Typoman im Test: Scrabble für Gamer

Es ist die perfekte Indie-Game-Erfolgsstory: Kleines Bonner Entwickler-Studio, kreatives, innovatives Game-Konzept mit unverwechselbarem Stil, bereits vor Erscheinen ein Haufen Preise eingeheimst und nach Nintendo Wii U, PC und Mac jetzt auch für Xbox und PS4 erschienen. Während der Gamer von heute in Neverending-Storys von Triple A-Reihentiteln versumpft, in denen die größte Abwechslung manchmal nur darin besteht, dass der Held ein anderes Outfit trägt oder ein Waffenskin geändert wurde, freut man sich, dass es wirklich noch was Neues in der Gameswelt gibt … und seien dies auch nur Buchstaben.

Dunkle Buchstabensuppe

Beim ersten Spielen von Typoman wird dem ein oder anderen sicher Limbo durch den Kopf gehen, ein anderer Vertreter derjenigen Indie-Games, die immer wieder beweisen, was für Goldschätze in kleinen Entwicklerstudios begraben sind. Das düstere Setting in Schwarz- und Grautönen, dessen Locations von zerfallenen Häusern, Schreckenswäldern, Industrieanlagen  und Höhlen das Horror-Ambiente unterstreichen sowie die Silhouetten-artigen Monster, die an H.R. Gigers Alien erinnern, all dies passt zum Gesamtkonzept von Typoman, das ähnlich wie Limbo einen Geniestreich dahingehend leistet, ein Game des Minimalismus zu sein. Denn alle Elemente fügen sich dank dem gleichbleibenden, zurückhaltenden Stil harmonisch zu einer dichten Atmosphäre und machen Platz dafür, worauf es ankommt: die Spielmechanik. Und die gestaltet sich als wahres Innovationselement. Unser namenloser Held, ein kleines Buchstabenmännchen, das sich gleich im Prolog selbst zusammenbaut (Das „O“ bildet den Kopf, das „H“ die Beine, ein „E“ den Oberkörper“) begeht eine Odyssee durch eine namenlose Buchstabenwelt, mit unbekannter Aufgabe und unbekannten Gegnern und Helfern. Das Einzige, was unser kleines Buchstabenhäuflein kann, um in dieser surrealen Welt zu bestehen, ist Wörter zusammensetzen. Richtig gehört: unser Held kann sich nur auf unseren Grips verlassen, um aus einem Berg an Buchstaben die richtige Wortkombination zu finden, die Bestandteil der kniffligen Rätselaufgaben sind. Das kann sich derart gestalten, dass wir um einen Fahrstuhl nach unten zu bewegen, aus einem Wörternest „O“, „N“, „W“ und „D“ ein „DOWN“ bauen. In einem anderen Levelabschnitt müssen wir ein Gasfeld durchdringen, deren grüne Nebel stets mit einem „GAS“ gekennzeichnet sind. Wer in der Nähe ein „P“ findet, kann sich zusammenreimen, wie man dieses Hindernis meistert, indem man daraus ein neues Wort bildet. Diese und viele weitere Wortspiele begleiten den Spieler, dabei haben die Entwickler äußerst viel Kreativität walten lassen, wenn man in der Knobelei neue Wortschöpfungen bastelt. So kann das Wort „RAVE“ dafür sorgen, dass Disko-Licht über den Bildschirm flimmert, „SAD“ verwandelt das „O“-Gesicht von Typoman in entsprechendes Smiley. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, da das Suchen und stundenlange Experimentieren mit den Wortansammlungen den hauptsächlichen Spaßfaktor des Spieles bildet.

Der Held auf seiner Reise

Neben Limbo als Atmosphäre-Inspiration erinnert Typoman von seinem Story-Zugang her – wenn Story überhaupt das richtige Wort ist – an Journey von thatgamecompany. Unser Archetyp von Held wird aus dem Nichts in diese Welt gelassen und gerade dieses Nichts an Informationen, das Geheimnisvolle, erzeugt anhaltende Spannung. Nur vereinzelte Anführungszeichen, die Typoman in versteckten Bereichen des Spiels finden kann, offenbaren mystisch-angehauchte Zweizeiler als Heldenweisheiten und oftmals auch Spieletipps zum Weiterkommen. Neben einigen Bösewichten, die aus zwielichtigen Ungetümen bestehen sowie einem bildschirmfüllenden Drachenwesen erscheint Typoman auch ein fliegendes Helferlein, das mit goldenen Flügeln an einen Engel erinnert. Nicht nur einmal hilft es Typoman und rettet ihn aus brenzligen Lagen, gibt ihm auch Führung für das Weiterkommen. Das erinnert unschwer an eine Mentoren-Figur und passt zum Gesamtkonzept von Typoman, das unterschwellig die Heldenreise von Joseph Campbell wiedergibt, einer Gebrauchsanleitung in Romanform dafür, wie Geschichten und Mythen an sich entstehen. Auch Journey besitzt Anleihen dieses Werks, Typoman sticht gar mit einem noch größeren Bezug zum Geschichtenerzählen hervor, besteht nicht nur der Held, sondern auch seine Welt selbst aus der Essenz, woraus jede Geschichte besteht: Wörter und Buchstaben.

Behäbiger Wortakrobat

Passend zur Grundidee des Spiels gestaltet sich auch die Steuerung von Typoman zweckmäßig und einfach. Außer Laufen, Springen, Festhalten und der Benutzen-Taste für die Buchstaben kommt das Game ohne größere Steuerungsvariation aus. Leider wirkt unser Buchstabenheld im Ganzen gesehen etwas schwerfällig, das macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn man die gespickten Jump’n’Run Einlagen durchquert. Andererseits ist Typoman auch kein Super Mario, weswegen dies auch zum Ambiente des Spiels passt. Abgerundet wird letzteres zudem durch einen – wie überraschend – minimalistischen Sound, der verhalten im Hintergrund agiert und entsprechende Momente und Szenen untermalt.

Trotz des (wenigen) Drumherums bleiben die Spaßträger des Spiels natürlich die Buchstabenrätsel, die von Plattform-, Fahrstuhl-, Schalteraufgaben und vielen weiteren Mechanismen und Ideen reichen. Der anfangs gepriesene Minimalismus aus einheitlicher Harmonie des Game Designs, die zugunsten der Spielmechanik zurücksteckt, kann sich jedoch in weiteren Spielerlauf auch als tückisch erweisen: Denn wer nichts mit Buchstabenbauen am Hut hat und dem nichts abgewinnen kann, der wird mit Typoman wenig Freude finden. Auch wer eher kurzweilig an Wortspielereien Spaß hat, wird womöglich auf Dauer gähnen. Tragendes Element bei Typoman sind eben die Buchstabenknobeleien, jeder der bei Scrabble-Spielabenden das Weite sucht, der sollte die Finger davonlassen. Wer hingegen ein Faible für Sprache und Games hat, der wird hier eine innovative Verbindung beider Komponenten erfahren, die wunderbar zu einer Einheit verschmelzen und als Endprodukt Spielspaß hervorbringen.

Fazit

Typoman tut nicht nur so, es ist wirklich ein kleines, kreativ-inspirierendes Indie-Werk, wie es im Buche steht. Abseits vom Mainstream beweist das kleine Wortbastler-Spiel im Jum’n’Run-Setting mit angenehm düsterem Design à la Limbo und einem Touch Dramatik im Stile von Journey wofür die Indie-Game-Szene steht: frei von allen Konventionen unabhängig kleine Experimentier-Spiele zu basteln, die Spieler für sich gewinnen, welche sich am Games-Einheitsbrei sattgegessen haben und das gewisse Etwas suchen. Und dies erfüllt Typoman allemal. Scrabble-affine Gamer werden eh ihren Spaß daran haben, aus Buchstabenbergen neue und immer neue Kreationen zu finden – und vielleicht mit einer Animation belohnt zu werden – jeder der Abwechslung vom Games-Alltag sucht ist ebenso an der richtigen Stelle.

Typoman
Grafik/Präsentation
86
Story/Atmosphäre
87
Gameplay
85
Spielspaß
82
Leserwertung0 Bewertungen
0
85