PES 2018 im Test – Die realistischere Fußballsimulation?

PES 2018
Grafik/Präsentation
85
Story/Atmosphäre
75
Gameplay
91
Multiplayer
85
Spielspaß
85
Leserwertung0 Bewertungen
0
84

Konami hat zwar eine längere Tradition in Sachen Fußball-Simulation als Konkurrent Electronic Arts mit seiner FIFA-Reihe, trotzdem gerieten die Japaner in der Gunst der Fußball-Fans ein wenig ins Hintertreffen. Mit der letztjährigen Ausgabe konnte Konami wieder Boden gutmachen, mal schauen ob der Trend mit PES 2018 weiter nach oben zeigt.

Meine Rückkehr zu PES

Ich muss zugeben, dass bisher größtenteils EAs FIFA-Reihe die Fußballsimulation meiner Wahl war. Es gab nur mal ein kurzes PES-Intermezzo während meines Zivildienstes, welchen ich in einem Jugendtreff ableistete wo ich nicht selten den Konsolenraum beaufsichtigen musste. Dort war ich aufgrund meiner überschaubaren Spielstärke ein willkommener Sparringspartner für die Kids. Anders war es mit der Vorgängerserie „International Superstar Soccer“ auf dem Super Nintendo und Nintendo 64, welche ich mit meinen Kumpels bis zum Umfallen gespielt habe. Das langegezogene „Goal, Goal, Goooooaaaaal“ oder die Buschtrommeln, welche einem Stadionatmosphäre vorgaukeln sollten, klingen immer noch in meinen Ohren.

Seitdem hat sich allerdings einiges getan. Viele Fußballsimulationen haben das Licht der Welt erblickt und sind wieder untergegangen. Konami mit PES und EA mit FIFA sind die beiden Konstanten, die Jahr für Jahr um die Gunst der Spieler buhlen und sich einen Zweikampf liefern. Nun also meine persönliche Rückkehr zu den Japanern und daher, seid mir nicht böse, schreibe ich diese Review aus der Sicht eines Umsteigers. Vergleiche zu den Vorgängerversionen kann ich nur bedingt ziehen, werde ich aber nicht gänzlich außer Acht lassen.

Fußballsimulation mit Niveau

Was direkt auffällt und damit bestätigen sich die zahlreichen Aussagen der PES-Befürworter, ist, dass sich PES vor allem in der Spielmechanik, der Ballphysik, als auch der Kollisionsabfrage unterscheidet. Als passionierter FIFA-Spieler war ich anfangs ein wenig verloren. In der Abwehr klappt gar nichts mehr, besser funktioniert es zwar in der Offensive, aber irgendwann fragt man sich schon, warum 90% der Bälle meilenweit über oder neben das Tor rauschen. Es mussten einfach zu viele Chancen herausgespielt werden, bis ein Ball im Tor zappelte. Man muss sich wirklich besinnen und auf den Fußball konzentrieren. Insgesamt ist man gezwungen präziser zu spielen, Pässe die bei FIFA noch durchrutschen, kommen bei PES nicht an, weil irgendwo noch ein Körperteil dazwischen ist und der Gegenspieler tatsächlich auf den Ball reagiert, wenn er in seiner unmittelbaren Umgebung umherkullert. Mein Eindruck ist, dass sich die KI intelligenter anstellt und realistischer auf dem Spielfeld agiert.

Anfangs machte das andere und für mich neue Spielgefühl die ersten paar Spiele deutlich langsamer, da ich auf Sicherheit bedacht war und keinen unnötigen Ballverlust riskieren wollte. Hat man sich aber erstmal mit PES akklimatisiert, dann traut man sich auch hier überfallartige Angriffe mit schnellen Ballstafetten in die Spitze zu. Trotzdem sollte jeder Pass bedacht sein, der Ball ist schneller weg als gedacht. Verliert man doch den Ball, dann ist auch in der Abwehrarbeit mehr Präzision angesagt. Einfaches Ball abnehmen durch ständiges Drücken der Schusstaste, ist bei PES nahezu wirkungslos. In Szenen wo man in FIFA durch stupides Stochern schneller den Ball erobert hat, muss bei PES die perfekte Stellung zum Ball und Gegenspieler beachtet werden, um den Ball wieder in den eigenen Reihen zu wissen. Zwar ist Konkurrent FIFA in allen erwähnten Punkt alles andere als schlecht und auch ein hervorragendes Fußballspiel, insgesamt wirkt PES aber ausgewogener und vor allem realistischer und nachvollziehbarer für den geübten Fußball-Fan. Wobei man sagen muss, dass sich bei FIFA 18 einiges an der Abwehrarbeit getan hat und ich von nicht wenigen Spielern gehört habe, dass es schwerer geworden ist und man sich stark umgewöhnen muss.

Ähnlich präzise wie man sein Spiel aufziehen sollte, arbeitet auch die bereits erwähnte Ballphysik und Kollisionskontrolle. Die Flugbahn des Balles bei Schüssen, Pässen und vor allem wenn er an Gegner oder Pfosten abprallt, macht bei PES einen unheimlich authentischen Eindruck. Mir hat das äußerst realistische Verhalten sehr dabei geholfen mich auf das Spiel einzustellen. Auch solche vermeintlichen Kleinigkeiten wie Zusammenstöße von Spielern und wie sie am Gegner abprallen sehen nachvollziehbar echt aus. Hier darf Konkurrent EA gerne nachbessern, wenn ich an die teilweise spektakulären Stunts denke, die bei kleinsten Fouls aufgeführt werden.

Als besonders intuitiv habe die taktischen Möglichkeiten empfunden. Ohne große Umwege lassen sich so taktische Anweisungen umsetzen, wie etwa, dass der Stürmer vorne auf lange Bälle oder Konter lauern soll. Auch sehr praktisch, neben der Anzeige welchen Spieler man gerade steuert, gibt es das gleiche Symbol nochmal in grau und ein wenig transparent. Dies zeigt einem an, welchen Spieler man bei einem Wechsel als nächstes steuern kann. Da den Überblick zu behalten ist zwar nicht so einfach, hat sich aber in vielen Situationen als sehr hilfreich erwiesen.

Atmosphäre aus der Büchse

So gut die Spielmechanik auch ist, bei der Atmosphäre hat weiterhin Konkurrent FIFA die Nase leicht vorn. Zwar gibt man sich hier alle Mühe und hat sogar beim Geplänkel vor dem Spiel Greenkeeper hinzugefügt, um ein realistisches Bild abzuliefern. Insgesamt wirkt es dann aber doch zu steril und inszeniert. Die Reaktionen der Zuschauer passen nicht immer zum Spielgeschehen, was sich zum Beispiel durch zu häufiges Jubeln und Fahne schwenken äußert, auch wenn es mal nicht so läuft. Auch bei weniger Zuschauerzuspruch, und den daraus resultierenden halbleeren Stadien, hätte man ein realistischeres Bild zeichnen können, wenn die Zuschauer beziehungsweise die leeren Plätze nicht so gleichmäßig verteilt worden wären.

Auch wenn man der Inszenierung etwas mehr Leben hätte einhauchen können, ist die grafische als auch soundtechnische Präsentation auf einem sehr hohen Niveau. Nur manchmal hatte ich das Gefühl, dass Animationen etwas hölzern und steif wirken, allerdings gibt es dieses Phänomen bei der Konkurrenz auch. Etwas ausdruckslos fand ich in Wiederholungen nur die Gesichtsausdrücke der Spieler. Teilweise schauten diese bei hitzigen Zweikämpfen gelassen wie Hindukühe, was etwas unwirklich wirkte aufgrund der wiederholten Spielszene.

Wirklich störend habe ich allerdings die Kommentare des Duos Hansi Küpper und Marco Hagemann empfunden. Diese sind nicht selten völlig sinnlos und unlogisch. Beispielsweise bei einer hohen Führung der Heimmannschaft hört man nicht selten, dass das Spiel entschieden sei und die Zuschauer deswegen das Stadion verlassen würden. Ich als Fußball-Fan würde das bei einer Führung meiner Mannschaft im heimischen Stadion zumindest nicht tun. Insgesamt sind die Kommentare zu oft unzutreffend und wiederholen sich auch zu häufig. Ich bin zwar kein Spieleentwickler, aber so schwer kann es doch wirklich nicht sein, die Kommentare nach Ausschlussverfahren zu filtern, wenn sie offensichtlich nicht zu einer Spielsituation passen.

Spielmodi im Gleichschritt

Bei den zur Verfügung stehenden Spielmodi gehen beide Spiele dagegen nahezu im Gleichschritt, zwar besitzt PES 2018 keinen Storymodus wie FIFA mit The Journey. Dafür aber im Prinzip alle anderen zur Auswahl stehenden Möglichkeiten ein Match auszutragen in gleicher oder leicht abgewandelter Form.

Das allseits beliebte FUT (FIFA Ultimate Team) gibt es in PES unter dem Namen „myClub“, wo sich auch hier nach Herzenslust ein Team aus den größten Fußballstars zusammenstellen lässt. Der Manager-Modus heißt hier „Meister-Liga“, bei dem man einen Club seiner Wahl in der nationalen Liga bis an die Spitze spielen und wirtschaften kann. Und wer nicht gleich die ganze Mannschaft übernehmen will, der kann im Modus „Werde zur Legende“ die Geschicke eines einzelnen Spielers übernehmen und bis zum Weltfußballer aufsteigen und somit in Cristiano Ronaldos Fußstapfen treten. Neben den Standardmöglichkeiten wie Einzelspiele hat man also nahezu die selben Möglichkeiten sich zu duellieren wie bei Konkurrent FIFA.

Das gilt auch für Online-Matches, wobei ich allerdings die Aufmachung und Menüführung etwas umständlich finde. Wenn man nicht gerade einen Freund direkt herausfordert, kann man sich zwar auch einen Zufallsgegner zulosen lassen, es gibt aber auch den Weg bestimmten Lobbys beizutreten. Dazu wählt man aus einer relativ langen Serverliste den Wunschserver aus und tritt anschließend einer Lobby bei. Die Bezeichnungen, welche mit einem Länderkürzel enden und immerhin eine Ahnung vorgeben, wo man landet sind dabei relativ kryptisch. Ähnlich sieht es dann auch bei den Lobbys aus, bei denen man nur sieht wie viele Personen bereits darin sind, aber nicht unbedingt welche genau. Um sich mit mehreren in einer Lobby zu treffen, sind schon genaue Absprachen nötigt. Andernfalls ist man aufgrund der Vielzahl von Servern und Lobbys ein wenig verloren. Ist man allerdings am Ziel angelangt und es kommt ein Spiel zustande, habe ich im Test weder Ruckler noch Verbindungsabbrüche feststellen können. Immerhin gibt es hier einen Vorteil durch die direkte Wahl des Servers, weil man genau steuern kann, mit welchen man sich verbindet und je nach Entfernung beziehungsweise Erreichbarkeit die Latenz besser wird.

Das ewige Thema Lizenzen

Fußballfans sind emotional und nicht immer rational bei der Sache. Die Bindung zu seinem Club oder auch ganzen Ligen ist unheimlich groß, so dass Lizenzen von Vereinen oder ganzen Ligen in diesem Bereich sehr wichtig und ein Verkaufsargument sind. In diesem Punkt hinkt PES allerdings nach wie vor weit hinter FIFA zurück. Während dort alle großen Ligen vertreten sind, sammelt Konami Lizenzen eher wie ein Eichhörnchen. Hier ein Verein, dort eine Liga. Eine breite Abdeckung mit originalen Teams erreicht PES lediglich in Südamerika, wo mit Brasilien, Argentinien und Chile fast der ganze Kontinent abgedeckt ist.

In Europa sieht das leider anders aus. Mit der französischen Ligue 1 und 2, so wie der holländischen Eredivisie und italienischen Liga bis auf Juventus Turn, hat man lediglich drei komplette und eine nahezu vollständig Lizenzierte Liga an Bord. Zwar hat man unter anderem auch die ersten beiden englischen, spanischen und italienischen Ligen dabei, allerdings sieht das hier so aus, dass Vereine und Wappen der Fantasie entsprungen sind, die Spieler Namen und das Aussehen dagegen korrekt sind. Cristiano Ronaldo, Isco oder Sergio Ramos spielen daher nicht bei Real Madrid, sondern bei MD White. Über einen Editor kann man das zwar geradeziehen, es ist aber mit deutlichem Mehraufwand verbunden.

Neben den wenigen lizenzierten Ligen gesellen sich zusätzlich vereinzelte Teams aus Europa, die auch mit richtigen Namen und Wappen dargestellt werden. Darunter sind neben Partner-Teams wie Borussia Dortmund, FC Valencia, FC Liverpool und natürlich dem FC Barcelona, auch andere Teams wie der FC Schalke 04, erstmals auch RB Leipzig, AEK Athen, der FC Kopenhagen oder Arsenal London. Besonders schön, bei den Partner-Teams ist sogar das Stadioninnere haarklein nachgebaut und man bekommt originale Fangesänge zu hören. So kommt beim Revierderby zwischen Dortmund und Schalke sogar ein wenig Stimmung auf.

Immerhin kommt ein gewisses Flair auf, wenn man die voll lizenzierten Wettbewerbe wie unter anderem die UEFA Champions League oder Europa League bestreitet. So hat man es nicht nur mit irgendwelchen Fantasie-Namen zu tun. Schade ist hier allerdings, dass nicht alle Mannschaften, die sich in der Realität für die Wettbewerbe qualifiziert haben, auch dabei sind. So suche ich meinen 1. FC Köln in der Europa League leider vergebens. Trotzdem macht es vor allem in der Champions League Spaß, dem offiziellen Spielmodus zu folgen und vor jeder Partie ertönt Stilecht die markante CL-Hymne. Als kleines Schmankerl wird das Finale in dem Stadion mit dem Sternendach ausgetragen, welches man aus dem CL-Intro kennt.

Fazit

PES 2018 hat mich alles andere als enttäuscht, auch wenn ich einige Partien braucht, um den Wechsel von FIFA zu verkraften. Dass sich PES präziser und in meinen Augen realistischer spielt, ist für mich fast ein größerer Pluspunkt, als die vielen fehlenden Lizenzen ein Minuspunkt ist. Auch wenn PES nicht mit Stimmung und Authentizität punkten kann, hat es die Nase in Sachen Spielmechanik vorne. Kurz gesagt PES ist für den, der das Spiel Fußball liebt das richtige Spiel. Konkurrent FIFA punktet dagegen bei der Stimmung und den zahlreichen Lizenzen. Was man nun möchte und was einem persönlich wichtiger ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.