This is the real Deal. Richtig perfekt kann Retrozocken eigentlich nur auf Original Hardware sein. Ob Game Boy oder Mega Drive, Amiga oder Lynx, echte Originalität rundum bieten natürlich nur die Originalgeräte und Spiele aus der guten, alten Zeit. Dumm nur, dass damit eine Menge Fußangeln und Probleme einhergehen. Da wäre der reine Kostenfaktor. Mega Man X, das sich auch auf Nintendos Classic Mini SNES findet kostet als Modul ganz schnell ähnlich viel wie die neue Retrokonsole. Auch ein Turrican wird schnell teuer, auf jeder Konsole. Aber auch der Pflegeaspekt ist elementar, angefangen bei simpler Reinigung über möglichst originale Ersatzteile bis hin zu notwendigen Reparaturen. Im Retrosegment macht sich schnell mal bemerkbar, dass Elektronik nicht immer ewig hält. Und natürlich wäre da noch die Frage nach dem Bild. Das ja vielleicht auch wie damals aussehen soll.
Meine erste Sammlung
Wer wahllos alles sammelt hat schnell eine ganze Reihe von Problemen. Platz geht aus, die Kosten explodieren, man kommt eh nie dazu, alles zu spielen und verliert vielleicht sogar die Lust an der Sache. Ein Fehler, den ich auch selbst mal vor langer Zeit gemacht habe. Sinnvoll ist, sich Sammelgebiete abzustecken, die besonders interessant sind. Für viele sind das natürlich Konsolen und Spiele, die man selbst mal hatte. Oder Dinge, die man damals haben wollte, aber nicht bezahlen konnte. Das erklärt vielleicht zum Teil auch, warum manch ein extrem erfolgreiches und entsprechend häufiges Spiel heutzutage erstaunlich hochpreisig gehandelt wird. So oder so, der eigenen Sammlung Grenzen zu setzen ist extrem sinnvoll. Ganz besonders, wenn man nicht regelmäßig als Verkäufer aktiv sein will. Konzentrieren wir uns, anders als üblich, mal auf die erste PlayStation.
Konsolen finden sich hier wie Sand am Meer. Gerade in den Kleinanzeigen lassen sich funktionsfähige Modelle oft für sehr kleines Geld schießen. Problematisch wird es erst bei bestimmten Baureihen. Die ersten SCPH-1002 Euromodelle sind heutzutage wirklich selten. Einerseits starteten erst spätere Baureihen so richtig durch, andererseits haben viele dank Laserproblemen längst das Zeitliche gesegnet und sind auf dem Müll gelandet. Auch Originalverpackungen sind nicht unbedingt die Regel. Von Debugging Modellen oder der Net Yaroze mal ganz zu schweigen. Im Endeffekt sind so Preisspannen von unter zehn bis über 1.000 Euro für eine gut erhaltene Net Yaroze mit Originalverpackung durchaus drin. Wer einfach nur spielen will kommt günstig weg. Sammler können hier aber auch reichlich Kohle versenken. Planen sollte man auch beim reichlich erhältlichen Zubehör. NegCon, der doppelte Flightstick und sogar GunCon sind zwar nicht zwingend teuer, summieren sich aber schnell.
Ein Blick auf die Softwarepreise lohnt sich ebenfalls. Ein Großteil der PlayStation 1 Spiele ist heutzutage relativ günstig zu bekommen. Das gilt allerdings mehr für die damals modernen 3D Titel. Die 2D Spiele hingegen, sind im Schnitt von vornherein teurer. Heart of Darkness etwa, vor einigen Jahren noch spottbillig, ist mittlerweile meist ab zehn Euro, und die einzelnen Discworld schnell zwischen 20-50,- Euro zu haben. Der sehr früh erschienene Run & Gun Titel Rapid Reload wird mittlerweile sogar meist im unteren dreistelligen Bereich gehandelt. Natürlich spielt der Zustand hier eine entscheidende Rolle. Gut erhaltene Originalhülle, Anleitung und möglichst kratzerarme Disc sind alles Faktoren, die den Preis treiben können. In einigen Fällen sogar deutlich.
Noch extremer ist das Bild oft bei Nintendos Game Boy. Wer hier einfach lose Module sammelt, der findet gerade auf Flohmärkten fast jedes Spiel für unter fünf Euro. Ein gut erhaltenes Metroid 2 mit Originalkarton kostet dagegen mittlerweile ganz schnell über 100,-Euro. Natürlich macht die Art der Sammlung hier einen gigantischen Unterschied. Wer einfach nur spielen will, und keinen Wert auf Vollständigkeit legt, der kann ganz schnell eine ordentliche Sammlung zusammen bekommen. Auf der anderen Seite, lassen sich auch die originalen Nintendo Vitrinen organisieren, die früher in den Geschäften standen. Die kann man natürlich ganz toll mit möglichst neuwertigen Originalkartons befüllen und dabei sein Konto leeren. Letzteres geht mit der passenden Spieleauswahl aber schneller als ersteres.
Mein Name ist Ray, Cathode Ray
Ist der Retrokram erstmal geholt, stellt sich schnell die Frage nach dem Bild. Für viele reicht es nicht, die ollen Kisten an den neuen 4K-TV zu hängen. Erst recht nicht, wenn aktuelle Fernseher immer schlechter mit analogen Signalen umgehen. So stellt sich schnell die Frage, ob hochwertiger aber oft teurer Konverter oder billige, olle Röhre. Framemeister, Open Source Scan Converter und all die anderen Scaler sind noch eine Wissenschaft für sich. Und definitiv die teurere Lösung. Interessanter ist da die klassische Bildröhre oder auch CRT. Natürlich hat die gute, alte Röhre so einige Nachteile. Sie ist zum Beispiel meist ziemlich klobig. Natürlich sind die meisten Röhren mittlerweile auch nicht mehr ganz neu. Es gibt aber auch eine Reihe Vorteile. Lightguns funktionieren damit, selbst gute alte Röhren bekommt man (fast) für umsonst, und Retro Konsolen sehen meist deutlich besser darauf aus. Das hängt mit einer Reihe von Gründen zusammen, angefangen beim einfach deutlich kleineren Bild und aufgehört bei der Tatsache, dass Röhren keine feste, physische Auflösung haben und deswegen sehr gut mit Low Res Material klarkommen.
Besonders interessant sind heutzutage meist Geräte von Grundig, Panasonic, Philips und Sony. Das ware gerade seinerzeit höherwertige und vor allem teure Geräte. Bang & Olufsen baute lange Zeit auch erstklassige Röhren, teils mit besonders gutem Klang. Leider sind hier teilweise die Servicemenüs nur mit reichlich Bastelarbeit erreichbar. Generell sinnvoll sind RGB-Fähigkeit und 60Hz Unterstützung. So sind auch gemoddete Konsolen, die 60Hz Modi neuerer Konsolen wie Dreamcast und dergleichen nutzbar. RGB stellt einfach die beste Bildoption. In der Praxis bietet schon mancher Portable all diese Funktionen, etwa ein Grundig Greenville 370. Dabei sehen auf entsprechenden Fernsehern Titel wie Super Mario Bros 3 aber auch Soul Calibur 3 wirklich gut aus. Anders als ein 60 Kilo Grundig Widescreen Röhrenmonster, ist der auch schnell mal weggeräumt. Ultimative Einstellmöglichkeiten und hohe Bildqualität bieten schließlich Broadcast Monitore wie Sony’s PVM’s und PVM’s. Nachteile haben entsprechende Geräte dagegen unter anderem bei der Handlichkeit, auch dank meist massiver Metallgehäuse. Egal welcher CRT, Röhren altern mit steigenden Betriebsstunden und bleichen früher oder später schlicht aus. Früher oder später muss man sich also womöglich doch damit abfinden, seine alten Schätze an neue TV’s zu hängen.
Repair and Care
Alter heißt Verschleiß. Das gilt leider auch für Elektronik. Elektrolytkondensatoren, kurz Elkos, verabschieden sich beispielweise gern im Alter. Kontakte korrodieren. Oder kalte Lötstellen machen sich bemerkbar. Natürlich kann sich auch mal ein Hardwarebaustein komplett verabschieden. Noch etwas heikler wird es bei Mechanik wie CD- und Diskettenlaufwerken. Abhängig von Alter und Seltenheit der Hardware macht es also Sinn, sich selbst Reparaturfertigkeiten anzueignen oder zumindest jemanden zu kennen, der sowas kann. Oder eben auch eine gewisse Reserve zu haben. In den persönlichen Schatz unerwarteter Erfahrungen gehören unter anderem kalte Lötstellen bei einem Game Boy Modul. Selbst hatte ich den Fehler bei meinem Game Boy nicht finden können, erst ein Retrokumpel war nach einiger Recherche auf die Idee gekommen, mal mit dem Lötkolben drüber zu bügeln. Gewusst wie!
Etwas einfacher steht es oft um Reinigungsarbeiten. Hartnäckigen Dreck inklusive Edding und Nikotingilb kann man sehr gut mit Backofenspray entfernen. Zu den Universalreinigungsmitteln, die in jeden Retrohaushalt gehören, kann man Isopropanol zählen. Der Industriealkohol kann helfen, auch Linsen oder Kontakte zu reinigen, entfettet natürlich auch, sollte wie andere Alkohole aber nicht für Acryl verwendet werden. Natürlich gibt es mittlerweile sogar ein Mittel gegen die allgemeine Vergilbung von Kunststoffen durch Flammhemmer, nämlich Retrobright. Damit natürlich nicht genug gibt es mittlerweile unter anderem auch Schutzhüllen für Nintendo Kartons und allerhand mehr. Praktisch, auch Werkezeuge wie Triwing-Schraubendreher oder Reserveparts wie neue Bildschirmabdeckungen für den Game Boy finden sich mittlerweile ziemlich problemlos. Schwieriger wird es, sobald es noch mehr in die Retro-Nische geht. Bereits beim Sega Saturn ist die Ersatzteilversorgung deutlich dünner. Unterm Strich kommt man auf Dauer schlecht darum herum, sich mit dem Bereich Reinigung, Reparatur und Wartung zumindest ein bisschen auseinander zu setzen.
Pantoffelkino mit Blast Processing
Retro geht erst ab einem gewissen Alter. Entsprechend ist manches schlecht zu bekommen, oder auch einfach sauteuer. Klar, gepflegt sein will der alte Kram eben auch. Tatsächlich geht aber einfach nichts über das Feeling alter Hardware. Ganz egal, wie exakt ein Emulator ist, Haptik oder Geräuschkulisse der Klassiker machen eben auch den feinen Unterschied. Ein PlayStation 1 Spiel, mit den typischen Laufwerksgeräuschen und am besten noch Röhrenbild, ist einfach etwas anderes als PSN Classics auf den modernen Nachfolgern. Es macht sogar einen gut fühlbaren Unterschied ob fetter Ur-Game Boy oder kleiner Color. Richtig interessant wird es dann sogar noch mal, wenn man Star Fox 2 als Repro auf einem echten SNES spielen kann. Oder ein übersetztes Secret of Mana 2. Wobei an der Stelle angemerkt sei, dass kommerzielle Repros ein sehr streitbares Thema sind. Die Frage ist letztendlich, wie viel einem Originalität und natürlich Dinge wie Zustand und Vollständigkeit wert sind. Auch den Platzbedarf sollte man nicht unterschätzen, gerade im Vergleich mit modernen Retrokonsolen wie dem SNES Classic Mini.
Unterm Strich hat letztlich jede Variante, alte Spiele neu aufleben zu lassen ihre Berechtigung. Die originalgetreueste ist natürlich einfach alte Hardware. Allerdings sind die Reserven auch nicht unendlich. Klar, das gilt umso mehr, je seltener Geräte oder Spiele sind, während der Mainstream auf Jahre hinaus eher unproblematisch bleiben wird. Beim Neo Geo sind die meisten natürlich schon alleine preislich schnell raus und werden eher zum Download auf aktueller Konsole, oder zu einer Collection greifen. In vielen Fällen wird aber einfach jeder Spieler für sich entscheiden müssen, wie er alte Spiele neu aufleben lassen will. Die richtige Lösung für jeden gibt es einfach nicht.