Retrogaming heute Teil 3 – Neue Konsolen für alte Spiele

Spätestens seit dem NES Classic Mini dürfte so ziemlich jedem klar sein, es gibt auch Leute die nagelneue Hardware für steinalte Software kaufen. Dabei ist Nintendos Retrokonsole weder die ungewöhnlichste noch die abgefahrenste Kiste. Auch neu ist das Thema längst nicht mehr. Der ein oder andere wird sich vielleicht noch an ein Mega Drive Handheld beim Aldi erinnern, das es erstmalig vor neun Jahren zu kaufen gab. Noch etwas älter ist ein C64 ‚On a Stick‘ im Competition Pro Gehäuse. Vergleichsweise neu sind dagegen ein Hyperkin Retron 5 oder Cyber Gadgets Retro Freak, beides Geräte die sich vorwiegend an Besitzer von Originalspielen richten. Von der Möglichkeit etwas selbst zu basteln mal ganz zu schweigen. Allerdings bietet längst nicht jede neue Retrokonsole die gleiche Qualität wie Nintendos neues NES oder SNES. Und auch in ihren Fähigkeiten unterscheiden sich die Retrokisten teils gewaltig.

Geschlossene Gesellschaft

Wohl am ältesten sind All in One Geräte. So erschienen 2004 das erste Atari Flashback sowie der C64DTV, praktisch ein C64 im Competition Pro. Gerade der Flashback war dabei für viele eine Enttäuschung, da hier auf eher NES ähnliche Hardware gesetzt wurde, weswegen alle Spiele teils deutlich veränderte Portierungen waren. Mit dem C64DTV stand auf der anderen Seite ein System, das weitgehend die Fähigkeiten des originalen C64 bot, ja sogar einige Verbesserungen. Leider aber auch einige Bugs. So kann es unter anderem zu gravierenden Fehlern bei der Farbdarstellung kommen. Im Folgejahr erschien unter anderem das Atari Flashback 2, mit deutlich mehr Spielen und Hardware, die weitestgehend dem Atari 7800 entspricht, welches voll abwärtskompatibel zum berühmten 2600er war.

Hier fällt auch schon ein grundlegender Unterschied zu vielen aktuellen Retrogeräten auf. Die älteren Modelle, aber auch einige Pseudo-Retro Geräte neuerer Bauart, setzen auf 8Bit-System on a Chip Konzepte statt auf moderne ARM-SoC’s und Emulation. Ironischerweise heißt das aber nicht, dass entsprechende Geräte besser oder genauer arbeiten.

Zurück zum Flashback und vor allem dem Hersteller AtGames. Dieser produziert nicht nur die mittlerweile achte Generation der Atari Retrokiste sondern auch Colecovision, Intellivision und sogar Mega Drive Neuauflagen. Dazu gesellen sich Handheldvarianten von VCS und Segas 16-Bitter. Gerade das Mega Drive scheint auf den ersten Blick auch besonders interessant, bringt es neben eingebauten Spielen doch direkt einen funktionierenden Modulschacht mit. In der Praxis war bisher leider die Ausgabequalität etwas dürftig und auch andere Mängel finden sich. Erst die neueste Version bietet HDMI.

Coleco- wie Intellivision sind da schon etwas interessanter, wenn auch ebenfalls mit einigen Mängeln in der Emulation. Da es sich hier primär um Geschwindigkeits- und Soundunterschiede handelt, werden die aber vermutlich längst nicht jedem auffallen. Der AtGames Primus bleibt damit das Atari Flashback, ab Herbst in der achten Variante und mit über hundert Spielen.

Natürlich ist AtGames nicht der einzige Hersteller, der solche Geräte anbietet. Ziemlich ungewöhnlich ist etwa das Generations von Retro-Bit, das nicht ein bestimmtes System emuliert sondern über 100 Klassiker vom Game Boy über Arcadeautomaten bis zum SNES. Die Aussagen zur Qualität der Emulation weichen hier aktuell allerdings deutlich ab.

Nur noch zu deutlich erhöhten Preisen zu bekommen, aber ziemlich interessant war schließlich das NeoGeo X, ein Handheld mit einer Reihe eingebauten NeoGeo Titeln und einer Dockingstation im Look der Originalkonsole. Samt Aracde-Joyboard. Auch hier konnte ich bis heute nicht selbst Hand anlegen, das Joyboard soll aber deutlich mehr überzeugen als der Handheld selbst. Auch weitere Spiele kommen NeoGEo X Spieler einigermaßen teuer zu stehen. Dennoch, das Konzept von Handheld mit Dock dürfte ruhig Schule machen.

War da noch was? Klar, Nintendos Classic Mini Reihe. Das NES Mini wird zur Zeit nicht mehr produziert und im Netz zu Mondpreisen gehandelt. Schade, aber immerhin soll 2018 Nachschub produziert werden. Zuerst einmal stimmt die Verarbeitungsqualität, die Controller sind eigentlich sogar richtig gut. Wären da nur nicht die viel zu kurzen Kabel. Aber auch in allen anderen Punkten, Menüführung, Wiedergabequalität und so weiter stimmt das Gesamtbild einfach. Enttäuschend für einige dürfte auch eher die knappe Spieleauswahl gewesen sein. Auch wenn das NES Mini mittlerweile geknackt wurde und die Ludothek dadurch einfach erweiterbar ist.

Auch das SNES Classic Mini ist wieder ein hochinteressantes Gerät geworden, und das nicht nur, weil Nintendo Super-FX Spiele bringt. Allerdings hat ein SFX-Titel hier besonderen Einfluss, nämlich Star Fox 2. Damit bringt Nintendo erstmals einen unveröffentlichten Titel nach über zwei Jahrzehnten doch noch raus. Auch aus der Kritik an den kurzen Kabeln hat man gelernt, wenn auch noch nicht genug. Natürlich kann das SNES Classic Mini auch im Spielbetrieb überzeugen, dank verbesserter Emulation, Rückspulkfunktion und mehr Speicherständen sogar mehr als der Vorgänger. Wie der C64 Mini zeigt ziehen zukünftig aber auch andere mit eigenen Retrokisten nach, und hoffentlich auch weitere Big Player.

Ein Fall für Zwei, oder mehr

Abseits der Built-in-Games Kisten haben sich in den letzten Jahren auch All-in-One Konzepte etablieren können. Retrokonsolen, die Originalmodule abspielen, meist aber von mindestens zwei Konsolen. Mittlerweile sind hier natürlich Hyperkins Retron 5 und die Retro Freak ganz vorne. Aber auch Retro-Bit und andere sind in diesem Sektor aktiv. Am Rande kann man hier auch einige Adapter zuzählen, die (natürlich) auch Retro-Bit bietet. Etwa Game Boy Advance to SNES oder Genesis to SNES Adapter.

Wobei Adapter hier anscheinend nicht ganz stimmt, da sich entsprechende Module die Custom Chip Fertigkeiten der Konsolenklassiker zu Nutze machen und die eigentlichen Konsolen praktisch nur als Bypass nutzen. Bei den eigentlichen Retrokonsolen kann Retro-Bit nicht ganz mit der Konkurrenz mithalten. So bieten auch die neueren Konsolen, Retroduo und Retrotrio, nur S-Video aber kein HDMI. Interessanter ist da vielleicht der Retroduo Handheld, der SNES, NES und mit dem passenden Adapter auch Genesis Titel abspielen kann. Controllerseitig setzt man bei Retro-Bit auf kabelgebunde SNES-Controller Klone, allerdings ohne die Qualität des Originals zu erreichen.

Spannender ist da der Blick zu Hyperkin. Die haben mit dem Supaboy ebenfalls ein Handheld SNES in Petto. Das an sich sogar weitgehend überzeugen kann, wäre der Screen nur besser. Und vom Bildformat passender. Wesentlich populärer ist mittlerweile aber das Retron 5, welches mit Adapter auch direkt um Gamegear und Master System erweiterbar ist. Sieht man mal vom beiliegenden Controller und dem billigen Gehäuse ab, kann das Retron 5 auch weitestgehend überzeugen. Die Emulationssoftware ist einfach in der Handhabung, weitestgehend kompatibel und bietet Komfortfunktionen wie eine Speicheroption. Besonders wichtig ist natürlich auch die Ausgabequalität, und die stimmt hier, gerade wenn man Oldies am HD-Fernseher spielen will. Zwar weist das OS ein paar kleinere Fußangeln auf und es gibt aktuell auch einzelne Problemspiele (Pier Solar), aber davon ab könnte man das Retron 5 eigentlich echt empfehlen.

Eigentlich, denn mit Cyber Gadgets Retro Freak gibt es schlicht und ergreifend eine noch bessere Retrokiste. Da wäre erstmal das Gehäuse. Es macht nicht nur den schickeren und wertigeren Eindruck, Probleme mit den Maßen der Modulschächte wie beim Retron 5 kommen hier nicht vor. Wer USB- statt Originalcontroller verwendet braucht die Controllerbox auch nicht anklemmen, wodurch die Retro Freak deutlich platzsparender ist als die Konkurrenz. Obendrein bietet sie den wesentlich besseren Beipackcontroller, egal ob Funktion oder Ergonomie. Dazu kommt obendrein die extrem praktische Funktion, Spiele auf den (etwas kleinen) internen Speicher oder eine SD-Karte zu dumpen. Praktisch, gerade bei umfangreichen Sammlungen.

Kürzere Ladezeiten, der hochwertigere Eindruck und so ganz nebenbei auch PC-Engine Support sprechen hier ganz klar für die Retro Freak, während sich bei der Kompatiblität und Funktionen wie den Grafikfiltern beide Geräte nicht viel geben. In beiden Fällen relativiert sich der Preis definitiv, wenn man bedenkt wie viele Konsolen doch beide Systeme ersetzen.

Tatort Retropie

Tatsächlich muss man hier von vornherein die Frage stellen, ist das überhaupt eine Konsole? Eigentlich nicht, irgendwie aber doch, zumindest ein bisschen. Worum es geht? Retropie, speziell in Verbindung mit dem Raspberry Pi. Wie so oft auf Linux basierend kann man sich hier seine Retrokiste selber bauen, sogar weitgehend mit Spielsystemen nach Wahl. Wobei die neueren ab PlayStation und N64 schnell mal Probleme bereiten. Tatsächlich ist der RetroPie zwar ein cooles und leistungsfähiges System, aber nur bedingt mit Konsolen vergleichbar. Sobald man doch mal was an den Einstellungen ändern muss, konfrontiert das Betriebssystem einen mit Unmengen von Optionen und Einstellungen mit denen man sich erstmal auseinander setzen sollte. Generell merkt man hier vom Bootvorgang bis hin zu den Untermenüs auch deutlich die Linuxherkunft. Andere Geräte, auch Retro Freak und Retron, sind hier doch eine ganze Ecke einfacher in der Handhabung. Dennoch, Bastelwilligen vermittelt Retropie mehr Konsolenfeeling als Emulatoren auf Smartphones oder PC. Besonders spannend kann das bei Geschichten wie RetroPie Handheld im Game Boy-Gehäuse und dergleichen werden.

In den vergangenen Jahren hat der Retromarkt so einiges hervorgebracht. Mittlerweile sogar genug, um entsprechende Geräte zu sammeln. Alternativ kann man natürlich auch einfach spielen. Und tatsächlich bieten sich die kleinen Retrokisten hier auch einfach an. Atari Flashback hat beispielsweise deutlich mehr Spiele als jede Softwareanthologie. Sicher kann hier trotzdem der ein oder andere Titel fehlen. Aber auch die Controller tragen zum Retrofeeling bei.

Genau das merkt man auch deutlich beim NES und SNES Classic Mini, welche gleichzeitig moderne Features der Emulation mit sich bringen. Das machen sie aber auf eine sehr konsolige Art und Weise. In jedem Fall ist der Bereich Neo-Retro einen Blick wert und in Zukunft dürfte hier noch einiges passieren.