Halo 5: Guardians im Test – Eine Legende kehrt zurück

In eigener Sache weisen wir darauf hin, dass sich dieser Test allein auf die Solo-Kampagne von Halo 5: Guardians bezieht. Der Multiplayer-Part wird nach Release unter den dann herrschenden “Wettkampfbedingungen” nachgereicht.

Vor vier Jahren feierten die 343 Industries mit Halo Combat Evolved Anniversary ihren Einstand in die wohl wichtigste exklusive Xbox-Marke überhaupt – Halo. Ein Jahr später erfolgte der Startschuss der geplanten zweiten Trilogie rund um den Master Chief. Viel Prestige, aber auch viel Verantwortung für 343 Industries. Halo 4 war schließlich das erste eigene Halo-Abenteuer der Jungs und Mädels aus Washington. Ziemlich viel Druck für ein neugegründetes Studio, da Microsoft zudem darauf erpicht war, die Serie mit Halo 5: Guardians spielerisch deutlich moderner in Szene zu setzen. Diese Aufgabe setzte 343 auch sehr ordentlich um. Weltweit verteilte die Fachpresse für Halo 4 überdurchschnittlich gute Wertungen. Vergoldet wurde dieser gelungene Einstand mit fast 10 Millionen verkauften Exemplaren auf der Xbox 360. Nun, drei Jahre später feiert das Studio eine andere Prämiere und der Druck ist mitnichten geringer geworden. Halo 5: Guardians ist das erste „Next-Gen-Halo“ und die Hoffnungen auf ein pralles Weihnachtsgeschäft liegen in den großen, gerüsteten Händen des Master Chiefs. Außerdem will man mit diesem Ass im Ärmel zumindest in den USA das Blatt zu den eigenen Gunsten wenden. Bewaffnet mit unserem Xbox One-Controller unterstützten wir die beiden rivalisierenden Spartan-Feuerteams im Kampf gegen die Allianz, wie die Blutsväter und begleiteten die acht Supersoldaten durch die längste Kampagne seit es Halo gibt.

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Gestartet wird diese bei Halo 5: Guardians jedoch nicht mit dem Master Chief, sondern seinem neuen Gegenspieler – Spartan Locke. Der ehrgeizige und stets nach Vorschrift handelnde Soldat ist der Anführer des Feuerteams Osiris, dass von Buck, Tanaka und Vale komplettiert wird. Osiris wird damit beauftragt, einem mysteriösem Signal nachzugehen. Die Erzählweise von Halo 5: Guardians gestaltet sich zweigleisig, denn quasi gleichzeitig geht das vom Master Chief angeführte Blue Team ebenfalls einem unbekannten Signal nach. Hierbei entdecken der Chief und seine drei Spartans Frederic, Kelly und Linda die Spuren von Team Osiris. Der Chief ist es auch, der bemerkt, dass es sich bei dem Signal um das der für verschollen bzw. zerstört geglaubten KI Cortana handelt. Als er von seinem Vorgesetzten jedoch die Anweisung bekommt, das Signal nicht weiter ernst zu nehmen, entschließt sich John-117 dazu, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen. Vom UNSC wird er dafür unter Strafe gestellt und man beauftragt Team Osiris, den Chief und sein Team Blue zu verfolgen und in Gewahrsam zu nehmen. So beginnt ein spannendes Katz und Maus-Spiel zwischen dem Master Chief und Spartan Locke, in welchem selbstverständlich auch alte Bekannte wieder einige tragende Rollen spielen werden. Zum Ende der Kampagne zieht die Spannungskurve aufgrund einiger Wendungen und Überraschungen noch einmal deutlich an. Generell erzählt euch 343 Industries eine gut inszenierte Geschichte, die von deutlich mehr Videos untermauert wird, als in den vorherigen Teilen. Die Videos sind dabei von unglaublich guter Qualität und liegen definitiv über dem geltenden Standard.

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Wie bereits erwähnt kündigte Microsoft im Vorfeld an, dass sich das Gameplay von Halo 5: Guardians etwas moderner präsentieren solle. Etwas eingerostet wirkte das Movement ohne Sprintfunktion der älteren Teile. Die Möglichkeit, sein Schießeisen in den Anschlag zu nehmen und somit etwas besser zielen zu können, vermisste so mancher Shooterfan ebenfalls. Bei Halo wurde bisher meistens aus der Hüfte gefeuert. Doch neben dem Sprint beherrschen die menschlichen Elitesoldaten mit griechischer Namensgebung nun auch das präzisere Schießen aus dem Schulterbereich. Das Ganze fühlt sich tatsächlich moderner, dynamischer und einfach flotter an. Somit hat Halo 5: Guardians die verdiente und zumindest von mir persönlich langersehnte Frischzellenkur erfolgreich verpasst bekommen. Auch wenn es sich einige Kritiker bestimmt nicht nehmen lassen werden, jetzt zu behaupten, Halo 5: Guardians ginge in Richtung Call of Duty. Meiner Meinung nach spielt sich der neueste Teil Saga noch immer genau so, wie man es von einem echten Halo erwartet. Unterstrichen wird dieser Eindruck von all den Waffen, Feinden und Fahrzeugen, die ihr aus dem Halo-Universum kennt. Sei es der pinke Elite-Schreck (Nadelwerfer), das Kampfgewehr, die Grunts, die euch auch hier wieder massenhaft Plasmagranaten liefern oder auch einfach nur die Ghosts – alles wirkt sofort angenehm vertraut. Freunde von Neuerungen könnten hierbei gleichzeitig auch enttäuscht werden. Wirklich neue Waffen findet ihr in diesem Halo-Teil nicht. Der Umstand, dass das Spiel euch jedoch ein Sortiment aus gefühlten 30 Feuerwaffen bietet, relativiert das Ganze schnell wieder. Ihr wählt schließlich frei aus den Arsenalen der UNSC, der Allianz und der Blutsväter.

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Der Master Chief hat sich seinen Veteranen-Status zwar schon in etlichen Abenteuern redlich verdient, bildet sich jedoch immer noch vorbildlich weiter. So bekamen die beiden Anführer der jeweiligen Feuerteams von 343 Industries noch zwei neue Moves mit auf den Weg. Befindet ihr euch in der Luft, könnt ihr nun einen vernichtenden „Stampfangriff“ auf eure Gegner loslassen. Dazu platziert ihr eine kreisförmige Ziel-Schablone am gewünschten Einschlagort und schon mimt euer Spartan die menschliche Dampfwalze Richtung Boden. Die zweite neue Fertigkeit ist etwas weniger spektakulär. Aus dem Sprint heraus lässt sich nun eine Rammattacke durchführen. Diese verursacht bei unachtsamen Allianzlern oder Blutsvätern für besonders heftige Kopfschmerzen. Alternativ lassen sich damit auch versteckte Levelrouten freilegen. Wie schon bei „The Legend of Zelda“ solltet ihr deshalb immer nach brüchigen Mauern Ausschau halten, die ihr einrammen könnt. Dahinter verbergen sich mal besonders effektive Ballermänner, sammelbare Datenpads oder eben alternative Wege, mit denen ihr den Gegnern herrlich in die Flanke fallen könnt.

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Ebenfalls neu ist die Tatsache, dass ihr euch nun permanent in einem Feuerteam aus vier Mitgliedern durch die Missionen bewegt. Im Singleplayer könnt ihr euren drei Kameraden rudimentäre Anweisungen geben. Zielt ihr auf einen Gegner und drückt das Steuerkreuz nach oben, gilt dieser als Primärziel und wird vom Team sofort unter heftigen Beschuss genommen. Das Squad lässt sich ebenfalls in bestimmte Richtungen steuern, falls man mal einen Flankenangriff wagen möchte. Auf „Normal“ und „Heldenhaft“ kann man seine drei Mitstreiter noch als so etwas wie eine Unterstützung bezeichnen. Spätestens auf „Legendär“ stehen die drei von der Tankstelle euch aber mehr im Weg rum, als das sie euch brauchbar unter die Arme greifen. Zu gerne rennen sie urplötzlich in eine Übermacht aus schwerbewaffneten Feinden, um dann sterbend hinter den feindlichen Reihen zu liegen und eure Hilfe anzufordern. Normale Waffentreffer zwingen euch, statt in den Tod, nämlich erst einmal auf die Knie und ihr könnt euch von euren Spartan-Kumpels in einem bestimmten Zeitfenster (die Dauer ist abhängig vom Schwierigkeitsgrad) wieder auf die Beine helfen lassen. Anders herum, könnt ihr euren CPU-Teamkameraden bei Unachtsamkeit ebenfalls aus der Patsche helfen. Ist die Zeit vorbei, verschwinden eure Freunde erst einmal aus der Schlacht, kehren nach einer Weile jedoch wieder zurück. Trifft euch selbst eine Granate oder ein explosives Geschoss, gehen die Lichter übrigens sofort aus. Auf Schwierigkeitsgrad “Legendär” ist es zwingend nötig, das Feuerteam stets manuell zur Vorsicht zu zwingen. Die Schwächen der Squad-KI zeigte sich im Kampf gegen zwei Hunter. Diese besonders robusten und mit überdurchschnittlich hoher Feuerkraft ausgestatteten Riesen treten jeweils paarweise auf. Zu allem Überfluss sind sie außerdem nur von hinten wirklich verwundbar. Nun wäre es wirklich clever sich im Raum zu verteilen, damit man einen Hunter jeweils abwechselnd aus verschiedenen Richtungen unter Beschuss nehmen könnte. Leider rennt die KI einem meistens nur recht stumpfsinnig hinterher, so dass der Hunter das gesamte Team immer im Blick behält und wir seine verwundbare Rückseite nicht wirklich zu Gesicht bekommen. Trommelt also am Besten ein bis drei Kumpels zusammen und nutzt den Vierspieler-Online-Coop-Modus. So hat man nach taktischem Totalausfall wenigstens einen lebendigen Sündenbock, den man über das Headset rund machen kann. Aber leider nur über das Headset. Der lokale Coop-Modus wurde im fünften Halo-Abenteuer gestrichen.

Rein optisch braucht das Spiel ein paar Missionen, um zu zeigen, was unter der Technikhaube steckt. Das Bild eurer ersten Einsätze ist eher von tristen Umgebungen gezeichnet. So verschlägt es die zwei Spartan-Teams öfter in das Innere von Raumstationen, die teilweise seit Jahren verlassen im All treiben oder ihr landet auf verglaste Planeten, die weder über eine Flora, noch Fauna verfügen. Bis auf wirklich schöne Lichteffekte kann die Engine bis hier noch nicht zeigen, was sie kann. Die Texturen wirken in diesen Levels stellenweise schlicht und echtes „Next-Gen-Feeling“ kommt nicht so recht auf. Spätestens aber nach der Ankunft auf dem Planeten Sanghelios zeigt sich Halo 5: Guardians von seiner Schokoladenseite. Die rötlichen Felslandschaften und die farbenfrohe Pflanzenvielfalt sehen einfach phänomenal aus. Freunde von Zahlenspielen können ebenfalls aufatmen. Halo 5: Guardians bietet dynamische 1080p und damit ein schönes, scharfes Bild. Besonderes technisches Schmankerl ist bei Halo 5: Guardians jedoch die Bildrate. Microsoft hat es im mitgelieferten Technikblatt angekündigt und die Kollegen von Digital Foundry haben es letzte Woche noch einmal bestätigt: zu wirklich keinem Zeitpunkt fällt die Framerate unter die magische Grenze von 60 Bildern pro Sekunde, sie ist felsenfest auf 60 FPS gelocked. Löblich sind zudem die Ladezeiten. Wollt ihr eure Kampagne fortsetzen, zaubert die Xbox One den Level nach ca. 15 Sekunden auf den heimischen Schirm.

Fazit

Drei Jahre mussten die Fans auf die Rückkehr des Master Chiefs nun warten und es hat sich definitiv gelohnt. Halo 4 ließ den Spieler 2012 mit vielen offenen Fragen vor dem Bildschirm sitzen und trieb den Begriff „Cliffhanger“ dabei auf die Spitze, wobei stets die Hauptfrage war, was eigentlich aus Cortana wurde. Die Antwort darauf bekommt ihr mit Halo 5: Guardians präsentiert. Die Geschichte über die Beziehung zwischen John und Cortana wird auf eine harte Probe gestellt und wirft nach dem Abspann erneut viele neue Fragen auf. Ohne zu spoilern kann ich euch versprechen, dass Teil 5 storytechnisch eine perfekte Vorlage und Brücke für den letzten Teil der Reclaimer-Trilogy darstellt. Denn die Ankündigungen, was uns in Teil 6 erwartet, sind auf jeden Fall legendär und wecken Vorfreude auf den Abschluss der Reclaimer-Saga. Halo-Fans werden selbstredend auch beim fünften Teil bedenkenlos auf ihre Kosten kommen. Neulinge könnten anhand der komplexen Geschichte etwas überfordert sein. Wer jedoch auf grandiose Shooter-Action steht, der wird mit Halo 5: Guardians in jedem Falle glücklich. Optisch brilliert das Spiel zwar erst nach einer Weile, das Leveldesign ist dafür gleich zum Start voll dabei. Schlauchige Parts wechseln sich mit größeren Kampfarenen ab, in denen ihr sogar alternative Routen nutzen könnt. Generell sind die freien Kampfgebiete perfekt designed und bieten dutzende, taktisch individuelle Möglichkeiten, gegen den Feind zu bestehen. Solospieler manövrieren gezielt ihr Feuerteam und Online-Zocker sprechen sich mit Freunden ab. Die Kampagne kommt mit 15 Missionen daher und bietet auch für Online-Muffel genügend Content. Wer also bisher noch auf einen Kaufgrund für eine Xbox One gewartet hat – Halo 5: Guardians liefert ihn!

Halo 5
Grafik/Präsentation
89
Story/Atmosphäre
90
Gameplay
92
Spielspaß
91
Leserwertung5 Bewertungen
48
91