Rad Rodgers im Test – Jazz Banjo Nukem goes 2018

Rad Rodgers hat dank einer erfolgreichen Kampagne auf Kickstarter das Licht der Welt erblickt. Im Jahr 2016 gestartet, konnte die Kampagne 80.000 Dollar einspielen, das Ziel von 50.000 Dollar somit übertreffen und wurde entsprechend ein großer Erfolg. Ursprünglich mit dem Titel Rad Rodgers: World One für PC erschienen, lässt die Konsoleniteration tatsächlich den gesamten Suffix „World One“ fallen.

Das Studio hinter Rad Rodgers ist Interception Studios (mittlerweile in Slipgate Studios umbenannt). Dieses Team hat sich alle Mühe gegeben, dem Spieler das Kindheitsgefühl zurückzugeben, als die Konsole stundenlanger Begleiter jedes Tages war. Und das hat das Studio erreicht, indem es für viele ein nostalgisches Genre gewählt hat: Plattformen voller Action, oder etwas präziser: Run and Gun.

Wahr gewordene Träume

Die Geschichte von Rad Rodgers erzählt von ebenjenem Rad, einem Jungen, der es liebt, Stunde um Stunde an seiner Konsole zu zocken. Nachdem ihn seine Mutter zur Zahnpflege und Nachtruhe gezwungen hat wacht Rad plötzlich in seinem Lieblingsspiel auf, ohne zu ahnen, wie er dort hingekommen ist. Aber er hat auch nicht viel Zeit zum Nachdenken: Seine Konsole Dusty ist lebendig geworden und hat ihn in diese Welt begleitet. Das lebendige Unterhaltungsgerät schaut aus seinem Rucksack und fällt gleich mit einer großen Klappe und markigen Sprüche auf. Nach einigem Hin und Her erzählt Dusty Rad, dass der Älteste Baum von bösen Mächten erobert geworden ist und sie ihn retten müssen. Nach dieser ersten Zwischensequenz entwickelt sich die Story bis zum finalen Boss-Kampf hin nicht mehr. Eine Waffe in die Hand gedrückt, ein paar kurze Erklärungen und dann geht’s auch schon los und Rad genießt seinen Traum: der Star seines eigenen Lieblingsspiels zu sein.

Es darf gesammelt werden!

Die Mechanik des Spiels ist ziemlich einfach und emuliert perfekt die Plattformer der Achtziger und frühen Neunziger. Die beiden Charaktere, Rad und Dusty, die anthropomorphe Spielkonsole, haben eine symbiotische Beziehung. Dusty reitet in Rads Rucksack mit. Rad rennt, springt und schießt, Dusty hilft Rad beim Klettern und Zerschmettern mit seinen Teleskophänden. Diese Art von Beziehung und das damit verbundene Gameplay sind aus dem Nintendo 64-Spiel Banjo-Kazooie bekannt. Rad muss mit Waffengewalt mit den Feinden fertig werden, auf die er trifft. Während er zur Beseitigung der Gegner einerseits aus seiner Knarre ballert, kann er wie erwähnt andererseits auch Dusty auf seinem Rücken mal kräftig mit der Faust auf den Boden schlagen lassen. Doch dieser Spezialangriff ist nicht unendlich frei verfügbar: Besiegte Feinde lassen violette Items zurück, wenn sie vernichtet werden, mit denen Dustys Fausthieb wieder aufgeladen werden kann. Zudem gibt es in jedem Level eine bestimmte Anzahl Diamanten einzusammeln. Weiterhin begegnet Rad nicht nur Gegnern, sondern auch verschiedenen NPCs, die ihm verschiedene Boni oder Power-Ups überreichen.

Insgesamt bietet Rad Rodgers acht klassische 2D-Level und einige spezielle Bonuslevel. In jedem der klassischen Levels müssen vier Teile gesammelt werden, die dann ein rundes Medaillon bilden, womit die Tür zum nächsten Level entriegelt wird.

Es gibt vier temporäre Waffenmodifikationen, die Rad finden kann um seine Knarre entsprechend aufzurüsten. Er kann beispielsweise die Schussfrequenz seiner Waffe vom Einzelschuss in eine Maschinengewehrsalve verwandeln, ein anderes Item startet die Super-Laser-Pistole, die einen kraftvollen purpurnen Strahl auf Rads Feinde feuert.
In jedem Level existieren verschiedene Speicherpunkte, die aufgrund ihres Aussehens schnell identifiziert werden: Eine rotierende 3,5“-Diskette symbolisiert die Speicherpunkte, aktiviert man diese, ertönt dabei das wohlvertraute, symphonische Schnarren des entsprechenden Laufwerks, wenn sich dessen Lesekopf bewegt. Jenseits des geraden Weges zum Ausgang bieten die Levels einiges an Geheimgängen, was den Wiederspielwert erhöht. Dabei sind die Abschnitte größtenteils so gestaltet, dass sie sich offen anfühlen, aber man wird sich nie verloren fühlen.

Mitunter gelangt Rad in den Levels an Stellen, an denen er nicht so ohne weiteres vorbeikommt – wenn beispielsweise eine Plattform fehlt, die nötig ist, um eine andere zu erreichen. Hier kommt das Pixelverse ins Spiel: In diesen Minispielen wechselt das Spiel in eine Art Matrix, in der Dusty gesteuert wird. Meist muss man Dusty nur durch ein Labyrinth bewegen und an den richtigen Stellen auf Knopfdruck auf einen Gegenstand schlagen. Sobald diese Passagen gelöst wurden, werden die fehlenden Pixel wiederhergestellt und die erwähnte fehlende Plattform erscheint und wird begehbar. Pixelverse-Level sind eine ganz nette Idee, dem Rest des Spiels aber nicht gewachsen. Sie sind sogar ziemlich irrelevante Abschnitte, in denen die Möglichkeit, besiegt zu werden, fast gleich Null ist und in denen der Eindruck, nur Füllstoff zu spielen, deutlich zutage tritt.

Unnötige Härte

In bester Tradition von Conker’s Bad Fur Day führen Rad und Dusty Dialoge, für die im Hauptmenü extra eine Zensurfunktion eingerichtet wurde. Allerdings zensiert diese Untertitel und nicht das gesprochene Wort. Da wird mit Schimpfwörtern, Unflätigkeiten und Witzen auf Grundschulniveau um sich geworfen, dass Liebhaber eines solchen Humors ihre wahre Freude haben werden. Leider erreicht die Obszönität irgendwann einen Level, der für den einen oder anderen Spieler ein bisschen zu viel sein könnte. Und es wirkt im weiteren Verlauf immer wieder mal so, als ob viele „Gags“ nur um der Geschmacklosigkeit Willen geschmacklos sind. Es scheint, als ob die Entwickler in einem endlosen Zyklus steckten, jede vulgäre Unterhaltung durch noch eine vulgärere zu übertreffen. Wenn es für die harte Sprache einen eigentlichen narrativen Grund gäbe, wäre das ja noch akzeptabel. Leider ist es aber so, dass das Spiel ohne die geschmacklosen Plappereien genauso unterhaltsam wäre wie mit dem verbalen Auswurf.

Technisch einwandfrei

Die große Stärke von Rad Rodgers ist die Sorgfalt, die in die visuellen und akustischen Details investiert wurde. Die Musik ist sehr aufwendig und erinnert an die Spiele der Commander Keen-Ära. Die Soundeffekte (bei der Speicherpunkt-Diskette angefangen) sind knackig und passend, zudem wurden Rad und Dusty eine (zumindest im Englischen) rotzfreche und unflätige Sprachausgabe spendiert. Prominenz ist hierbei ebenfalls am Start: Jon St. Jon, der der Dusty-Konsole seine Stimme leiht, ist auch der Sprecher des berüchtigten Duke Nukem. Die Bildrate ist stabil, so dass keine Fehler das Abenteuer behindern. Rad Rodgers verwendet die Unreal 4-Engine, um sehr detaillierte 2D-Welten voller leuchtender Farben und greller Partikeleffekte zu erstellen. Die Levels sind nicht nur interessant und vielfältig, sondern auch unglaublich schön.

Einziger dicker Wermutstropfen ist der Umfang. Trotz der Namensänderung, die impliziert, dass das Spiel viel mehr Inhalt als seine ursprüngliche PC-Version enthält, fügt es dieser nur ein paar zusätzliche Levels und Bonusstufen hinzu. Der ursprüngliche Name („World One“) ist viel passender, weil sich das vorliegende Spiel wie ein Stück von einem viel ehrgeizigeren, größeren Projekt anfühlt. Ob es aber überhaupt eine Fortführung gibt, das steht in den Sternen.

Fazit

Rad Rogers steht in der Tradition der PC-Klassiker Jazz Jackrabbit und Commander Keen, zitiert die ersten beiden Duke Nukem-Spiele und bedient sich fleißig bei Conker’s Bad Fur Day, Banjo-Kazooie und einer Prise Mega Man. Dieser bunte Mischmasch ist grundsätzlich gelungen, wenngleich einige Designschnitzer den Genuss trüben: Das Spiel ist einfach zu kurz – zwar gibt es in den Levels viel zu entdecken, allerdings braucht man für jede Stage kaum länger als zwanzig Minuten Spielzeit. Knackige Bosskämpfe fallen zudem weg, es gibt nur einen Endgegner. Die unflätige Sprache wirkt hier aufgesetzt und stößt mitunter unangenehm auf. Dagegen hat Rad Rogers auf der Habenseite eine tolle Technik, solide Steuerung ohne Macken und profitiert erheblich von einem großen Nostalgiebonus. Wer mit dem eingangs in diesem Fazit erwähnten Titeln noch Erinnerungen verknüpfen kann, wird hier seinen Spaß finden. Alle anderen wenden sich schnell wieder ab.

Rad Rodgers
Grafik/Präsentation
79
Story/Atmosphäre
75
Gameplay
70
Spielspaß
73
Leserwertung0 Bewertungen
0
74