Guacamelee! 2 im Test – Der Spandex-Anzug kehrt zurück

Der Vorgänger ist mittlerweile schon ein Klassiker: Guacamelee! schickte uns in eine schrillbunte Fantasywelt namens Mexiversum mit deutlichen Referenzen an die mexikanische Geschichte und Kultur. Im besten Metroidvania-Stil ging es durch liebevoll designte Levels, in denen unzählige Gegner verdroschen wurden. Zuerst 2013 auf der PlayStation 3 ein Hit, steht nun die Fortsetzung ins Haus.

Helden gesucht

Sieben Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils ist Latino-Wrestler Juan wieder gefordert. Nachdem die Liebe seines Lebens im ersten Spiel vom bösen Charro-Skelett Carlos Calaca entführt wurde, ging er damals durch die Hölle und zurück, um sie zu retten. Das Mexiversum samt alternativer Zeitlinien ist jetzt aber wieder in Gefahr – Ehrensache, dass sich Juan wieder in den Spandex-Anzug stürzt. Auf seinem Weg durch die Welten erfährt er dabei allerlei Unterstützung, sowohl in Gestalt ihm wohlgesonnener Schamanen als auch befreundeter Superhelden, die sich ihm anschließen. In der Praxis bedeutet das, dass Guacamelee! 2 mit vier Personen im Couch-Coop gezockt werden kann – was sich schon nach kurzer Zeit als großer Spaß herausstellt.

Liebe zum Detail

Groß umstellen müssen sich Kenner und Fans des Vorgängers nicht: Auch Teil 2 setzt wieder auf das mit allerlei Humor und Schabernack garnierte Spielprinzip aus dem Vorgänger. In der 2D-Spielwelt existiert wieder die Welt der Toten als Paralleluniversum, zwischen welcher und der „Realität“ gerne hin- und hergewechselt wird. Damit keine allzu depressive Stimmung aufkommt, haben die Entwickler wie im Vorgänger die Levels mit allerlei schrulligen NPCs vollgestopft, mit denen mitunter reichlich launige Textboxendialoge geführt werden, um die Story voranzutreiben. Dabei geht es gewohnt skurril bis absurd zu, so dass sich Fans des ersten Teils sofort wie daheim fühlen sollten. Dass für Teil 2 das Rad nicht neu erfunden wurde, stellt sich nach kurzer Eingewöhnungszeit auch als goldrichtige Entscheidung heraus. Denn getreu dem Motto „Never touch a running system“ hat Drinkbox hier nicht nur Bewährtes beibehalten, sondern durch gezieltes Feintuning an wenigen Stellschrauben grobe Verschlimmbesserungen vermieden.

Diese Behutsamkeit merkt man dem Spiel durchweg an. Mit Liebe zum Detail wurden die Animationen überarbeitet, die Story weitergeführt, die Charaktere entwickelt und vor allem das Gameplay in Nuancen justiert. Das war aber schon vom Grundsatz her im Vorgänger fantastisch: Die Kollisionsabfrage funktioniert tadellos, Juan reagiert auf Joypadkommando ohne Verzögerung und selbst aussichtslos erscheinende Hüpfpassagen verlieren dank der präzisen Steuerung schnell ihren Schrecken.

Labyrinth-Wrestler

Das Abenteuer des maskierten Luchador ist wieder eine faszinierende Mischung aus Plattform und Action, vereint in der typischen Metroidvania-Struktur. In diesen genretypischen Labyrinthen erregt der Titel die Neugier des Spielers und treibt ihn oft dazu, seinen Weg zurückzuverfolgen: In einem ersten Versuch sind viele der Spielbereiche zunächst unerreichbar und können erst nach Erwerb einiger zusätzlicher Kräfte erkundet werden. Die Welt ist übersät mit Geheimnissen, Truhen und anderen Schätzen, die alle in immer komplexeren Abschnitten versteckt sind, die immer herausfordernder werden, um die Reflexe und Fähigkeiten des Spielers zu testen. Das Ergebnis ist eine faszinierende Spielwelt, die in Makrobereiche unterteilt ist, die Schritt für Schritt entdeckt und durch komplizierte Pfade miteinander verbunden werden. Dieses Leveldesign ist das wahre Flaggschiff von Guacamelee! 2.

Die gerade im späteren Spielverlauf mitunter doch ziemlich großen Levels werden dabei nicht zur Frustfalle: zahlreiche Rücksetzpunkte sorgen dafür, dass Juan nach seinem Ableben selten weiter als zwei Bildschirme zurückgesetzt wird und neu starten darf. Nicht selten findet sich in Räumen mit fummeligen Sprungpassagen oder besonders fiesen Gegnern der Rücksetzpunkt gleich in einer der Ecken des Raumes. Das ist gerade im späteren Verlauf auch nötig, denn so sanft das Spiel in die Mechanik einführt und verschiedene Gegnertypen auf den Spieler loslässt, so saftig zieht der Schwierigkeitsgrad nach seiner Eingewöhnungsphase an.

Damit Juan mit den immer stärker werden Gegnern und Zwischenbossen mithalten kann, bekommt er nach und nach Spezialangriffe spendiert. Den Anfang stellt eine Art Uppercut dar, der mit einer einfachen Tastenkombination ausgelöst wird und beachtliche Durchschlagskraft entfaltet. Doch Vorsicht: Spezialangriffe kosten Ausdauerpunkte, daher sollten sie klug eingesetzt werden.

Aus einem Guss

Die Entwickler der DrinkBox Studios hatten schon in den ersten Spielminuten Spaß daran, ihre Arbeit mit Referenzen und Anspielungen auf andere Videospiele, Filme oder Bücher zu garnieren. Wir befinden uns plötzlich in einem Bildschirm, der frappierend an einen anderen, viel graueren 2D-Plattformer erinnert, wir durchqueren die für Brawler typischen zerrütteten Bezirke oder wir finden Verweise auf Rockbands der 80er Jahre. Guacamelee! 2 ist aber nicht nur eine Hommage an andere Produktionen, sondern, wie auch sein Vorgänger, ein Querschnitt durch die populäre mexikanische Kultur. Die Levels explodieren vor Farben und mittelamerikanischer Folklore. Das komplette Artdesign ist in der Summe einfach großartig, zumal der bereits im Vorgänger hervorragend funktionierende Soundtrack als Mischung aus lateinamerikanischer Folklore und dezentem Electro das Geschehen sehr passend untermalt. Insgesamt wirkt der Titel technisch wie auch der Vorgänger sehr durchdacht, stimmig und gelungen.

Fazit

Es ist wie vor gut fünf Jahren eine große Freude mit Juan durch die 2D-Welten zu wrestlen und die immer größer werdenden Gegnerhorden von der Platte zu putzen. Drinkbox hat vieles sehr vorsichtig verbessert, nichts wurde grundlegend über den Haufen geworfen, dafür vieles im Detail zum positiven verändert. Das ergibt in der Summe ein stimmiges Gesamtbild, was auch für Menschen attraktiv ist, die Teil 1 nicht gespielt haben. Großes Vorwissen erfordert Teil 2 nämlich nicht, die absurd-bekloppte Story mit ihren lateinamerikanisch inspirierten Skurrilitäten lässt sich auch so wunderbar genießen. Der mit der Zeit anwachsende Schwierigkeitsgrad macht spätere Passagen teils sehr herausfordernd, durch mehrere Mechaniken wie zahlreiche Rücksetzpunkte bleibt das Spiel aber immer fair. Guacamelee! 2 wird Fans sowieso begeistern und ist ganz nebenbei auch einer der besten Titel, die dieses Jahr veröffentlicht wurden.

Guacamelee! 2
Grafik/Präsentation
86
Story/Atmosphäre
84
Gameplay
87
Spielspaß
88
Leserwertung0 Bewertungen
0
86