Watch Dogs Legion im Test – Einer für alle, alle für Einen

Aller guten Dinge sind drei. So denkt vermutlich Ubisoft mit Blick auf die Watch Dogs Serie. Naja, vermutlich wird nach Watch Dogs Legion nicht Schluss sein, aber ist der dritte Teil der Reihe wirklich gut? Nach dem so stimmungstechnisch aufgelockerten zweiten Teil, der bunt und fröhlich daherkam und in sich irgendwie einen Widerspruch darstellte, geht es vom sonnigen San Francisco in das regnerische London. Kann DedSec nun im vereinigten Königreich Fuß fassen?

Remember, Remember…

Watch Dogs Legion beginnt direkt mit einem kleinen Feuerwerk. Als Mitglied der Hacktivisten Gruppe DedSec versuchen wir einen Bombenanschlag auf das britische Parlament zu vereiteln. Im Hintergrund bekommen wir Instruktionen vom geheimen Hauptquartier und DedSecs hauseigener KI Bagley. Den Anschlag erfolgreich vereitelt, stellt sich aber heraus, dass das Parlament nur eines von vielen Zielen war und sich dahinter etwas Größeres verbirgt. Ein Hacker oder eine Gruppe namens ZeroDay begegnet unserem DedSec-Agenten und schaltet ihn aus. Gleichzeitig wird unser geheimes Hauptquartier angegriffen. ZeroDay hat diesen Anschlag ganz gezielt mit einigen Gruppierungen geplant und stürzt London so in einen Ausnahmezustand. Die Polizei verliert die Exekutive und an ihre Stelle tritt eine private Söldnerarmee namens Albion. Der Anschlag wird DedSec zugeschrieben und die Gruppierung ist komplett zerschlagen worden. Lediglich die KI Bagley und Sabine, die als einzige den Angriff auf das geheime Hauptquartier überlebte, sind übrig. Es gilt also: neue Rekruten für die Truppe ran zu holen und hier kommen wir ins Spiel. Nach der Tutorial Mission schlüpfen wir in die Rolle eines von uns gewählten neuen Mitglieds und fangen an den Widerstand neu aufzubauen, um London von ZeroDay, Albion und Co. zu befreien. Ubisoft kramt für das gesamte Writing ganz tief in der Kiste mit Verschwörungstheorien. Sei es die einleitende False Flag Geschichte, Polizeistaat, Untergrundaktivisten bis hin zu Flüchtlingen, die gechipt werden. Watch Dogs Legion trieft wieder nur so vor Klischees. Eigentlich steht das aber genau im Gegensatz zu der Aussage des Publishers, der sich doch immer so unpolitisch gibt. Tja und hier fängt das Problem auch irgendwie an. Die Story ist insgesamt zwar in Ordnung aber auch komplett durchschaubar. Ich möchte mit meinen Theorien, die ich direkt nach der Einführungsmission hatte nicht hausieren, da es das Ende verraten würde. Wenig bis keine Überraschungen und der Schuster bleibt hier bei seinen Leisten. Wer eine tiefgehende und komplexe Story erwartet wird hier enttäuscht.

Hinter dieser Maske steckt kein Fleisch. Hinter dieser Maske steckt eine Idee und Ideen sind kugelsicher!

Im besonderen Fokus steht hier aber, dass wir dieses Mal eben nicht einen einzelnen Helden spielen, sondern zwischen den von uns eigens rekrutierten Mitgliedern von DedSec wechseln können. Wer kann sich in Watch Dogs Legion DedSec anschließen? Jeder! Ob Obdachloser, Gewerkschaftsleiter, Bauarbeiter, Attentäter oder Söldner. Jeder darf mitmachen, wenn er der Sache dient. Es gilt London zu befreien und die Gesellschaft dazu zu bewegen sich gegen Albion und ZeroDay aufzulehnen. Neue Rekruten können wir für uns gewinnen, in dem wir ihnen bei ihren Problemen helfen. Diese Probleme werden augenscheinlich aus einem Baukastensystem für Nebenmissionen prozedural erstellt. Sei es die Beschaffung von Daten oder Gütern oder die Infiltrierung eines Ganglagers. Nach der zehnten Mission erkennt man ein gewisses Schema.

Jeder potenzielle Rekrut hat ein zufällig generiertes Skillset. So haben die einen besondere Waffen oder haben ein eigenes Fahrzeug. Andere können Drohnen herbeirufen oder sich direkt in gegnerische Systeme hacken, was man sonst eigentlich erst freischalten müsste. Es gibt aber auch negative Eigenschaften. So sind manche in der Bewegung eingeschränkt und können beispielsweise weder Klettern noch in Deckung gehen. Andere haben Darmprobleme oder Schluckauf und werden beim Schleichen schneller von den Gegnern entdeckt. Die Idee den Spieler nicht mehr an nur eine Figur zu binden ist im Grunde nicht neu aber erfrischend anders. Leider bringt diese Neuerung aber auch Nachteile. Der Protagonist beziehungsweise die Protagonisten sind nur noch leere Hüllen und bekommen keinerlei Tiefgang. Die „Akte“ die man von den Statisten erhält, ist einfach insgesamt zu dünn, um sich in die Lage hineinzuversetzen und auch die Dialoge sind dementsprechend flach und unpersönlich.

Der gläserne Bürger

London ist nun die dritte Stadt, die mit ctOS ausgestattet wurde. Ein System, was vor allem eines macht: Daten über alles und jeden zu sammeln. Aber es steuert auch den autonomen Verkehr, Überwachungssysteme und alles sonst wo man sich als Technikfreak gerne hinein hacken würde. Praktisch! Denn so werden die Mitglieder von DedSec mittels ihres Smartphones zu Technikgöttern und spähen so feindliche Gebiete aus, schubsen Fahrzeuge auf der Straße aus dem Weg oder übernehmen gegnerische Waffensysteme. Halt all das was auch die anderen Watch Dogs Teile bisher ausgemacht haben. Hier wird das Rad halt auch nicht neu erfunden. Um die Stadt auf die Seite von DedSec zu ziehen, gilt es jeden Bezirk zu befreien. Hier gibt es in jedem Bezirk drei generische Missionen, ähnlich der Rekrutierungsmissionen. Nach einer werden alle verfügbaren Technikpunkte auf der Karte angezeigt. Diese werden wiederum benötigt, um neue Fähigkeiten freizuschalten oder Waffen zu verbessern. Es gibt also eher eine Art Shop als einen Skilltree. Die, über Technikpunkte freigeschalteten, Fähigkeiten sind für alle DedSec Mitglieder verfügbar. Neben weiteren Sammelitems, die aber keine weitere Auswirkung auf das Gameplay haben, gibt es noch die Kryptowährung ETO, mit der man sich beispielsweise neue Klamotten kaufen kann.

Mittels der Metro können wir an bereits bekannte Orte via Schnellreise gelangen, was bei dem dichten Straßenverkehr auch die von mir bevorzugten Fortbewegung ist. Die Fahrphysik der Autos ist zwar in Ordnung, aber durch den extrem dichten Stadtverkehr und die belebten Straßen passiert es häufig, dass man mit zu viel Speed mal in eine Menschenmenge auf dem Gehweg rast. Der Polizei ist das allerdings komplett egal. Frei nach dem Motto: Lass du mich in Ruhe und ich lasse dich auch in Ruhe. Das bricht allerdings auch wieder mit der Glaubhaftigkeit der Welt. Eine private Söldnerarmee übernimmt die Aufgaben der Polizei aufgrund Unfähigkeit eben Dieser? Das passt einfach nicht zusammen.

Auch scheint es Albion nicht zu stören, wenn wir herumfliegende Drohnen oder Kameras aus sicherer Distanz übernehmen und die Gebiete ausspähen. Problematisch wird das nur, wenn wir das in gesperrten Gebieten machen und dabei gefunden werden. Aber was solls, dann machen wir das eben von der Straße aus und aktiveren gegebenenfalls sogar schon Fallen um die Anzahl der Feinde ein wenig zu verringern. Neu hinzugekommen sind die verschiedenen Arten von Drohnen und der kleine ferngesteuerte Rover wurde durch eine Spinne ersetzt. Da DedSec den Menschen kein Leid zufügen will, sind die Agenten mit nicht tödlichen Waffen ausgestattet. Na ja zumindest bis man die ersten Spezialisten bekommt die dann einen Granatwerfer oder ein schweres LMG bei sich tragen. Konsequenz? Keine! Der Spieler soll sich frei entwickeln dürfen. Mich stört es aber dann doch irgendwie. Aber Watch Dogs hatte im Vorgänger ja schon genau dasselbe Problem. Das Gunplay ist eine einfache Deckungsshootermechanik kombiniert mit dem Aktivieren von Fallen oder Übernehmen von feindlichen Abwehrsystemen.

Es ist nicht alles neu was glänzt

Zuallererst: ich habe Watch Dogs Legion auf der Xbox One X getestet und somit ohne Features wie RayTracing oder ähnliches gespielt. Dennoch sieht das Spiel alles in allem gut aus, hat aber seine technischen Einschränkungen. Bei zu vielen Lichteffekten bricht in Ausnahmefällen die Frame Rate ein und während einer zügigen Autofahrt durch den dichten Londoner Stadtverkehr glänzt das Spiel mit aufpoppenden Objekten und nachladenden Texturen. Das ist aber alles noch im Rahmen für ein Open World Spiel. Wirklich nervig sind Probleme mit Ereignissen die getriggert werden sollten. Wenn man schon mehrere Anläufe für eine Mission braucht, es dann bis zum Ende schafft, und dann hoffnungsvoll den Button für den Fahrstuhl drückt passiert gelegentlich einfach NICHTS. Also neu Laden und den ganzen Mist nochmal. Hier hoffe ich, dass solche Probleme zeitnah mit Patches gelöst werden. Um noch einmal das Problem mit den rekrutierbaren NPCs aufzugreifen: hier habe ich mir schon bei der Vorstellung des Spieles die Frage mit den Synchronstimmen gestellt. Wie schnell begegne ich wohl einer Figur, die dieselbe Synchronstimme hat wie meine Figur? Naja es ist mit zwei Protagonisten während des Spielverlaufes passiert und das spricht wohl für sich. Auch wenn auf dem Papier zwischen 50 und 100 verschiedene Synchronstimmen stehen und eine digitale Veränderung, um diesem Problem möglichst stark entgegenzuarbeiten. Die Radiosender in Watch Dogs Legion machen leider auch wenig Spaß. Kaum Bekanntes, zumindest aus meiner Sicht, und wenig eingängig. Lediglich der Klassik Sender macht irgendwie in Verbindung mit London Spaß. Mit dem Ritt der Walküren durch die Londoner Innenstadt zu preschen hat etwas für sich. Einziger Lichtblick in der Vertonung ist wohl noch Bagleys zynischer Humor und seine Abneigung gegen die menschlichen Schwächen. Der aber genau im Gegensatz zu der allgemein düsteren Stimmung von Watch Dogs Legion steht.

Fazit

Während man an den einzelnen Spielkomponenten überall etwas zu kritteln findet funktioniert das Gesamtpaket noch erstaunlich gut. Es sorgt für eine angenehm seichte Unterhaltung und beschäftigt rund 30 bis 40 Stunden. Allerdings dürfte der Schwierigkeitsgrad ruhig noch etwas angezogen werden, denn selbst auf höchstem Schwierigkeitsgrad ist das Spiel insgesamt noch zu einfach. Lediglich mit aktiviertem Permadeath unserer DedSec Mitglieder kommt ein gewisser Nervenkitzel auf und man überlegt doch zweimal, ob die Holzhammer-Methode für ein Missionsgebiet die Richtige ist. Alles in allem würde ich mit dem Kauf des Spieles aber noch auf einen günstigeren Preis warten. Eine Empfehlung zum Vollpreis kann ich hier nicht geben.

PS: Es soll noch ein Multiplayer Modus integriert werden. Aktuell ist dieser aber auf nächstes Jahr verschoben. Wann dieser genau veröffentlicht wird, ist noch nicht bekannt

Watch Dogs: Legion
Präsentation (Grafik, Sound)
75
Story, Atmosphäre
69
Gameplay
76
Spielspaß
77
Leserwertung0 Bewertungen
0
Interessante Spezialisierung der einzelnen NPC
Gute Neuerung mit den verschiedenen Drohnen
Schwaches Writing
Technische Probleme
Wenig immersiv und zu häufig Wiedersprüchlich
74