The Crew 2 im Test – Per Luft, Wasser und Erde quer durch die USA

Mit The Crew 2 schließt sich für mich ein Kreis. Als der erste Teil 2014 erschien, war GamingNerd.net noch grün hinter den Ohren und ich war froh, wenn überhaupt ein Reviewexemplar bei mir ankam. The Crew war damals das erste Spiel, welches ich von Ubisoft zur Verfügung gestellt bekam, um dafür eine Review zu schreiben. Daher freue ich mich jetzt umso mehr, dass auch The Crew 2 auf meinem Tisch gelandet ist.

The Crew 2 geht in die Lüfte

Die größte Gemeinsamkeit zum Vorgänger ist wohl die riesengroße Karte. Auch im zweiten Teil dürfen wir wieder die komplette USA bereisen und dadurch, dass man sich nicht mehr nur zu Land bewegt kann man tatsächlich jeden Winkel der Vereinigten Staaten erkunden. Während sich hinter dem ersten Teil noch eine in Ansätzen düstere Story um Mord, Intrigen, Verbrechersyndikate und das FBI versteckt, wird im zweiten Teil mehr oder weniger komplett drauf verzichtet. Im neuen Ableger schlüpfen wir in die Rolle eines Noname Rennfahrers bzw. angehenden Influencers, der sich in den Kampf um Follower in den sozialen Medien stürzt. Hmm, kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Auch in Forza Horizon 3 musste man Fans um sich scharen, um im Spiel weiter voran zu schreiten. Wie auch immer, da eben diese Follower quasi eure Erfahrungspunkte sind und man diese naturgemäß benötigt, um im Spiel voran zu kommen, nehmen wir diese Herausforderung natürlich an.

Wo sich der erste Teil erst nach mehreren Updates und DLCs zu einem annehmbaren Open World Rennspiel gemausert hatte, bietet The Crew 2 nun von Haus aus eine Menge Abwechslung. In vier verschiedenen Renn-Bereichen, denen jeweils drei oder vier weitere Klassen zugeordnet sind, messen wir uns in verschiedensten fahrbaren Untersätzen. Hier sind wir auch schon bei der größten Neuerung. Denn in The Crew 2 gehen wir bei Kunstflug- oder Air Race-Wettbewerben auch in die Lüfte oder fahren mit dem Speedboot oder Jetsprint Boot über das offene Meer oder eines der zahlreichen Gewässer in den USA. Aber auch Monster Truck Wettbewerbe, in denen wir möglichst viele Kunststücke absolvieren und Punkte sammeln müssen, oder Motorrad-Rennen als Rally oder Motocross-Variante erhöhen die Abwechslung auf dem Boden. In der sogenannten Extreme Series, die sich über die gesamte USA erstreckt, werden die verschiedenen Klassen dann gemixt und je nach Veranstaltung, geht es in einem einzigen Rennen durch die Luft, über das Wasser und über die Erde.

Oh mein Gott, dieses Gummiband

Und hier kommt auch schon für mich das größte Ärgernis des Spiels. Wenn es um ein Arcade Rennspiel geht, dann ist auch der obligatorische Gummiband-Effekt mit an Bord. Das ist auch gut so und diesen wegzulassen ist die Sache von Rennsimulationen, wobei selbst Forza Motorsport dieses in stark abgeschwächter Form mit dabei hat. Aber was die Entwickler von Ivory Tower hier abgeliefert haben, sorgte bei mir persönlich für unheimlich viel Frust.

Falls jemand nicht weiß, was dieser Gummiband-Effekt bewirkt, eine kurze Erklärung. Dabei handelt es sich um ein imaginäres Gummiband, welches die Computer-Gegner langsamer fahren lässt sobald man als Spieler zurückfällt, oder sie schneller fahren lässt, wenn man in Führung liegt. Man hält sie quasi zurück oder zieht sie hinter sich her. Soweit so gut und wie bereits erwähnt, ist dies in Maßen auch vollkommen okay und eben in Arcade Rennspielen auch nötig.

In The Crew 2 finde ich eben dieses Gummiband deutlich zu stark und nicht ausgewogen. Als Beispiel möchte ich mal das Hypercar Rennen von New York nach San Francisco anführen, also einmal von der Ost- zur Westküste der USA. Durch die Länge des Rennen war der Effekt hier natürlich mehr als deutlich, ist aber genauso auch bei jedem anderem Rennen zu beobachten.

Und zwar hatte ich relativ am Anfang des Rennens durch zwei, drei Fehler einen großen Abstand zum Feld. Diesen bekommt man im übrigen sehr schnell, da man beim zurücksetzen auf die Strecke völlig übertriebene 30 Sekunden vor den Unfall zurück gesetzt wird. Das kann man entweder selber auslösen, weil man sich in eine Ausweglose Situation manövriert hat, es passiert aber auch bei stärkeren Kollisionen mit der Umgebung oder herumfahrenden Autos. Rückspulfunktion: Fehlanzeige.

Trotzdem habe mich nach und nach wieder herangekämpft. Einen Gegner nach dem anderen wieder eingeholt, die unter sich auch einen relativ hohen Abstand zueinander hatten. Irgendwann, als ich dann wieder zweiter war, ist mir wieder ein Fehler unterlaufen, so dass mich die nachfolgenden Fahrer überholen konnten. Erwartet hatte ich, dass dieses vielleicht ein oder zwei Autos sein werden. Überrascht war ich, als plötzlich alle Gegner wie an einer Perlenkette an mir vorbeirauschten. Die vorherigen Abstände waren wie weggeblasen, sie klebten quasi an meinem Heck. Beim bereits erwähnten Forza Horizon ist dies deutlich besser umgesetzt, klar gibt es hier auch einen Gummiband-Effekt, dieser ist aber deutlich ausgewogener. Die Abstände bleiben größtenteils erhalten, auch wenn man Gegner überholt hat und es ist durch gutes Fahren möglich einen Abstand herauszufahren. Das geht bei The Crew 2 zwar auch, aber eigentlich nur wenn man sein Gefährt hochgerüstet hat und den Gegnern in dieser Hinsicht überlegen ist. Hierbei hätte ich mir übrigens etwas mehr Einflussnahme gewünscht. Nach jedem erfolgreich abgeschlossenen Event bekommt man ein paar Teile als Belohnung, die auf jeden Fall die derzeit verbauten übersteigen. Allerdings werden diese zufällig ausgewählt. So kann es passieren, dass man für einen Bereich viele verschiedene Teile hat, für den einen wichtigen aber gar nichts bekommt. Auch einen Shop um gezielt Teile zu kaufen gibt es nicht. Schade.

Zum Glück kommt der Gummiband-Effekt auch nur bei den Rennen zum Tragen, wo es wirklich um Platzierungen geht, auch wenn die in der Überzahl sind. Bei den Wettbewerben, wo es eine bestimmte Zeit oder Punktzahl zu schlagen, beziehungsweise erreichen gilt, bleibt man davon verschont. Frustrierend ist es trotzdem, wenn man aufgrund des Gummiband-Effekts ein gutes Rennen wegen eines Fehlers kurz vor Schluss noch aus der Hand gibt, wogegen man ein schlechtes Rennen mit einem guten Ende ins Ziel bringen kann, wenn man sich steigert.

Trotz dieser Defizite macht The Crew 2 Spaß, auch wenn das Frustlevel mitunter hoch ist. Das liegt auch daran, dass ich den Vorgänger kenne und die Fortschritte besonders in der Fahrphysik sehe. Diese ist zwar sehr arcadig und verzeiht sehr viele Fehler, manchmal fährt man wie auf Schienen. Trotzdem ist dies ein großer Fortschritt im Vergleich zum Vorgänger und ich würde das Endergebnis von der Qualität irgendwo zwischen Forza Horizon und den letzten Need for Speed-Teilen ansiedeln. Im ersten Teil war das unversehrte Ankommen am Ziel teilweise ein Glücksspiel, weil das Verhalten mehr als schwammig und weit weg von einem ordentlichen Rennspiel war. Hier hat Entwickler Ivory Tower auf jeden Fall einen großen Schritt nach vorne gemacht und an den richtigen Schrauben gedreht.

Wieso heißt das Spiel nochmal The Crew?

Ja wieso eigentlich? Beim Vorgänger war es aufgrund der Story um eine Autobande ziemlich offensichtlich, warum man sich für den Titel entschieden hat. Die Story vom zweiten Teil, wenn man sie so überhaupt nennen will, rechtfertigt diesen Titel nicht unbedingt. Übrig bleibt die Möglichkeit mit bis zu vier Spielern durch die virtuelle USA zu cruisen – Eben als Crew.

Das macht nicht nur Spaß, es funktioniert auch noch einwandfrei. Aber alles andere wäre auch eine herbe Enttäuschung gewesen. Immerhin hat Ubisoft mittlerweile genügend Erfahrung darin, vier Spieler miteinander zu verbinden und gemeinsam Missionen und diesem Fall Rennen zu absolvieren. Tom Clancy’s The Division oder Ghost Recon Wildlands schlugen in die selbe Kerbe. Genau wie bei den meisten anderen Spielen wertet es den Spielspaß des Spiels nochmal gehörig auf. Wenn es aber doch mal unheimlich nervig wird, dann liegt es eher an den Fahrkünsten des Crew-Mitglieds, weil man mal wieder warten darf, da dieser mal wieder den Baum geküsst hat. Denn die Ladezeiten sind trotz der riesigen Welt nur beim Start des Spiels wirklich lang, dazwischen sind diese Moderat.

Abwechslungsreiche Spielwelt lädt (vielleicht) zum Erkunden ein

Für jemanden wie mich, der einfach gerne in der Spielwelt umherfährt, hat mir auch schon immer am meisten Spaß bei GTA gemacht, bietet The Crew 2 abseits der Rennen zusätzlich unheimlich viel. Die virtuelle USA ist trotz ihrer komprimierten Form unheimlich groß und bietet ebenso viel Abwechslung. Für das erwähnte Hyper Car Rennen von New York nach San Francisco habe ich ganze 45 Minuten gebraucht. Prägnante Gebiete oder Städte wie New York, Detroit, San Francisco, Los Angeles oder Miami wurden mit einer unheimlichen Liebe zum Detail in das Spiel eingebunden. Wenn man bereits Städte selbst bereist hat, dann findet man unter Garantie Hotspots wieder, an denen man schon selber war und sich gerne zurück erinnert. In meinem Fall waren es zwar nur New York und Miami, aber aus Filmen kennt man ja auch die anderen Städte ganz gut und ihre Prägnanten Gebäude.

Schöner umgesetzt fand ich allerdings die ländlichen Gebiete. Während diese in der offenen Beta noch etwas karg und lieblos aussahen, besonders was die Positionierung von Vegetation wie Bäumen und Pflanzen angeht, hat es sich zum fertigen Spiel deutlich verbessert. Was ich schon beim Vorgänger angesichts unheimlich gut umgesetzt fand, waren die Übergänge zwischen den landschaftlichen Besonderheiten. Egal wo man sich befindet, man merkt nicht beim umher fahren wie sich die Umgebung verändert. Keine harten Wechsel, bei denen alles plötzlich ganz anders aussieht. Aufgrund der Größe der Welt, muss man natürlich hier und da ein paar Abstriche machen. Bleibt man mal stehen oder bewegt sich nur langsam, sieht man schon, dass Texturen nicht ganz scharf sind oder die wenigen Menschen, welche die Städte bevölkern, sich immer nach dem selben Muster bewegen. Gleiches gilt für die wilden Tiere überall in der Welt, die sich doch etwas staksig bewegen. Bei voller Fahrt fällt einem das natürlich nicht auf und normalerweise bewegt man sich auch etwas flotter fort. Etwas überraschend fand ich aber trotzdem, dass selbst auf der Xbox One X, der derzeit stärksten Spielekonsole auf dem Markt, während der Fahrt Objekte in relativ geringer Entfernung einfach so aufploppten. Waren dann auch eher kleinere bis mittelgroße Objekte wie Sträucher oder Schilder, aufgefallen ist es mir aber trotzdem relativ häufig.

Allerdings gibt es auch ein paar Ungereimtheiten, die man hätte besser umsetzen können. Eine wäre das Wetter, welches zwar dynamisch ist, aber für die ganzen USA gilt. Wetterberichte sind so zumindest schnell abgehandelt, weil das Wetter einfach überall gleich ist. Ist es nebelig in den Bergen von Seattle, dann ist es das auch in Texas. Schnee in den Rocky Mountains bedeutet auch glatte Straßen auf den Florida Keys. Hier hätte ich mir schon verschiedene Klimazonen mit verschiedenen Wettereinflüssen gewünscht. Das was man bei der Vegetation hinbekommen hat, muss doch auch beim Wetter möglich sein. Ein anderes etwas seltsames Phänomen ist das hügelige Wasser. Ja, hügeliges Wasser. In The Crew 2 fährt man ab und zu auch mal mit dem Boot bergauf, und damit meine ich keine Wasserfälle. Beispielsweise im New Yorker Central Park scheint das Wasser bergauf zu fließen und wenn man diese Stelle passiert, wird das Boot auch tatsächlich langsamer.

Schade finde ich auch noch, dass das Spiel nicht in Form von Sammelaufgaben oder Missionen zum Erkunden einlädt. Zwar gibt es Fotoaufgaben, bei denen man bestimmte Dinge fotografieren muss, aber beim Vorgänger fand ich dies besser gelöst. Dort gab es im ganzen Land verteilt Sehenswürdigkeiten, die man besuchen konnte und dann ein paar Infos dazu angezeigt bekam. So hat man sogar noch ein wenig zu den USA gelernt, denn dort waren auch Spots in ländlichen Gebieten dabei, die man bei Städtetrips in den Metropolen nicht unbedingt auf dem Schirm hat. Stattdessen bekommt man die Fotoaufgaben angezeigt, wenn man sich zufällig in der Nähe befindet und teilweise können diese auch in unterschiedlichen Gebieten erledigt werden. Sehr schade, denn mit einer motivierenderen Aufgabe hätte man vielleicht noch den ein oder anderen zum Erkunden ermutigen können. Die Blitzreise-Funktion, die von Anfang an freigeschaltet ist, tut es zumindest nicht.

Lieblose Synchro, guter Soundtrack

Grafisch kann das Spiel also schonmal gefallen. Etwas Enttäuschter war ich von der deutschen Synchronisation von The Crew 2. Von Ubisoft war ich in dieser Hinsicht bisher immer angetan, aber die wenigen Einspieler oder Kommentare während der Wettbewerbe wirkten irgendwie lieb- und emotionslos. Zumindest haben sie nicht die Stimmung transportiert, die es gebraucht hätte. Besser war hier der Soundtrack in Form der musikalischen Untermalung. Nie wirklich aufdringlich und oder störend, reihten sich Songs aus allen möglichen Genres von Rock, über Elektro und Rap, bis hin zu Latino oder Klassik aneinander.

Fazit

The Crew 2 ist ein gutes Spiel und bietet von Beginn an deutlich mehr als der erste Teil der Serie, trotzdem hat man immer das Gefühl, dass Ivory Tower mehr wollte als das was abgeliefert wurde. Der extreme Gummiband-Effekt und auch die etwas unfaire Rücksetzfunktion sorgen immer wieder für Frust. Trotzdem macht das Spiel aufgrund der Abwechslung und zahlreichen Rennklassen Spaß. Die riesige Spielwelt wird allerdings nur halbherzig ausgespielt und lädt dank Blitzreise dazu ein, das Umherfahren und Entdecken einfach auszulassen. Aber irgendwie ist man dann auch selber schuld, wenn man das bei einem Spiel wie The Crew 2 auslässt. 

The Crew 2
Grafik/Präsentation
75
Story/Atmosphäre
64
Gameplay
75
Multiplayer
75
Spielspaß
70
Leserwertung1 Bewertung
50
72