Kennt ihr das? Die Woche zieht sich ewig, die Arbeit ist doof und Menschen allerorts freuen sich verdient wie unverdient aufs Wochenende? So erging es zuletzt auch wieder den Kölner Retro-Jungs, stand doch erneut ein Klassiker zum gemeinsamen Durchspielen auf dem Plan. Auf ihr verdientes Wochenende freuten sich bestimmt auch die Helden unserer heutigen Zockergeschichte. Denn auch ihr Abenteuer startet an einem Freitag, dem 24. Juli 1998. Auf dem Weg zu ihrem Einsatzort sah alles noch nach einer Routine-Nummer aus. Doch in Videospiel-Intros kommt meistens alles anders als gedacht. So werden die Spezialeinheiten der örtlichen Polizei von drei mutierten Dobermännern angegriffen und verlieren dabei bereits ein Mitglied ihres Trupps an die gefräßigen Vierbeiner. Das alles verkraftet euer Pilot nicht – er beschließt, lieber frühzeitig in das angesprochene Wochenende zu starten und lässt eure Truppe spontan alleine im Wald zurück. Der Typ ist so cool, er gibt auch niemandem Bescheid in welch misslicher Lage sich der Rest befindet. Was für eine Wurst. Nach einer Hetzjagd kommt eure Vierer-Gruppe am Zielort, einem verlassenen Herrenhaus, an. Ihr ahnt es sicher schon, heute spielen wir Resident Evil…..
The House of the Dead
Das erste Resident Evil erscheint 1996 zunächst exklusiv für Sonys CD-Schleuder. Capcom zündete das Genre des Survival Horror (ja, ich weiß – Alone in the Dark ist älter). Nun ist es bei mir persönlich so, dass es sehr lange her ist, dass ich Resident Evil 1 zum letzten Mal gespielt habe. 1999 vielleicht, aber letztes Jahrtausend klingt gleich viel länger. Meine Erinnerungen an die Story aus dem quasi Urvater des Survival Horror-Titels sind demnach eher schlecht als recht. Der Hauptteil spielt in einer Villa, später noch ein Labor, überall Zombies und Hunde, später Hunter und schließlich noch das Finale inkl. Tyrant auf dem Dach. Eine meiner lustigsten und einprägsamsten Erfahrungen moderner Videospiele erlebte ich damals auch mit Resident Evil. Mein damaliger Zocker-Kumpel hatte das Spiel als erster aus unserem Freundeskreis. Nach dem Intro zockte er selber eine Weile und gab irgendwann an mich ab – mit bösem Kalkühl. Ich lief also durch einen länglichen Raum und dann geschah, was noch nie zuvor in einem Spiel passierte. Urplötzlich schoss einer der fiesen untoten Köter durch eins der Fenster, lies mich einen kleinen Satz von meinem Stuhl machen und jagte mir damit den Schrecken des Jahres ein. Das war ziemlich cool und ich hoffte darauf, dass sich solche Szenen im weiteren Spielverlauf häufen sollten. Doch leider war dies die einzige vergleichbare Situation.
Heute spielen wir die neuste Version des Game Cube Remakes auf der Xbox One, weil wir einfach mal Bock drauf hatten und für das eigentlich geplante Spiel zu wenig Controller am Start hatten. Jemand hatte seine eigenen nämlich vergessen, ne Patrick? Und was uns an diesem Abend an klassischer Trashgeschichte offeriert wurde, sucht wahrscheinlich sogar in der verrückten Videospielwelt seines Gleichen. Das ist jetzt auch keine Übertreibung, das meine ich ernst – ausnahmsweise mal. Resident Evil sollte eher den Namen von Sega’s Arcade-Klassiker “The House of the Dead” erhalten. Ich ziehe meinen Hut vor dem Architekten dieses Anwesens. Was dort alles an “guten” Ideen drinsteckt, sucht in der Einbrecher-Schreck-Branche seinesgleichen. Zur Erinnerung, dieses Haus dient den Wissenschaftlern der Umbrella-Corporation als Wohnort, da unter dem Anwesen unter anderem der Arbeitsort, das Labor von Umbrella schlummert.
Der Personaler von Umbrella wird also öfter seinem Team neue Gesichter vorgestellt haben müssen. Denn im Anwesen sind “Arbeitsunfälle” scheinbar unvermeidbar. Im Laufe des Abends kreierten wir also eine Menge lustiger Geschichten um unseren neuen Lieblingsmitarbeiter, dem Jürgen. Jürgen fand viele Tode auf dem Weg zur Arbeit oder auch in der Mittagspause. Man muss ja nur einmal etwas Falsches von der Wand nehmen, schon aktiviert man einen Mechanismus und man wird von der Decke zerquetscht. Am meisten beeindruckte mich die Geschichte hinter dem Rüstungs-Schlüssel. Zur Erinnerung, die Türen des Anwesens kann man nur mit bestimmten Schlüsseln öffnen. Was in DooM also die roten, blauen und gelben Schlüsselkarten waren, sind bei Resident Evil der Schwert-, Rüstungs- und Schildschlüssel. Aus den zahlreichen Notizen des Spiels ging leider nicht hervor, welche Bewohner welche Schlüssel bei sich trugen aber scheinbar gibt es jeden Schlüssel nur einmal. Der Rüstungsschlüssel z.B. liegt in einem kleinen Außenbereich auf einer noch kleineren Empore. Nimmt man ihn jedoch aus seiner Halterung, aktiviert sich eine Falle und gute 15 Meter hinter einem nähern sich 2 Statuen mit Säge-Propellern die auf Schienen auf einen zufahren. Ja Leute, das ist harter Tobak – Diebstahl muss bestraft werden. Nun kann sich der gemeine Dieb versuchen in Sicherheit zu bringen, was aufgrund der Enge aber nicht klappen wird. Clevere Leute legen den Schlüssel übrigens einfach zurück und alles ist wieder gut. Doch wie kommt man nun an den Schlüssel? Hier leisten die Story-Writer von Capcom ganze Arbeit und beweisen, dass sie bei der Idee dazu deutlich mehr Rum-Cola intus haben mussten, als ich zu diesem Zeitpunkt. Einer der Hunde des Geländes trägt einen Dummy-Schlüssel in seinem Halsband. Man muss also nur diesen Hund finden, ihm den Dummy aus dem Halsband stibitzen und mit dem echten Schlüssel vertauschen. Ist klar oder?
Panzersteuerung? Nein Danke!
Allgemein spielt sich Resident Evil HD recht angenehm. Wir haben auf dem schwersten Level begonnen, den man anwählen konnte – normal. Hier reichen 3-4 Zombieangriffe, damit man auf der Seite der Untoten mitspielen darf und “You are dead” zu lesen bekommt. Das ist heute recht ungewohnt, da man durch moderne Videospielkunst ja doch etwas verweichlicht ist. Auch überraschend: Zombies stecken locker 8 Schüsse aus der Pistole ein. Backtracking gehört hier absichtlich zum Spielkonzept. Während eurer ersten Minuten im riesigen Anwesen steht ihr öfter vor verschlossenen Türen und werden so durch eine Art Schlauch geführt um die richtigen Items einsammeln zu können, findet dabei aber auch viel Zeug, dass ihr erst viel später benötigt. Und diese Sachen nehmen unnötigen Platz im Inventar weg. Richtig, da war ja was. Während Jill acht Gegenstände mit sich führen kann, schwächelt Chris etwas und hat nur sechs Plätze frei. Wir vermuten, dass Jill durch zahlreiche und ausgiebige Shopping-Touren einfach viel geübter darin ist große Mengen an Gegenständen mit zu tragen. Capcom hat somit auch das Prinzip der Cloud erfunden. Lagert ihr Items also in einer Kiste, könnt ihr diese aus jeder anderen Kiste wieder entnehmen.
Die damalige Panzersteuerung in der ihr eure Figur wie einen Stock durch das Anwesen steuert, kann im Remake ersetzt werden. Gespielt haben wir Resident Evil also blasphemisch mit der angepassten „Action-Steuerung“, die das Spielerlebnis erheblich verbessert. Da es wieder einmal Patrick ist, der alle Wege kennt, hetzen wir unter seiner mal präzisen, mal weniger präzisen Anleitung durch das Herrenhaus und sammeln fleißig Schlüssel, Munition und irgendwelche Platzhalter-Gegenstände. Wappenschilder, Edelsteine oder auch Masken. Man muss sich wieder erst vor Augen führen wie absurd lustig die Geschichte hinter den Masken ist. Der erste „Crimson Head Zombie“, war damals so unkontrollierbar und böse, dass er weggesperrt wurde. Soweit erst einmal nichts ungewöhnlich. Jetzt kommt das abgedrehte japanische „Aber“: Man sperrte ihn in einen Sarg, hängte ihn an Ketten an eine Decke in einer dunkeln Gruft im Garten des Anwesens und sicherte die Mechanismen der Ketten mit Schlössern die durch Einsetzen der fünf Masken aufgehoben werden konnten. Zur Erinnerung, im Anwesen wohnten normale Menschen, der Garten ist offen, die Gruft ebenso. Der TÜV Rheinland hätte sicher seine helle Freude an dieser Art der Sicherheitsverwahrung für biologische Prototypen in Zombie-Version. Ich meine, was soll einem dazu noch einfallen? Welcher Irre hat dieser Story-Idee damals in der Führungsetage von Capcom sein Okay gegeben? Man muss ja Angst vor den Ideen haben, die es nicht ins Spiel geschafft haben. Der Vorteil dieser ganzen Skurrilität: es verzaubert den Abend in ein herrliches Sammelsurium an Blödsinn. Das Spiel strotzt vor unlogischen Architektur-Ideen und wir feuern uns gegenseitig noch dümmere Einfälle und blöde Sprüche um die Ohren. Im Spiel selber läuft es weiterhin gut. Damals waren die Spiele noch nicht weichgespült. Vergesst einblendbare Wegweisungen, Markierungen auf der Karte oder Autosave. Gespeichert wird mit Farbbändern an den Schreibmaschinen, habt ihr keine Farbbänder mehr, könnt ihr nicht speichern – So einfach war das damals!
Von Spinnen, Schlangen und Haien
Nach und nach erweitert sich unser Waffenarsenal. Wir finden die Schrotflinte und den Granatwerfer, die uns auf größere Bedrohungen vorbereiten sollen. Schon bald ziehen neue Mitbewohner in unser besetztes Haus ein – die Hunter wurden erweckt und erweitern das Gegner-Repertoire mit ihrer Anwesenheit. Vorher haben wir es noch mit der riesigen Schlange und monströsen Spinnen aufgenommen. Alle Klischees von ekligem Getier aus den Neunzigern wurden also erfüllt. Schneller als in meiner Erinnerung lassen wir das Herrenhaus schließlich hinter uns. Resident Evil basiert auf dem ersten Remake auf dem Game Cube, den ich damals nur angespielt hatte. Capcom hat sich nicht lumpen lassen und so entdecke ich zahlreiche neue Areale mit neuen Geschichten dazu. Ich bin positiv überrascht, wieviel neuer Content in das Spiel gesteckt wurde, welches sich dadurch wirklich neu und frisch anfühlt. Damals war so etwas scheinbar im Rahmen einer Neu-Ausrichtung einer Serie noch möglich.
Game Over
Nach guten acht Stunden und dem legendären Kampf gegen den Tyrant flimmert schließlich der Abspann über den Bildschirm. Toll war es wieder. Nicht wegen Bier oder Rum-Cola, sondern einfach, weil man in all den Jahren doch recht viel vergessen hat. Im Helikopter sitzen im Outro die Helden dann auch alle zusammen, wie wir Retro-Helden auf meinem Sofa. Wir haben nämlich jeden gerettet. Rebecca, Chris und auch Barry „Magnum“ Burton. Längst ist es wieder hell draußen und nach der abschließenden Gesprächsrunde machen sich die Nerds wieder auf den Weg nach Hause. Ich freue mich, dass ich nun sogar bei einem Retro-Abend Gamerscore sammeln konnte und überlege schon, welches Spiel das nächste auf der Liste wird.