Halo und #Forza ist #earr vor allem auch wieder Multiplayer-Modi auf euch. Neben dem obligatorischen Hordemodus, in dem ihr abermals maximal 50 Wellen aus Gegnern abwehren müsst, könnt ihr euch in diversen Versus Spielchen natürlich auch wieder gegenseitig die Lichter auspusten. Hier gibt es alte Klassiker wie King of the Hill, wo ihr zeitlich begrenzte Ringe einnehmen und dadurch Punkte verdienen könnt. Bei Team Deathmatch stehen jeder Seite 25 Leben zur Verfügung, sind diese aufgebraucht, gewinnt der Gegner die Runde. Aufstieg kehrt ebenso zurück und ist kreativ wie immer: Euer Team hat jeweils ein und die selbe Waffe und schaltet erst zur nächsten durch, wenn ihr mit dieser Kills erzielt. Auf diese Weise muss euer Team also mit jeder Waffe im Spiel einen Kill erzielen, damit die Runde gewonnen wird. Zum Start des Spiels funktionierte der Netcode bei ca. drei Millionen Spielern erstaunlich gut. Probleme mit Lags oder Verbindungsabbrüchen hatte ich persönlich nie und das Treffer-Feedback hat soweit immer gepasst.

Stellt euch gemeinsam dem Schwarm

Die erwähnte Horde wurde in Gears 5 natürlich auch entsprechend angepasst. Das Kern-Gameplay bleibt jedoch erhalten. In einer Gruppe von fünf Spielern gilt es gegen immer stärkere Horden aus Locust, Schwarm und KOR-Securitybots zu bestehen und euren Replikator zu verteidigen. Die Feinde auf dem Schlachtfeld hinterlassen “Energie”, welche als Währung dient und mit der sich Items und Befestigungen beim Replikator kaufen lassen. So baut ihr Zäune und Selbstschussanlagen um eure Feinde abzuwehren oder platziert automatische Waffenständer, die euren Ballermännern wieder ausreichend Munition spendieren. Clevere Teams nutzen diese primär für Spezialwaffen wie Sniper oder Boomshots. Es lassen sich jedoch sogar große Geschützwaffen wie der Mulcher oder Buzzkill damit wieder vollständig laden. Habt ihr genug davon gebaut, geht es den Bossen recht schnell an den Kragen. Energie könnt ihr wie gehabt im Replikator platzieren, so das alle Spieler damit Verteidigungsgegenstände kaufen können oder ihr investiert sie in euren eigenen Charakter und schaltet Verbesserungen frei. Wo wir bei Verbesserungen sind. Jeder spielbare Charakter übernimmt am ehesten eine eigene Rolle auf dem Spielfeld. Der ‘unsympathische’ Fhaz beispielsweise mimt den Sniper und startet mit Boltok, Markza und Longshoot. Emile aus Team Noble beispielsweise hielt schon bei der Verteidigung von Reach nicht sonderlich viel vom Campen und zieht mit seiner Gnasher in den Kampf. Alle Charaktere haben ihren eigenen Progress und dementsprechend auch wieder Vorteile und Perks die ihr mit Spielerkarten freispielen könnt.

Who you gonna call? Hivebusters!

Der neuste und wohl relevanteste Modus ist “Flucht”. Dieser basiert auf einer verrückten Story-Idee wonach sich die sogenannten Hivebuster von Schwarm-Häschern haben fangen lassen, um in ein großes Schwarmnest verschleppt zu werden. Dort angekommen befreien sie sich, zünden eine Giftgasbombe und versuchen dabei, dem Bau zu entkommen. Gespielt wird im Dreier-Team mit verschiedenen Charakteren, zu denen sich laut Entwickler nach und nach neue Figuren gesellen sollen. Aktuell habt ihr die Wahl zwischen drei Teammitgliedern. Keegan ist der Supporter der Truppe, der euer Team mit Munition versorgt. Lohni ist ausgebildete Späherin und markiert Feinde fürs Team und für mehr Schaden. Mac ist der Tank des Teams und hilft mit Schilden und Lebensbuffs aus. Eure Charaktere erhalten für jedes gespielte Match Erfahrungspunkte und steigen somit fleißig im Level. Wie bei der Horde könnt ihr dann jeweils Perk-Karten vor den Runden einsetzen um spezielle Boni zu erhalten. Diese verbessern sich je nach Schwierigkeit, was einer Art Pyramidensystem gleichkommt. So fangt ihr am besten “einfach” an, sammelt euch gute Bonus-Karten zusammen, um dann mit einem eingespielten Team dem Hive richtig auf die Eier zu gehen.

Wie aus Tristesse wahre Schönheit wird

Zum Ende der Generation sollte es fast schon nicht mehr wirklich verwundern, aber Gears 5 ist im Rennen um die neue Grafik-Referenz in klarer Favoritenrolle. Was The Coalition aus der Standard Xbox One zaubert kann sich wirklich mehr als sehen lassen. Klar, 4K und HDR sucht ihr vergebens, aber dennoch läuft der Titel auf der sechs Jahre alten Hardware mit den selben Assets wie auf der Xbox One X. Das ist schon aller Ehren wert. Auf der Xbox One X spielt der Titel optisch dann nochmal in einer ganz anderen Liga. Die Charaktermodelle erreichen ein nie dagewesenes Level an Details, die Beleuchtung samt Physik sucht ebenfalls ihresgleichen. Man wird es schon auf den Screenshots (Die von der Xbox One X stammen) sehen: Gears 5 legt die Optik-Messlatte nach ganz oben und spielt sich dabei butterweich. Besitzer der X haben auch hier wieder die Wahl zwischen Optik und Perfomance, sprich 60 Frames bei niedrigerer Auflösung oder die volle Optik-Dröhnung bei dann eben “nur” 30 Frames. Egal welcher Modus – das Spiel geht nie in die Knie.

Fazit

Kurz und Knapp: Gears 5 ist der erhoffte Blockbuster für die Xbox One geworden. Leider ist es schon 2019 und der Titel damit in seiner Wucht und Präsenz irgendwie schon ein wenig zu spät dran. Dieser Umstand ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass Gears 5 ein verdammt gutes Gesamtpaket geworden ist. Die Kampagne liefert euch eine spannende Story, bringt alte Freunde zurück ins Universum und bereitet alles für den letzten Teil der neuen Trilogie vor. Mit guten 10-12 Stunden, vielen Sammelstücken und diversen Schwierigkeitsgraden ist für Solisten soweit schon die Welt in Ordnung. Habt ihr eine aktuell gut besuchte Xbox Live Freundesliste legt Gears 5 natürlich noch ein paar Schippen oben drauf. Dann könnt ihr die Kampagne mit Freunden im Koop spielen oder euch am Horde -und Flucht Modus austoben. Hier gibt es einiges zu leveln und zu erreichen und mit der Ankündigung von immer neuen Figuren, sollte Langeweile auch ein Fremdwort sein. Den Schlusspunkt bildet  dann noch die Möglichkeit etliche Stunden im Versus-Multiplayer zu versenken. Das alles wird dann noch Tip Top optisch wie technisch präsentiert und ist für viele Spieler über den Gamepass sofort zum Start verfügbar.

 

Gears 5
Grafik / Präsentation
94
Story / Atmosphäre
85
Gameplay
88
Multiplayer
91
Spielspaß
90
Leserwertung11 Bewertungen
21
Die längste Kampagne der Serien-Geschichte
Mehr Umfang im Multiplayer geht kaum
Audiovisuelles Meisterwerk
Kein Schnick Schnack im Kern Gameplay
Aufgesetzte Open World Abschnitte
Schwierigkeitsgrad etwas unausgeglichen
90