Die Ganoven-Ära der 1920er Jahre konnte mich nicht nur zuletzt in der Mafia Definitive Edition begeistern. Serien und Filme, die in dieser Zeit spielen, treffen bei mir direkt den richtigen Nerv. So auch Empire of Sin. Der Titel versucht Ganovenmanagement, Strategie-Aspekte und rundenbasierte Kämpfe zusammenzuführen, um so für sich erfolgreiche Genres neu zu denken. Ob dieses Vorgehen von Erfolg gekrönt ist, erfahrt ihr in diesem Test.
Die 1920er Jahre
Wir beginnen Empire of Sin mit der Charakter-Auswahl. Hierbei versteckt sich hinter jedem der 14 Charaktere ein mehr oder weniger bekannter Gangsterboss, welcher eine eigene Geschichte mit sich bringt. Natürlich entscheiden wir uns nicht nur für einen Namen, sondern auch für eigene Persönlichkeiten und Fähigkeiten. Unter ihnen findet sich bspw. Alphonso „Al“ Capone, auf den auch meine erste Wahl fällt. Frisch im Chicago der 1920er Jahre eingetroffen, beginnen wir mit unserem Ziel, die lukrativste und einflussreichste Ganoven-Gruppierung der Stadt aufzubauen. Der Aufschwung des Mafia-Daseins entwickelte sich in den Jahren 1920 – 1933 unter anderem durch die Prohibition, welche in dieser Zeit die Herstellung, den Transport und den Verkauf von Alkohol rechtlich untersagte. Dieses Verbot rief gewitzte Geschäftsleute auf den Plan, die den Versorgungsengpass für sich nutzten und ein eigenes, durchaus illegales, Vertriebsnetzwerk aufbauten.
Neben Alkohol haben sich zudem Bordelle und Casinos als schnelle und ergiebige Geldquelle etabliert. Wir versuchen in Empire of Sin also verschiedene Geschäftszweige miteinander zu verbinden und diese in strategischen Ausrichtungen zu optimieren, um langfristig die Oberhand in der Stadt zu gewinnen. Die Geschäfte organisieren wir im angesprochenen Management-Bereich. Wir investieren Geld in wichtige Bereiche und erhalten dadurch mehr Einfluss oder Geld. So können wir im Bordell bspw. die Einrichtung optimieren, damit sich die Gäste wohler fühlen und mehr Geld bei uns im Laden lassen. Aber erst einmal müssen wir uns einen entsprechenden Laden besorgen. Dies erledigen wir entweder mit dem notwendigen Kleingeld oder wir wählen die brutalere Variante und überfallen die Etablissements der Konkurrenz. Auch wenn wir die wirtschaftlichen Aspekte in den Fokus nehmen könnten, um festzustellen, wo sich Investitionen lohnen, zählt am Ende eigentlich nur Bares. Überfallen wir also die Konkurrenz und reißen uns so weitere Läden unter den Nagel, haben wir am Ende genug Geld. Dadurch fällt die Komplexität der Wirtschaft leider von Beginn an durchs Raster und lädt nicht zum Experimentieren ein.
Ein Angebot, welches wir gerne ablehnen
Somit ist das Spielprinzip schnell erklärt: Ziel auswählen, überfallen, Feinde eliminieren und das Geschäft übernehmen. Haben wir so die Aufmerksamkeit eines Gangster-Bosses auf uns gelenkt, werden wir zum Gespräch eingeladen. Hier können wir uns taktisch verhalten und versuchen das Gespräch so zu lenken, dass wir die einzelnen Clans wie Schachfiguren für unseren Plan als Verbündeten oder Feind platzieren oder wir verfolgen von Beginn an unsere striktes Ziel alleiniger Herrscher der Stadt zu werden und schießen alle über den Haufen. Nach einigen Dialogen, in denen wir entsprechende Antwort-Möglichkeiten auswählen können, hat man schnell raus, welche Antwort zu welchem Ergebnis führt. Bei Kompromisslösungen werden wir meistens mit geringen Geldbeträgen oder Waren abgespeist oder es wird sogar verlangt, dass wir uns zurückziehen. Viel lukrativer ist es daher, den Dialog eskalieren zu lassen, sodass wir in einem finalen Kampf den Laden komplett übernehmen und unseren Einfluss mit “wenig” Aufwand deutlich ausweiten. Hier wurde leider viel Potenzial verschenkt, da wir durch die Wahl des Krieges immer das bessere Ergebnis erzielen werden. Taktische Bündnisse, die sich eventuell zu Beginn lohnen, um später dann eine Übernahme zu forcieren, werden hier von vornherein ad absurdum geführt.
Rundenbasierte Abschlachtung
Somit fokussieren wir uns also auf die Übernahmen der einzelnen Läden. Diese erfolgen in rundenbasierten Kämpfen, wie wir sie aus Gears Tactics und der X-COM Reihe kennen. Dabei bewegen wir unsere Charaktere wie Schachfiguren über das Spielfeld. Taktisch kluge Züge vorausgesetzt, positionieren wir uns so hinter der feindlichen Linie oder gehen in Deckung, um bei den nächsten Zügen des Gegners nicht getroffen zu werden. Wir verfügen dabei pro Spielfigur über eine gewisse Anzahl an Aktionspunkten, die sich entweder für eine Aktion (bspw. Angriff, Nachladen oder Fähigkeit nutzen) einsetzen lassen, oder die für längere Laufwege aufgebraucht werden können.
Die individuellen Waffen und Fähigkeiten geben uns hier zudem taktische Elemente. So können wir mit einer vollautomatischen Waffe ein Streu- und Deckungsfeuer aufrecht erhalten, welches unseren weiteren Figuren das schadensfreie Weiterlaufen ermöglicht. Die Kämpfe gestalten sich dabei überraschend flexibel und wenig vorhersehbar. Die Genauigkeit der Waffen sowie die Entfernung spielen für erfolgreiche Treffer zwar eine entscheidende Rolle, ärgerlich ist jedoch, dass Schüsse aus nächster Nähe nicht immer erfolgreich sind und somit böse Überraschungen zu erwarten sind, wenn man todesmutig nach vorne läuft, um dem Feind den finalen Todesstoß zu verpassen und die ganze Ladung Schrot dann aber am Gegner vorbeifliegt. Hier hätte ich mir mehr Realismus und Nachvollziehbarkeit gewünscht.
Die Kämpfe gestalten sich hierbei sehr einsteigerfreundlich und werden in einem umfangreichen Tutorial bis ins kleinste Detail erklärt. Für Veteranen dürfte dies zwar zu viel des Guten sein, jedoch lässt sich das Tutorial auch überspringen.
Atmosphäre vs. Technik
Wie eingangs angesprochen, weis mich das Setting zu überzeugen. Die musikalische Untermalung und die Dialoge, die nur in englischer Sprachausgabe aber mit vollständigen Untertiteln aufwarten, erzeugen eine angenehme und überzeugende Atmosphäre. Direkt bei der Charakter-Auswahl wird Neugierde erzeugt, weil bekannte Namen und Geschichten vorhanden sind, die teilweise jedem etwas sagen sollten. Die große Auswahl an unterschiedlichen Charakteren lädt zudem zum mehrmaligen Neuanfangen ein. Auch sind die Reaktionen im Spiel nachvollziehbar. Kein Gangster-Boss lässt uns ohne Gegenwehr sein Imperium übernehmen und auch wenn die Dialog-Option unsererseits meistens in Richtung Krieg gesteuert wurden, lassen sich zwischen den Zeilen die hinterhältigen Gedanken der Konkurrenz erhaschen, die uns erwarten würden, sollten wir auch nur ein wenig klein bei geben. Das eigene Imperium wachsen zu sehen, motiviert zudem zum Weiterspielen und hat für einige spaßige Stunden gesorgt.
Wären da nicht die technischen Limitierungen. Empire of Sin bietet keine Grafikpracht und auch die Ladezeiten sind trotz Test auf der PS4 Pro nicht zeitgemäß. Jeder Raumwechsel wird mit sekundenlangen Ladezeiten bestraft und das, obwohl nur kleinere Räume in Vogelperspektive geladen werden. Hier vergeht einem schnell die Lust aufs Warten. Auch ist das Spiel leider mehrmals abgestürzt, was mich direkt zu Beginn zu einer Schnell-Speicher-Orgie hat hinreißen lassen, was auf lange Sicht ebenfalls ermüdend ist. Hier sind noch dringend Updates notwendig.
Fazit
Die Entwickler von Empire of Sin haben mich mit einer interessanten Idee geködert und am Ende leider unvollendeter Dinge zurückgelassen. Die Idee von der Verknüpfung des rundenbasierten und taktischen Kämpfens mit den marktwissenschaftlichen Management-Elementen eines Mafia-Imperiums haben sehr viel Potenzial, konnten aber aufgrund der Unausgeglichenheit bisher nicht überzeugen. Wenn es finanziell und zielorientiert mehr Sinn macht alles zu überrennen, als taktisch zu investieren, dann führt dies über kurz oder lang dazu, dass eines der Spiel-Elemente hinten runter fällt. Dies ist bei Empire of Sin leider passiert. Die für sich genommenen Elemente funktionieren soweit gut, greifen aber nicht synergetisch ineinander, sodass hier ein spürbares Ungleichgewicht im Gameplay entsteht. Mit dem Aufbau meines Imperiums hatte ich dennoch sehr viel Spaß und es machte Freude jeden einzelnen Stadtteil nach und nach zu übernehmen und das eigene Regime wachsen zu sehen. Für einen weiteren Spieldurchlauf reichte dann aber leider die Abwechslung nicht. Hier kann man mit zukünftigen Updates, die das Gleichgewicht der einzelnen Gameplay-Inhalte herstellen, sicherlich noch gegensteuern. Dem Titel wäre es zu gönnen.