Dead Cells im Test – Ein Nerd bricht aus

Knallharte 2D-Plattform-Action ist noch immer absolut angesagt. Voraussetzung für den perfekten Oldschool-Cocktail sind in der Regel eine gute Steuerung, motivierender Progress und ein flotter Spiel-Flow. Ich spoilere nun schon einmal vorweg: Dead Cells bringt all diese Zutaten zur Genüge mit. Nach einiger Zeit im Early Access auf dem PC, feierte Dead Cells nun sein Stelldichein auf PlayStation 4, Switch und Xbox One. Entwickler und Publisher bezeichnen das Spiel phantasievoll als „Roguevania“ und treffen damit den Nagel schon irgendwie auf den Kopf, wobei der „vania“-Anteil doch etwas wenig ist. Das wirkt sich aber keinesfalls auf den Spielspaß aus, sondern bringt nur den nerdigen Klugscheißer in mir zum Vorschein. Also – Bühne frei für Dead Cells.

Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen

Und eigentlich können sie danach nicht mehr davon berichten. Euer namenloses Alterego hält von derlei natürlichen Gesetzen jedoch herzlich wenig. Die Stelle in einem Test, wo man den Protagonisten vorstellen möchte, in dem man auf die beliebte, aber altbackende Phrase mit der Haut und dem Schlüpfen verweist, gestaltet sich nun schwierig. Im Grunde schlüpft ihr nicht mal in eine Haut, da ihr lediglich die Kontrolle über einen „lebendigen“ Zellklumpen verfügt. Dieser schnappt sich bei jedem Neustart allerdings den Körper eines ehemaligen Gefangenen und nutzt diesen für seinen neuerlichen Fluchtversuch. Denn nichts weiter gilt es zu erreichen. Eure sehr harte Reise soll euch einfach nur von einem Inselstaat führen, wo einst eine verheerende Seuche ausbrach, die Bevölkerung dahinraffte oder zu grässlichen Monstern mutieren ließ. Die Geschichte als solches wird dem Spieler in Dead Cells wie auch in beispielsweise Dark Souls höchstens angedeutet. So findet ihr in den Verließen überall Räume mit Inschriften, Büchern oder Briefen, aus denen ihr euch die Geschichte zusammendichten könnt. Allein zeitlich spielt der Titel wohl über einige Jahrzehnte, was man bemerkt, wenn man auf einige Veränderungen im Spiel achtet, die nur einmalig stattfinden.

Ninja Warrior – Dead Cells Edition

Was hat die Trash-TV-Sendung Ninja Warrior mit einer Spieleperle wie Dead Cells gemeinsam? Die Teilnehmer beider Veranstaltungen haben nur einen Versuch. Der Rogue-Aspekt des Spiels lässt es bereits vermuten. Jeder „Run“ bei Dead Cells ist euer Erster und Letzter. Haucht ihr euer Leben aus, hat sich die Nummer mit quasi sämtlichem erspielten Progress erledigt. Ihr verliert euer Geld, eure Waffen und eure Skillpunkte. Das Ganze wird zwar nicht von Frank „Buschi“ Buschmann kommentiert, ist jedoch fast immer genau so frustig wie das unfreiwillige Wasserbad beim Ninja Krieger. Aufmerksamen Lesern werden die Worte „quasi“ und „fast immer“ aufgefallen sein. Denn zumindest ein bisschen Fortschritt kann man seinem Charakter dann doch noch permanent in die Datei schreiben.

Zellen, Zellen, Zellen

Besiegte Feinde hinterlassen im Optimalfall (also nur ab und zu) die wichtigste Währung des Spiels – Zellen. Mit diesen könnt ihr euch nach Abschluss eines Levels beim freundlichen Händler einige permanente Upgrades kaufen. Aber auch hier gibt es wieder einen Haken. Solltet ihr vor dem Ende des Levels das Zeitliche segnen, sind alle bis dahin gesammelten Zellen für immer verloren. Der Händler gibt euch im Tausch jedoch wie schon gesagt, brauchbare Perks. So könnt ihr die Anzahl der Benutzung eures Heiltranks erhöhen, dauerhaft mit einer zufällig generierten Startwaffe ins Abenteuer ziehen oder eine bestimmte Summe Geld zum Start auf dem Konto verbuchen. Diese kleinen Feinheiten kombinieren sich selbstredend mit eurer eigenen Lernkurve am Controller und wie durch Zauberhand (okay, gutes Gamedesign) gelangt ihr immer weiter im Spiel. Absolvieren müsst ihr je nach Route jeweils sechs Level, bis ihr vor dem finalen Boss steht. Hier kommt der „Metroid“-Teil ins Spiel. Besonders neugierige Spieler können vier zusätzliche Fertigkeiten im Spiel finden, die euch andere Wege offenbaren werden. So lasst ihr an bestimmten Stellen eine Ranke wachsen, lernt an Wänden hinaufzulaufen, den Boden an bestimmten Stellen zu brechen oder teleportiert euch an speziellen Statuen in versteckte Bereiche des Levels.

Prozedural – so mit Mathematik und so

Ein weiterer sehr spezieller Clou des Spiels ist der Rogue-Anteil von Dead Cells. Startet ihr einen Versuch, berechnet euch das Spiel die Levels aus einer Vielzahl vorgefertigter Level-Konstrukte und erstellt euch jedes Mal ein neues Spielerlebnis. Kein Run wird also dem anderen gleichen und auswendig lernen könnt ihr damit knicken. Nicht nur die Level werden immer wieder neu erstellt, auch die Position und die Verfügbarkeit der Items ist reiner Zufall. Ausnahmen bilden hier die sogenannten „Rollen der Macht“, mit denen ihr eure Skillung bestimmt, deren Anzahl für das Balancing aber vorgegeben ist. Findet ihr ein solches Pergament, dürft ihr einen Punkt in die Attribute „Brutalität“, „Taktik“ oder „Abwehr“ investieren. In genau diese Attribute sind nämlich auch die zahlreichen Waffen und Items unterteilt und richten damit mehr Schaden an. Nahkampfwaffen und Granaten werden also effektiver, umso mehr ihr auf Brutalität setzt. Bögen oder Fallen gewinnen an Schaden, wenn ihr als Taktiker unterwegs sein wollt. Was für den einen spannend wirken mag, ist für manch anderen vielleicht frustrierend. Ich spiele gerne als Taktiker und setze auf selbstfeuernde Fallen und Geschütze. Das Spiel wirft mir jedoch öfter nur „rote“ Brutalitäts-Items vor die Füße, wodurch ich den Spielstil für diesen Versuch sehr stark anpassen muss.

Schnelle und gnadenlose Kämpfe

Wie ihr unschwer erkennt, handelt es sich bei Dead Cells um einen Oldschool-2D-Sidescroller, der sich perfekt und schnell spielen lässt. Euer Charakter verfügt über zwei Waffenslots, die ihr frei mit Nahkampfwaffen, Bögen oder Schildern belegen dürft. Dazu habt ihr auf den Schultertasten zwei Fertigkeiten, wie Granaten, Fallen oder Tonika. Die Kämpfe gegen die Feinde gestalten sich etwas Souls-like. Eure Widersacher verfügen über feste Angriffsmuster, die es zu beachten gilt, damit man nicht unnötig Schaden einsteckt. Nach einigen Anläufen ist es trotz des hohen Schwierigkeitsgrades jedoch problemlos möglich durch die Level zu flitzen und alles niederzumähen. Um jedoch ernsthaft weiterzukommen als bis zum ersten Boss, muss man einiges an Zeit ins Spiel und in die permanenten Updates stecken. Um wirklich auch mal das Ende zu sehen, solltet ihr zudem einen festen Plan über eure verfügbaren Items im Kopf haben und deren Attribute passend bei einem Händler neu auswürfeln lassen. In der Regel gilt es eine Waffe mit Eis, Gift –oder Feuerschaden zu finden und eure restlichen Waffen auf dieses Element auszulegen. Macht eure selbstschießende Balliste 100% mehr Schaden bei brennenden Feinden und eure Hauptwaffe sind Wurf-Fackeln, gucken auch die härtesten Gegner schnell in die Röhre.

Ihr werdet sterben – oft sterben

Trotz dieser vermeintlich guten Hinweise und Kombinationsmöglichkeiten werdet ihr am Anfang trotzdem kein Land sehen und oft unrühmlich ins pixelige Gras beißen. Der Grat zwischen Frustration und Motivation für einen neuen Anlauf ist oft dabei auch ziemlich schmal, da der Anteil an gesichertem Fortschritt doch recht überschaubar ist. Bei mir persönlich, dem Rogue-like-Spiele normal nicht sonderlich liegen, überwog die Motivation aber eigentlich immer und ich habe bereits an den ersten Abenden etliche Neustarts ins Abenteuer gewagt. Hat man erst einmal drei oder gar vier Heiltränke und startet mit etwas Geld und zumindest zufälligen Waffen in den Lauf, ist die Perspektive weiterzukommen als vorher ziemlich realistisch. Der Rest ist schnell erklärt: Optisch liefert Entwickler Twin Motion feine Pixelgrafik, die super flüssig mit 60 Bildern über die Mattscheibe flimmert. Noch positiver zu erwähnen, ist der feine Soundtrack, der euch den ein oder anderen Ohrwurm ins Gehör setzen wird.

Fazit

Dead Cells ist ein ganz feines Spiel geworden. So schafft es der Titel sogar Rogue-like-Verächter wie mich problemlos in seinen Bann zu ziehen. Zugegeben, ich bin ein großer Freund vom Metroidvania-Genre, aber der Anteil dessen ist bei Dead Cell ehrlich gesagt ziemlich gering. Schöne Optik, toller Sound, perfekte Steuerung und ein knackiger Schwierigkeitsgrad bilden hier die nahezu Perfekte Mischung für ein wunderbares 2D-Erlebnis auf höchstem Niveau. Voraussetzung dafür ist jedoch aber auch, sich etwas mit dem Titel und seinen Mechaniken und Feinheiten zu beschäftigen, sowie einiges an Zeit und Frustrationstoleranz mitzubringen. Wer dann jedoch am Ball bleibt, hat recht schnell den Bogen raus, lernt aus seinen Fehlern und findet die für sich persönlich geeignete Spielweise. Nur so spielt der Titel all seine Stärken und Tiefen aus und liefert euch stundenlanges Vergnügen.

Dead Cells
Grafik/Präsentation
89
Story/Atmosphäre
84
Gameplay
94
Spielspaß
93
Leserwertung13 Bewertungen
59
Perfekte Steuerung
Knackig schwer aber fair
Unheimlich motivierend
Motivierende Lernkurve
Zu Beginn etwas frustrierend
Wenig bestehender Progress
90