Das war sie nun, die erste digitale gamescom. Statt uns zusammen mit hunderttausenden anderen Besuchern durch die überfüllten Kölner Messehallen zu quetschen und sich an viel zu langen Schlangen für Spiele anzustellen, die eh zwei oder drei Monate später in den Läden stehen, haben wir uns auf verschiedenen Internetportalen unzählige Streams, Trailer und natürlich die gamescom Opening Night Live angesehen. Wie sich die Covid-19 Pandemie in den nächsten Monaten bis zur nächsten gamescom entwickeln wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass sich bis dahin alles soweit normalisiert hat, sodass eine reguläre gamescom stattfinden kann. Ähnlich äußerte sich vor kurzem auch ein befreundeter Hersteller für Gamingzubehör, der normalerweise als Aussteller auf der Messe vertreten ist.
Was also, wenn Messen dieser Art in absehbarer Zukunft nicht mehr so schnell stattfinden können und man sich auf digitalen Ausgaben einstellen muss? Die E3 in Los Angeles, die Tokyo Game Show und eben auch die gamescom in Köln. War diese gamescom also die gamescom von morgen?
Streams bis zum Abwinken
An Inhalten hat es bei der diesjährigen gamescom sicherlich nicht gemangelt. Angefangen mit der Opening Night Live bot die gamescom selbst, sowie ihre Partner und Teilnehmer unendliche Stunden an Trailern, Gameplay Material und auch Talks zu bestimmten Themen, wie zum Beispiel ob Games das neue Kino sind. Man hätte deutlich mehr als diese vier Tage damit verbringen müssen, um sich wirklich alles anzusehen. Hier haben die Verantwortlichen vor allem in der Kürze der Zeit gute Arbeit geleistet und versucht den Zuschauern abwechslungsreiche Themen zu bieten. Im Fokus standen natürlich die Games, aber auch die Cosplayer kamen samt Wettbewerb nicht zu kurz und auch Merchandise konnte man sich in großer Auswahl ergattern. Die englisch sprachigen Shows in Zusammenarbeit mit IGN und für die deutschen Fans in Zusammenarbeit mit Webedia (u.a. GameStar, GamePro, MeinMMO) waren durchweg qualitativ gut produziert.
Das Problem, welches die gamescom aber leider hatte ist, dass die Kölner Messe noch nie die großen Neuankündigungen hatte und das war auch in diesem Jahr so. Obwohl die E3 in diesem Sommer gar nicht stattfand und die gamescom im Prinzip die erste größere Messe war, die in diesem Jahr durchgeführt wurde. Die Tokyo Game Show wird ebenfalls wie die gamescom erst später im Jahr digital stattfinden. Die großen Ankündigungen wurden lieber bei anderen digitalen Formaten gemacht wie das Summer Game Fest von Geoff Keighley, dem IGN Summer of Gaming, einem der anderen zahlreichen digitalen Events oder eben bei einer eigenen Show der jeweiligen Publisher/Hersteller.
Wieso auch an das Bein eines Veranstalters binden, wenn man gleich etwas Eigenes produzieren kann? Ganz vorne dabei waren natürlich Microsoft und Sony aufgrund der irgendwann erscheinenden Next Gen Konsolen Xbox Series X und PlayStation 5, aber auch Electronic Arts und Ubisoft haben ihre Neuheiten bei eigenen Events gezeigt. Activision kündigte das neue Call of Duty: Black Ops Cold War sogar lieber einen Tag vorher im Vorgänger Call of Duty: Warzone an, als es im Rahmen der gamescom zu tun. Immerhin wurde dann während der Opening Night Live ein neuer Trailer gezeigt. Ähnlich spärlich war die Teilnahme der anderen Big Player. Microsoft kündigte immerhin die Age Of Empires 3 Definitive Edition an und Sony zeigte neues Material zu Ratchet & Clank: Drift Apart. Dass am Ende Cyberpunk 2077 der große Abräumer bei den gamescom Awards war, obwohl man die Teilnahme des Spiels an der gamescom wirklich mit einer Lupe suchen musste, sorgte nicht nur bei mir für Verwunderung.
Das fehlte zum gamescom-Glück
Liest man sich im Internet durch diverse Kommentarspalten, so waren die allermeisten Zuschauer der gamescom mit den Angeboten eher unzufrieden, sogar von der inhaltlich schlechtesten gamescom aller Zeit war die Rede. So weit will ich nicht gehen, denn in meinen Augen hat die Messeleitung in der kurzen Zeit ein gutes Angebot zusammen gestellt und hatte zum einen das Problem, dass vieles bereits vorher in anderen Events enthüllt wurde, zum anderen fehlte aber eben das, was die gamescom immer ausgemacht hat.
Es fehlte das Event, der Ort wo alle Gamer zum „Klassentreffen“ zusammenkommen. Mit tausenden gleichgesinnten durch die Messehallen schlendern und dem gemeinsamen Hobby frönen. Inhaltlich war die Messe meiner Meinung nach nicht viel schlechter, aber es fehlten eben die großen Stände mit den Blockbustern, die im Vorfeld auf der E3 angekündigt wurden. Anstatt diese Spiele das erste mal in Europa anspielen zu können, gab es wenn man Glück hatte nur neue Trailer zu bestaunen. Das war in der Erwartungshaltung, dass man endlich neue Informationen zur Xbox Series X und PlayStation 5 bekommt, natürlich sehr unbefriedigend. Diese hätte man in normalen Jahren dort ganz sicher das erste mal zur Entscheidungsfindung antesten können, stattdessen weiß man immer noch nicht wann genau diese Konsolen denn rauskommen und wieviel sie kosten.
Insgesamt war es auch sehr mühsam alle Informationen zur gamescom 2020 zusammen zu suchen. Zwar gab es das Portal gamescom Now, aber auch dort waren zum Messestart nicht alles aufzufinden. So tauchten beispielsweise erst im Laufe der Messe die Streams von Bethesda im offiziellen Timetable auf und auch das wirklich gelungene Angebot der Indie Arena Booth fand dort anfangs nur wenig Beachtung.
Was kommt nächstes Jahr?
Hoffentlich wieder eine annähernd normale gamescom in den Messehallen von Köln. Es war zwar schön und wichtig, dass die gamescom irgendwie da war und sich die Gamer über ihre Lieblingsspiele informieren konnten, aber dasselbe war es logischerweise nicht. Die gamescom startete als Convention in Leipzig und das ist laut Definition eine Veranstaltung, auf der sich Menschen mit gleichen Interessen treffen und austauschen können. Online ist das nur schwer möglich. Dazu kommt noch die steigende Erwartung, dass Microsoft und Sony die Karten bezüglich der Next-Gen Konsolen auf den Tisch legen. Die damit verbundene hohe Erwartung an so eine Messe machten es für die Macher schon vor dem Start extrem schwer.
Ich, und ich denke das gilt für alle anderen auch, hoffe, dass die Corona Pandemie im kommenden Jahr soweit im Griff ist und bestenfalls ein wirksamer Impfschutz gefunden wurde, dass die Messe zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehren kann. Meinetwegen auch ein wenig kleiner oder mit regulierten Besucherzahlen, aber auf diesen unzufriedenstellenden Online Wirrwarr habe ich nicht noch ein weiteres Jahr Lust.