Zum Ende der PS3 Ära brachte Naughty Dog mit The Last of Us ein erzählerisch sowie inszenatorisches Meisterwerk auf die Konsolenbühne. Neben einem bildlich sehr beeindruckenden und glaubhaft dargestellten postapokalyptischen Amerika, war es vor allem die persönliche Geschichte rund um den Hauptprotagonisten Joel und seiner jungen Begleiterin Ellie, die damals sowohl Fachpresse als auch Spieler gleichermaßen lobten. Zwischen den beiden entwickelte sich im Verlauf eine packende sowie authentisch wirkende Vater-Tochter-Beziehung die in einem dramatischen Finale mündete und Joel vor eine schwerwiegende Entscheidung stellte.
The Last of Us 2 erzählt uns diese Geschichte nun, hauptsächlich, aus der Perspektive von Ellie weiter. Doch für viele wird sich diese Fortführung der Geschichte wie ein Schlag in die Magengrube anfühlen…und das schon recht zu Beginn der Geschichte! The Last of Us 2 wird uns mit auf eine Reise nehmen, die von Feindschaft, Zorn und Gewalt erzählt. Wie sich der zweite Teil der Endzeitgeschichte spielt und welche Eindrücke wir dabei sammeln können, klärt der folgende Test für euch.
Trügerische Idylle
Die Welt von The Last of Us 2 spielt, wie auch der erste Teil, in einem postapokalyptischen Amerika. Ein eigenartiger Pilzbefall hat einen Großteil der Bevölkerung in zombieähnliche Monster verwandelt, die seither Jagd auf die letzten Überlebenden machen. Die Menschen haben sich in teils sehr unterschiedlichen Gruppen neu organisiert und sich in den verschiedensten Bereichen des Landes niedergelassen. Joel und Ellie haben sich, wie am Ende des ersten Teils angedeutet, in der Stadt Jacksontown niedergelassen und führen hier ein, für postapokalyptische Verhältnisse, recht annehmliches Leben. Die mittlerweile 16 jährige Ellie muss sich mit den alltäglichen Problemen des Erwachsenwerdens und ersten Liebesbeziehungen rumschlagen, während Joel versucht seiner Rolle als Ziehvater so gut es geht gerecht zu werden. Doch schnell wird deutlich, die Beziehung zwischen den beiden scheint seit den Ereignissen des ersten Teils stark gelitten zu haben. Aus irgendeinem Grund scheint Ellie eine tiefgreifende Abneigung gegen Joel zu entwickeln, die über das vergleichsweise harmlose Pubertieren hinausgeht. Kennt Ellie etwa das tragische Geheimnis um Joels Entscheidung aus dem ersten Teil oder gibt es auch noch andere Gründe für ihr ablehnendes Verhalten? Bis wir eine Antwort auf diese Frage erhalten, werden wir Zeuge einer packenden Geschichte, deren Dramatik sich in einer Spirale der Gewalt immer weiter zuspitzen wird.
Reise ins Ungewisse
Ein tragisches Ereignis lässt die Situation rund um Ellie und ihren Angehörigen eskalieren und kurzer Hand macht sie sich mit ihrer ersten großen Liebe Dina auf den Weg, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Ziel ihrer Reise ist diesmal die Stadt Seattle oder zumindest das, was nach dem Untergang noch davon übrig geblieben ist. Spätestens hier zeigt sich eine der ersten großen Stärken aller bisherigen Naughty Dog Spiele. Die Grafik und das Artdesgin sehen fantastisch aus und lassen die betagte Playstation 4 bis zum Anschlag aus den Lüftern husten. Ein schöneres Spiel hat es vom grafischen Aspekt her noch nicht auf der PS4 gegeben. Das Design mit seinen verfallenen und zum großen Teil wieder von Pflanzen bedeckten Hochhäuserruinen hat mich das ein oder andere Mal einfach mitten im Spiel anhalten und die Aussicht genießen lassen. So schön hat man sich das Ende der Welt wohl noch nie ausgemalt.
Zudem läuft das Spiel auch jeder Zeit angenehm flüssig, selbst wenn auf dem Bildschirm gerade viel los ist oder sich Szenerien monumentalen Ausmaßes vor unseren Augen abspielen, läuft das Spiel stets ruckelfrei.
Doch das sind, wie betont, alles Sachen, die wir von einem Naughty Dog Spiel spätestens seit dem ersten Uncharted gewohnt sind. Eine viel interessantere Frage wird sein, wie es um die spielerischen Qualitäten von The Last of Us 2 steht.
Suchen, Erforschen, Kämpfen, Überleben
Oft haftet Naughty Dog Spielen der Ruf an, zwar inszenatorisch und technisch immer überzeugen zu können, jedoch in Puncto Gameplay oft etwas zu beliebig und generisch zu sein. So grandios die Schusswechsel in Uncharted auch waren, es gab seiner Zeit spielerisch immer bessere Vertreter. Auch die Schleich und Kampfmechanismen im ersten The Last of Us waren zwar packend inszeniert, stellten sie jedoch vom Aspekt des Gameplays her nichts Herausragendes dar.
Wie sieht es in diesen Punkten bei The Last of Us 2 aus? Grundlegend hat sich an den Spielmechanismen des Vorgängers nicht viel geändert. Man bekämpft Infizierte oder menschliche Gegner entweder durch anschleichen und still ausschalten oder in einem offenen Schusswechsel über die bekannte Schultersicht. Zwischen den Kämpfen durchsuchen wir die verlassenen Gebäude nach brauchbaren Gegenständen mit deren Hilfe wir in einem vereinfachten Craftingsystem wichtige Gegenstände wie Medipaks, Munition oder Sprengfallen herstellen können.
Im zweiten Teil wurden diese Grundmechanismen des Spiels jedoch noch weiter verfeinert und ausgebaut. Das geschieht ebenfalls auf mehreren Ebenen. Zum einen sind die Areale in denen gekämpft wird viel weitläufiger als noch im ersten Teil. Gleichzeitig agieren die Gegner, vor allem in Form feindlicher Menschen, wesentlich intelligenter. Sie laufen nicht mehr blind jedem Geräusch hinterher sondern sprechen sich untereinander ab „Halte du Wache, ich schau mal nach“. Sie beherrschen gewisse Grundmanöver wie das Flankieren von Deckungen oder Suchen in Feuergefechten nach geeigneten Schutz. Zudem unterscheiden sie sich auch bezüglich ihrer Fähigkeiten. Große stämmige Hünen mit einem Vorschlaghammer bewaffnet, werden sich entsprechend ihrer Physis verhalten und immer den Nahkampf suchen. Einen gänzlich neuen Gegnertyp stellen die Wachhunde dar. Sie können jederzeit euren Standort erschnüffeln und so ihre „Herrchen“ auf euch hetzen. Natürlich greifen euch die Hunde auch selbst an. Zum Glück besitzt Ellie auch einige Fähigkeiten, die es so im ersten Teil noch nicht gab. Neben der geduckten Haltung im Schleichmodus, mit dessen Hilfe ihr weniger Geräusche verursacht, können wir nun auch in einen Kriechmodus gehen. Hier bewegen wir uns zwar noch langsamer, können uns aber in Außenarealen im hohen Gras oder unter LKW-Fahrzeugen verstecken und sogar an unsere Feinde heranschleichen. Auch schießen können wir aus dieser Position, doch Achtung, die Gegner schauen auch unter Betten oder Fahrzeugen nach euch! Zudem kann Ellie Sprengfallen herstellen um gewisse Bereiche verminen oder Gegner mit Rauchgranaten kurzfristig ablenken. Mit Hilfe von selbstgebauten Schalldämpfern reduzieren wir die Schussgeräusche, so dass wir auch aus der Ferne leise töten können ohne direkt entdeckt zu werden. Dasselbe gilt natürlich auch für den Bogen für den sich später im Spiel sogar Explosivpfeile herstellen lassen, wobei diese natürlich alles andere als leise sind.
Bei dem Kampf gegen die Infizierten, den sogenannten Clickern, müssen wir uns taktisch etwas anders verhalten. In ihrem frühen Stadium der Infektion können sie uns noch sehen, greifen aber frontal und recht unkoordiniert an. Lediglich in ihrer Geschwindigkeit und wenn sie in großer Zahl auftreten, stellen sie für uns eine echte Herausforderung dar. Anders verhält es sich da schon mit den Clickern. In dem fortgeschrittenen Stadium der Infektion können uns die Infizierten nicht mehr sehen, dafür hören sie jedoch umso besser und stecken auch einiges mehr an Treffern ein. Hier hilft es, sich leise zu verhalten um sie dann hinterrücks mit einer Messerattacke sofort und vor allem leise zu töten. Auch das Weglocken durch geworfene Ziegelsteine oder leere Flaschen kann sich als hilfreich erweisen um sich unbemerkt an den Infizierten vorbeizubewegen.
Wirklich sicher ist man zu keinem Zeitpunkt aber genau in diesem Punkt liegt die große Stärke der Kämpfe von The Last of Us 2. Jedes Scharmützel mit Menschen oder Infizierten spielt sich wie ein purer Überlebenskampf, bei dem ich selten das Gefühl hatte, wirklich die Oberhand zu haben.
In den Passagen zwischen den Kämpfen verbringt man dann Zeit mit der Suche nach brauchbaren Gegenständen. Dieser Aspekt wurde in The Last of Us 2 auch weiter ausgearbeitet, als dass sich die Areale nun als viel weitläufiger herausstellen und tatsächlich auch freier erkunden lassen. So gibt es bestimmte Momente im Spiel in denen wir etwa ein altes Bankgebäude oder eine Kirche optional durchsuchen können. Das schafft in einigen Momenten tatsächlich einen Hauch von Erkundungsreizen, ähnlich wie in einem Open World Spiel, ohne sich jedoch gänzlich in einer leeren Sammelwut zu verlieren.
Das Skill und Craftingsystem wurde ebenfalls ausgebaut. So gibt es mehrere Skilltrees mit denen Ellie durch die Einnahme von Medikamenten ihre Fähigkeiten merklich ausbauen kann. So kann man sich beispielsweise entscheiden, ob man mehr Gegenstände tragen möchte oder diese schneller und mit weniger Verbrauch an Material herstellen kann. Oder man kann seine Schleichfähigkeiten durch einen verbesserten Horchmodus (eine Art Scanmodus mit dem man Gegner auch hinter Wänden erkennen kann) oder besseren Nahkampf und die Fähigkeit sich noch leiser zu bewegen, ausbauen. An Werkbänken lassen sich zudem Waffen mit Hilfe von sammelbaren Schraubuntensilien modifizieren.
Hier wird sicherlich kein RPG-Niveau erreicht, doch die Verbesserungen wirken sich merklich auf die Kämpfe aus. Alles in allem lässt sich sagen, dass The Last of Us 2 wesentlich mehr Spiel bietet als alle anderen modernen Naughty Dog Spiele zuvor. In Kombination mit der ohnehin schon fantastischen Präsentation, ergibt sich daraus ein Erlebnis, dass in der Welt der Videospiele seinesgleichen sucht.
Die Formen der Gewalt
The Last of Us 2 ist brutal und das ist es auf mehreren Ebenen. Zunächst wäre da die rein grafische (bildlich plakative) Gewalt. Prinzipiell bietet das Spiel nicht mehr, als es andere Titel schon zuvor getan hätten. Es ist wieder einmal die hervorragende Inszenierung, die die Gewalt in diesem Spiel zeitweise zu einer Zerreißprobe werden lassen. Das zeigt sich vor allem im Kampf gegen die menschlichen Gegner. Sie dienen uns nicht einfach als Kanonenfutter sondern werden uns, mal mehr mal weniger, als eigenständige Personen mit eigenen Geschichten und Motiven dargestellt. Wir können beispielsweise die Gespräche von Patrouillen belauschen oder erfahren in kurzen Cutscenes oder sammelbaren Schriftstücken etwas über die Geschichte und Motive unserer Gegner. Das schafft schon mal ein tieferes Verständnis für die Beweggründe unserer Feinde. Sie sprechen sich mit Namen an, sie weinen oder schreien vor Wut, wenn sie den Leichnam eines von uns getöteten Kameraden finden. Sehr eindrücklich empfand ich beispielsweise eine Szene, in der ich einen Hund vor den Augen ihres weiblichen Besitzers erschießen musste. Sie reagierte emotional aufgewühlt und schrie, als habe ich ihr Kind getötet, im gleichen Moment richtete sie ihre Waffe auf mich.
Es sind solche Szenen, die sowohl im Kleinen als auch im Großen die Intensität der Kämpfe von The Last of Us 2 ausmachen. Die grafische Gewalt tut zur dramatischen Inszenierung ihr übriges. Erstochene Feinde röcheln oft noch Sekunden lang ihrem Ende entgegen, brennende Gegner wälzen sich vor Schmerzen auf dem Boden und in den sehr drastischen Nahkämpfen rollen gerne auch mal Köpfe oder Gliedmaße werden abgehakt.
Eine weitere, subtilere Form der Gewalt entsteht durch das gut geschriebene Drehbuch. Jede Figur der wir auf unserer Reise begegnen kann im nächsten Moment sterben. Sei es durch den unerwarteten Angriff eines Clickers oder durch eine kurze Unachtsamkeit in einem Feuergefecht. Es spielt dann auch keine Rolle, wie sympathisch uns diese Figur war oder wie sehr sie uns geholfen hat, das Spiel nimmt auf unsere Sympathie für unsere Begleiter keine Rücksicht. Man könnte auch sagen, dass Spiel spielt in diesem Moment mit unseren Erwartungen und unseren Gefühlen. Und diese Tatsache war beim Spielen oft schmerzhafter als der Anblick drastischer Tötungsszenen.
Symphonie aus Liebe und Enttäuschung
Es ist beeindruckend mit welchen Mitteln The Last of Us 2 eine Beziehung zu Ellie aber auch ihren Begleitern aufbauen lässt. So unterhalten sich Ellie und Dina während des Spiels immer wieder untereinander, erzählen sich Anekdoten vergangener Tage oder kommentieren das gerade Gesehene oder Erlebte. Auch die KI der Begleiter kann sich sehen lassen. Sie fungieren in den meisten Fällen clever genug, sodass man manchmal den Eindruck hat, als ob man einen coop Partner hätte. Nicht selten hat mir Dina aus einer schier ausweglosen Situation das Leben gerettet. Durch dieses Zusammenwirken aus spielerischen und dramaturgischen Interaktionen zwischen der Spielfigur und dem NPC wird die Beziehung so noch greifbarer.
Auch der Verlauf des Spiels gestaltet sich angenehm abwechslungsreich. Ruhige Passagen wechseln sich in einem angehnehmen Rhythmus mit schnellen, hektischen Flucht- oder Kampfsequenzen ab. Hin und wieder kommt es auch zu recht stark gescripteten Sequenzen in denen wir durch gelegentliches Tastenhämmern weiterkommen. Fairerweise sollte aber betont werden, dass diese Stellen eher die Ausnahme und dafür auch wirklich spannend inszeniert sind. Für eine angenehm ruhige Abwechslung sorgen zudem die Passagen, in denen Ellie eine Gitarre in die Hand nimmt und wir mit ihr ein bisschen jamen können.
Eine Geschichte die man selbst erleben sollte
Zur eigentlichen Geschichte möchte ich an dieser Stelle aus Spoilergründen nicht zu viel verraten. Nur so viel sei angedeutet. In den vielen Momenten in denen man denkt man wüsste in welche Richtung sich das Spiel entwickelt, kommt es doch ganz anders und selten so wie man es sich erhofft oder geschweige denn gedacht hat. Naughty Dog schafft es tatsächlich mit unseren Erwartungen zu spielen und hält uns in vielen Momenten selbst einen Spiegel vor unser Gesicht, der unsere eigenen Motive in Frage stellt. Die wahre Gefahr stellen in diesem Spiel nicht die Infizierten dar, es sind die Menschen und ihre Entscheidungen, die sie treffen. Sei es aus Liebe oder aus Rache und es scheint in dieser Welt auch kein allgemeingültiges Gesetz dafür zu geben, dass man mit ersterem immer den „richtigen Weg“ beschreitet.
Das ganze mündet in einem derart packenden Finale, dessen Ende mich auch mehrere Tage nach dem Durchspielen immer noch beschäftigt.
Alles gut?
Gibt es keinerlei negative Kritikpunkte? Tatsächlich gibt es sehr wenig was ich an dem Spiel auszusetzen hätte. Wenn ich sehr penibel bin, könnte ich über einige Designentscheidungen meckern, die mich hin und wieder etwas geärgert haben. Ich verstehe beispielsweise, dass es aus spielerischer Sicht Sinn macht, dass sich Nahkampfwaffen abnutzen müssen, da man sich sonst zu einfach durch die Horden von Infizierten schlagen könnte. Warum ein von mir modifizierter Vorschlaghammer aber schon nach dreimaligen „Gebrauch“ völlig abgenutzt sein soll, verstehe ich dann doch nicht so recht. Auch manche Figurendarstellungen wollten bei mir nicht so recht zünden. So empfand ich Dina als größtenteils uninteressant und einige spätere Offenbarungen bezüglich ihrer Figur wirkten etwas unglaubwürdig und wenig nachvollziehbar. Da waren mir andere Nebenfiguren deutlich sympathischer. Auch die Liebesbeziehung zwischen Ellie und Dina wurde mir zu Beginn etwas zu holprig und schnell erzählt. Hier hätte man sich ruhig noch etwas mehr Zeit nehmen können, damit ich sie auch als Spieler besser kennenlerne.
Fazit
The Last of Us 2 ist ein sehr intensives Spielerlebnis. Und das in vielerlei Hinsicht. Von außen betrachtet überzeugt es technisch auf ganzer Linie und ich darf mit Fug und Recht behaupten, hier hat Naughty Dog auch endlich bewiesen, dass sie gutes Gameplay beherrschen. Auch Audiovisuell gibt es nichts an dem Spiel auszusetzen. Der Soundtrack sowie die stimmige Geräuschkulisse erfüllen die gewohnt hohe Qualität eines Naughty Dog Spiels. Erzählerisch ziehen die Entwickler hier alle Register und präsentieren ein hoch dramatisches Abenteuer, das der Qualität von Filmen erstaunlich nah kommt. The Last of Us 2 zeigt eindrucksvoll, dass sich spannendes und forderndes Gameplay mit einer gut erzählten Geschichte nicht ausschließen müssen. Ein Beispiel dem hoffentlich weitere Entwickler in Zukunft folgen werden.