Wolfenstein 2: The New Colossus im Test – Hitler muss immer wieder sterben

Was wäre, wenn Deutschland den zweiten Weltkrieg nicht verloren hätte? Was, wenn Deutschland die technologischen Geheimentwicklungen wirklich in dem Ausmaß gehabt hätte, wie es den Nazis nachgesagt wurde? Was wäre passiert, wenn Deutschland die Atombombe gehabt und auf New York geworfen hätte? Wäre es zu einer Kapitulation von den Vereinigten Staaten gekommen und hätten die Achsenmächte verloren? Die Wolfenstein-Reihe nimmt genau diese Thematik auf und stellt sich diesen Fragen.

Terror-Billy und das Regime

Wir übernehmen in einem solchen „Was wäre, wenn?“-Szenario die Rolle von William Joseph Blazkowicz, kurz B.J. oder Terror-Billy, wie sein Spitzname unter den deutschen Streitkräften ist. Dieser war auch schon der Protagonist in Wolfenstein: The New Order, welches 2014 den Start in eine Wolfenstein-Ära einleitete. B.J führte dort als Agent der OSA und Captain der US Army Ranger einen Angriff auf General Totenkopf an, verlor aber diesen Angriff als auch sein Gedächtnis und lag als Ergebnis 14 Jahre lang in einem vegetativen Zustand.

Die Welt ist dabei aber nicht stehen geblieben. Deutschland hat den Krieg gewonnen und hat die ganze Welt unterjocht. B.J. sieht den Kampf aber nicht als verloren an und schließt sich, nach seinem Erwachen, dem Widerstand an, um erneut gegen die Nazis anzutreten. Wir kämpften dabei gegen viele irrwitzige Waffen- und Gegnertypen, die nur aus den kranken Hirnen eines deutschen Naziwissenschaftlers stammen konnten: Mechanische Kampfhunde, so groß wie Stiere, Soldaten in mechanischen Anzügen, bei denen selbst Ironman ein wenig neidisch wird oder auch waffenstarrende Mechs.

Polen, Deutschland, Europa und dann den Rest der Welt

Gegen diese Naziausgeburten kämpften wir, angefangen in Polen über Deutschland, entführten ein deutsches Kommando-U-Boot in der Straße von Gibralta, die Hammerfaust, zerstörten die Nazibasis auf dem Mond und töteten letzten Endes auch General Totenkopf, unseren Erzfeind. Im Rahmen eines patriotischen Endes zahlten wir auch den ultimativen Preis für die Freiheit und zwar unser Leben. Terror-Billy opferte sich und wir sahen wie seine Freunde, die er am Ende rettete, ohne ihn davonflogen und der Captain seinen Verletzungen erlag.

Das Spiel beginnt mit doch eher einem seltsamen Anblick: Unser Held sitzt im Rollstuhl.

Genau hier fängt The New Colossus im Rahmen eines Rückblicks an. Es werden wichtige Schlüsselszenen erklärt und auch gezeigt, was nach The New Order passierte. Wir waren dabei mehrere Monate im Koma und erwachen eigentlich nur zufällig bei einem Angriff des Regimes auf unsere neue Heimatbasis, der Hammerfaust. Also bedeutet es als erstes die angreifenden Nazis zurück zu drängen. Gefesselt an einen Rollstuhl verbringen wir die ersten Abschnitte, bis wir den Supersoldatenanzug aus dem ersten Teil bekommen, eine Erfindung des Naziregimes. Dieser soll die Verletzungen aus dem ersten Teil ausgleichen und damit gehen wir auf die Jagd nach Hitler und General Engel, einer weiteren Antagonistin aus dem ersten Teil. Diese führt uns dabei in die von Nazis übernommenen Vereinigten Staaten.

Nicht nur Aufenthaltsorte von den Nazis erfahren wir dabei auf unserem Roadtrip durch die USA, nein, wir erfahren auch wie die Zivilisten, die Invasoren und die verteidigenden Truppen mit dem Szenario umgegangen sind. Vorrangig wird dies über Textdateien, zum Beispiel in Form von Briefen erzählt, die wir überall im Spiel finden.

Levels, die einem MG 08/15 Lauf gleichen.

Spielerisch sind die Levels sehr gradlinig aufgebaut. Wolfenstein 2 ist kein Open-World-Spiel und wir müssen immer von Startpunkt A zum Endpunkt B. Trotzdem überlässt uns das Spiel so viele Freiheiten, dass wir selber entscheiden können, ob wir ausschließlich ballernd durch die Gegend rennen oder doch verstohlen durch die Häusergassen schleichen und die Gegner ganz leise erledigen, zum Beispiel mit Beil oder Schalldämpfer.

Kämpfen dürfen wir hierbei eher klassisch mit einer Waffe oder im Akimbo-Style mit zwei Waffen, können dann aber nicht mehr durchs Visier oder über Kimme und Korn zielen. Die Auswahl der Schießeisen variiert zwischen Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehren bis hin zu schweren Waffen, die wir nicht Dual aufnehmen können, wie einer schweren Laserkanone.

In den Leveln sind dabei immer viele Gegenstände neben den Waffen und der Munition versteckt. Es reicht von den oben beschriebenen Textdateien bis hin zu Concept Arts. Diese sind auch sehr in das Leveldesign eingebaut und ich konnte nicht immer sofort auf Anhieb diese erkennen und so lohnt sich des Öfteren der Blick auf die Karte. Ab ca. der Hälfte des Spiels kommen sogar nochmal neue Mechaniken in das Spiel, welche von uns ein wenig Umdenken abverlangen und dadurch neue Wege und Alternativen anbieten, die nicht nur auf Verstecke begrenzt sind, sondern auch das generelle Gameplay ein wenig ändern.

Zwischen den Levelabschnitten verbringen wir die Zeit an Bord unseres U-Boots, auf dem wir unter anderem Enigma-Codes entschlüsseln, uns mit dem Widerstandsteam besprechen und auch neue Angriffe auf das Naziregime planen.

„Wenne doof guckst – Dann guckste doof!“

Die Grafik im Vergleich zum ersten Teil ist vor allem in Bezug auf die Lichteffekte besser geworden. Hier greift das olympische Motto: „Citius, altius, fortius“ – „Schneller, höher, stärker“ sehr gut und beschreibt es am besten. Es gibt mehr Effekte, bessere Effekte und auch größere Effekte. Diese zudem in Levelabschnitten, die im Vergleich zu The New Order bedeutend größer wirken.

Das Ganze geschieht aber nicht ohne Kosten. Zum einen wirken viele Gesichtsanimationen sehr lieblos und dadurch wirken manche Protagonisten als ob die nur „doof“ gucken würden und zu mehr auch nicht in der Lage sind. Zusätzlich wirken generell die Gesichtsanimationen nicht so sauber wie bei The New Order.

Dies tut dem Spiel aber nicht wirklich was ab. Gerade wenn es zu Sache geht, fällt sowas gar nicht auf und wir konzentrieren uns viel mehr auf die Effekte und die Gegnerhorden, die uns entgegengeworfen werden. Selbst bei Schleichattacken, bei denen wir den gegnerischen Soldaten mit einem Beil alle machen, stehen die „Splatterelemente“ im Vordergrund.

Deutschland und sein Problem mit Nazis in Videospielen

Nazis und das dritte Reich sind in Videospielen immer noch nicht gern gesehen. Dies liegt vorrangig an einem alten Urteil zu dem Original Wolfenstein 3D aus den 90ern. Dem liegt der §86 des Strafgesetzbuches zu Grunde, der das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt.

Hitler, ähm ich meine Herr Heiler, musste sich für das neue Wolfenstein sogar rasieren.

In Wolfenstein 2: The New Colossus wirkt sich das insofern aus, dass es keine Hakenkreuze gibt, dass das Dritte Reich und die Nazis nur Regime genannt werden, Ränge eher denen der heutigen international anerkannten Militärränge entsprechen, aber auch dass der „Führer“ Adolf Hitler nur mit Kanzler betitelt und in Herr Heiler umbenannt wird.

Dies ist auch in der Version in Österreich und der Schweiz der Fall. Generell gilt dies für alle deutschsprachigen Versionen. Es gibt keine die Symboliken und deutsche Sprache enthält.

Aber dies ist im Grunde nicht schlimm. Auch ohne Symboliken und dem Dritten Reich funktioniert das Spiel. Die deutsche Synchronisation ist auch technisch ganz gut umgesetzt. Einziger Schmerzpunkt, den man aber auch in den vorherigen Teilen hatte, ist, dass die deutschen Figuren in der internationalen und englischen Variante auch deutsch sprechen und dieser Effekt funktioniert in einem komplett deutsch synchronisierten Spiel einfach nicht. Ein Umstellen ist bei der deutschen Disc-Version auf die englische Sprache nicht möglich.

Fazit

Wolfenstein 2 macht alles das richtig, was eine Fortsetzung richtig machen kann. Die Story fängt da an, wo sie aufgehört hat. Die Spieler werden da abgeholt, damit man nicht in den eigenen Erinnerungen kramen muss und erklärt auch Spielern, die den ersten Teil nicht gespielt haben, wo man sich storytechnisch befindet. Auch die Effekte und die Levels sind toll aufgebaut.
Zwar wird es den einen oder anderen Spieler stören, dass die Level schlauchartig aufgebaut sind und man nicht, wie in vielen anderen aktuellen Spielen, ein Open-World hat. Dies ist aber kein Nachteil, da hier trotzdem eine tolle Geschichte angeboten wird, inklusive einem Gunplay, das einen Heidenspaß macht. Spielern, die lieber wie ein Assassine durch die Ruinen von Manhattan schleichen, für die gibt das Spiel auch genügend Freiräume.
Einzige Kritikpunkte sind eigentlich die Gesichtsanimationen und auch die Problematiken, die mit der deutschen Version einhergehen. Aber diese beiden sind nur kleinere Schönheitsfehler und machen aus Wolfenstein 2: The New Colossus kein schlechtes Spiel. Wolfenstein 2: The New Colossus ist mein persönlicher Anwärter auf das Spiel des Jahres.

Wolfenstein 2: The New Colossus
Grafik/Präsentation
87
Story/Atmosphäre
94
Gameplay
93
Spielspaß
95
Leserwertung0 Bewertungen
0
92