Jump Force im Test – Ein Nerd wird zum Manga-Helden

Was hätte ich damals vor 20 Jahren ungläubig dreingeschaut, wenn mir jemand das Konzept zu Jump Force erzählt hätte. Ein Kampfspiel mit dutzenden Manga-Charakteren aus allen möglichen Universen, die das Universum retten sollen? Son Goku und Vegeta kämpfen Seite an Seite mit Ruffy und Zorro? Das klingt ein wenig nach einem feuchten Nerdtraum meines 16-jährigem Vergangenheits-Ich. Nun hatte ich dieser Tage diese damals unvorstellbare Konstellation mit Jump Force tatsächlich nachzuspielen. Bereits auf der Gamescom nahm ich an einer Präsentation des Crossplattform-Titels teil. Dort zeigte man jedoch recht wenig eigentliches Gameplay und mehr der sehr ansehnlichen Cutscenes. Nach einigen Stunden im Jump Force Universum erkannte ich auch den Grund dieser Präsentation. Was erwartet euch also bei Jump Force? Glorreicher KO-Sieg oder eine blutige Nase? Lest selbst.

Seid euer eigener Held

Der Start des Spiels verläuft für euer unheldenhaftes Alterego zunächst einmal äußerst ungünstig. Denn ihr seid zur falschen Zeit am falschen Ort. Als Einstieg trifft euch nämlich ein von Son Goku verächtlich ignorierter Energiestrahl des Schurken Freezer, der euch gleich zu Beginn des Spiels quasi unter die Erde schickt. Zum Glück wird euer Missgeschick vom aufmerksamen Trunks bemerkt, der euch prompt zur Hilfe eilt. Als normaler Bürger der Stadt, hat euch der Angriff des Fieslings ganz schön aus den Socken geschossen. Eure einzige Rettung besteht darin, euch von Trunks einen sogenannten Kubus einpflanzen zu lassen. Dieser belebt euch wieder und verwandelt euch dabei sogar noch in einen Super-Helden. Okay, vielleicht ist der Start in den Tag doch gar nicht so mies, wie zunächst gedacht. Jetzt ist eure Kreativität gefragt. Per Charakter-Editor erstellt ihr euch mit reichlich viel Auswahl eure Spielfigur mit dem passenden Kampfstil der drei Haupt-Anführer Son Goku, Ruffy oder Naruto.

Die japanischen Avengers

Der gute Freezer hat im Spiel scheinbar seinen Spinat immer aufgegessen und kann nur unter aufwändigem Einsatz inkl. Verstärkung aus der Stadt vertrieben werden. Anschließend landet ihr im Social Hub (eine Art Stützpunkt) der Jump Force und bekommt von Director Glover erklärt, dass ihr nun Teil der Jump Force seid. Die Jumpf Force ist ein Zusammenschluss zahlreicher Manga-Helden verschiedener Welten und Planeten (Jumps) und existierte bisher ohne Kenntnis der „realen Welt“, wozu wir scheinbar gehörten. Ich weiß hierbei nicht, ob es an der Übersetzung liegt oder die vierte Wand auf merkwürdige Weise durchbrochen werden soll. Jedenfalls sind wir scheinbar aus der realen Welt und die anderen Welten existieren nur in Manga und sind damit nicht real. Kurz: Ihr seid im Team. Aber in welchem eigentlich? Ihr habt nämlich gleich zu Beginn die Wahl, welcher Ikone ihr euch anschließen möchtet. Son Goku führt Team Alpha an und ist für die Bekämpfung der Venoms (Der Name der Schurken) zuständig. Venoms sind normale Bürger verschiedener Welten, die mit einem dunklen Kubus infiziert wurden und nun den Bösewichten Kane und Galena dienen. Team Beta unter der Führung des Piraten Monkey D. Ruffy ist für die Rückeroberung jener Gebiete verantwortlich, die bereits den Venoms in die Hände gefallen sind. Das dritte und letzte Team ist jenes von Naruto. Und wie es sich für ein von einem Ninja geleiteten Team gehört, kümmert sich Team Gamma um die Spionage.

Hauen, Treten, Kratzen und Energiebälle verschießen

Kernpunkt des Spiels ist der Kampf Eins gegen Eins. In den drei Tutorials macht euch das Spiel mit der Steuerung und den Finessen des Kampfsystems vertraut. Kämpfe finden jeweils in einer Arena statt, in der ihr aus Third Person Ansicht frei umherlaufen könnt. Die obligatorischen Schlag –und Trittkombinationen fehlen ebenso wenig wie das Blocken, Ausweichen oder Werfen. Um die teils recht weiten Strecken zu eurem Gegenüber zu überbrücken, verfügt ihr zudem über eine Art Dash, den ihr als Ansturm oder als Flucht nutzen könnt. Diese Dashs verbrauchen jedoch Energie und können nicht permanent hintereinander genutzt werden. Die rechte Schultertaste aktiviert eure Spezialmanöver-Auswahl. Jeweils einem primären Feuerknopf ist eine besonders Starke Attacke zugeordnet, die wiederum euren Rage-Balken benötigt. Sowas kennt man bereits aus anderen Spielen. Teilt ihr selber Schaden aus oder kriegt selber etwas auf die Kauleiste, fühlt sich eure Kampfeslust. Je nach Intensität der Lust feuert ihr eurem Feind also Kame Hame Ha und Co. um die Backen. Alles in allem wirkt vieles sehr hektisch, erscheint nach einigen Runden aber durchaus überschaubarer, wenn man sich dran gewöhnt hat.

Team Kämpfe – Trotzdem alleine bitte

In manchen Missionen kämpft ihr mit einem oder zwei weiteren Helden gegen dieselbe Anzahl Venoms an. Wie aber damals schon im Wrestling, darf immer nur ein Kämpfer gleichzeitig ran. Die Lebensenergie teilen sich dabei zu allem Überfluss auch noch alle Figuren. Hier soll wohl etwas Abwechslung in den irgendwie langweiligen Kämpfen aufkommen. Bis auf einen gemeinsamen Angriff bei der Einwechslung oder seltenen Beschuss von außen, bringt euch der Teamkampf aber nahezu keinerlei Änderung im Gameplay. Ihr merkt vielleicht schon, die Stimmung kippt etwas. Der Story Verlauf ist absurd kindisch oder altmodisch – je nachdem wie man es nennen oder schönreden will. Nach und nach „rettet“ ihr befreundete Charaktere durch die heimliche Infektion durch Venom-Kuben. Ist die erste „Rettung“ von Vegeta noch spannend und mit einigen Filmschnippseln aufpoliert, verkommt sie bereits beim zweiten Charakter zu einer drögen Missionsauswahl Klickerei mit keinerlei Infos. Mission wählen – langer Ladebildschirm – Kampf – langer Ladebildschirm – Sieben Sekunden langes Willkommensvideo – langer Ladebildschirm – ihr seid wieder in der Basis.

Programmcode aus der Hölle?

Ladezeiten sind bei Jump Force leider ein generelles Problem. Ich weiß nicht viel von Programmieren, aber wenn der Ingame Shop hinter einem fast 10 Sekunden langem Loadingscreen steckt, dann überlege ich es mir nicht mal einmal etwas dort zu kaufen. Selbst wenn ihr euren Charakter umziehen wollt und im Menü „Outfits“ wählt, lädt das Spiel unendlich lange. Nennt mich verwöhnt, aber in eigentlich allen Spielen funktioniert die Auswahl eines anderen Shirts unmittelbar und sofort. Wollt ihr die Kampagne weiterverfolgen, verbringt ihr wiederum etliche Minuten mit Warten. Wie gesagt: Vor jedem noch so kurzen Video, müsst ihr mindestens zehn Sekunden warten. Da kommt (keine) Freude auf. Eure Figuren erhalten nach den Kämpfen übrigens EXP. Diese schalten neue Fertigkeiten frei und verbessern die Stufe eures Charakters und denen der anderen genutzten Helden. Das Spiel selber lässt sich zudem online mit weiteren Leuten spielen. Deshalb ist die Jump Base auch ein Social Hub. Spielt ihr online, seht ihr zahlreiche andere Spieler-Avatare umherlaufen und könnt gemeinsam mit ihnen Missionen ohne Story spielen oder in Trainingskämpfen gegen sie antreten.

Du hast die Haare schön

Die Optik des Spiels weiß leider auch nur in den Videos zu gefallen. Die Figuren bzw. die Modellierung ist Entwickler Spike Chunsoft schon recht ansehnlich gelungen. Ingame hinkt das Ganze dem Jahr 2019 aber ziemlich hinterher. Ist die Oberwelt und die verschiedenen Areale der Basis noch ganz ansehnlich, verkommen die Kampfgebiete zu schmucklosen Arena-Quadraten ohne Highlights. Die Sprachausgabe kann zudem nur japanisch. Hier punktet man mit den originalen Synchronsprechern. Des einen Freud ist des anderen Leids. Ich persönlich kenne vor allem die englischen Stimmen und mag diese einfach viel lieber. Obgleich japanisch bei solch einem Spiel eben viel authentischer ist oder nicht. Zumindest deutsche Untertitel haben es noch ins Spiel geschafft. Was das Spiel nicht geschafft hat, ist die Möglichkeit uneingeschränkt Screenshots zu erstellen. Diese Funktion ist in den Video-Sequenzen deaktiviert und nur aus dem Spiel selber heraus durchführbar. Wieder Schade.

Fazit

Jump Force hatte das Zeug etwas ziemlich cooles zu werden. Die plumpen aufeinanderfolgenden Kloppereien und die technischen Unzulänglichkeiten, vor allem im Bezug auf die Ladezeiten, schicken das Projekt jedoch unsanft auf die Bretter. Zugegeben, meine große Zeit als Anime-Fan ist längst vorbei. Und doch ging ich mit einiger Vorfreude an den Titel, weswegen mich das Ergebnis auch so ärgert. Die Möglichkeiten, die diese Fusion aus verschiedenen Marken mit sich brachte, waren schier unendlich. Das Spiel was Jump Force dann wurde, sollte schnell wieder vergessen werden. Der Spielablauf allgemein ist plump, die Motivationskurve dank belangloser Einzelkämpfe gering und die Technik unter aller Kanone. Ich vermute daher, dass Jump Force selbst für Manga-Fans nur schwer zu ertragen sein wird.

Jump Force
Grafik/Präsentation
66
Story/Atmosphäre
57
Gameplay
62
Spielspaß
58
Leserwertung5 Bewertungen
96
Videos sehen schick aus
Viele beliebte Charaktere dabei
Vegeta und Final Flash
Unheimlich lange Ladezeiten
Sehr stumpfes Storytelling
Flaches Kampfsystem
61