Kolumne: Lootboxen – Der Teufel hat die Box gemacht – Na und?

Forza hat sie, Destiny 2, das neue Mittelerde: Shadows of War und selbst der “Klassiker” Counter-Strike GO. Wovon ich rede? Von Lootboxen. Lootboxen sind virtuelle Kisten, die Spieler per eigener Spielewährung oder echtem Geld erwerben können und wo Spielinhalte enthalten sind, die optische Veränderungen, wie Skins oder sogar Verbesserungen für den Charakter mit sich bringen und selbst das Spiel enthalten sein kann. Wo sehen aber die Spieler bei Lootboxen die Probleme und warum ist gerade jetzt die Kritik so laut?

Verbesserungen für Echtgeld

Wie schon erklärt, können diese Lootboxen zum einen optische Inhalte enthalten, um den Protagonisten bzw. die Protagonistin anzupassen. Dies können Effekte für den Torschuss bei Rocket League sein: neue Helme in Rainbow Six: Siege oder besondere Sprayarts für die Waffe in Counter Strike. Diese Inhalte haben in der Regel keinen direkten Einfluss auf das Spiel und wurden in den letzten Jahren von den Spielern immer geduldet bis dahin, dass sie akzeptiert werden und sich hier sogar ein reger Handel auf verschiedenen Plattformen entwickelt hat.

Problematischer sehen es aber die Spieler bei Lootbox-Inhalten wie bei Shadow of War. Dabei gibt es nicht nur optische Änderungen für den Helden Talion in Form eines neuen Mantels oder einer besonderen Aura für Lord Celebrimbor, sondern es können besondere Waffen und Rüstungen enthalten sein oder sogar Orks, die mit in die Schlacht folgen. Das Problem, das viele Spieler sehen, ist die Tatsache, dass für Geld ein „Easymode“ gekauft werden kann, der vergleichbar mit Cheats ist und so das Spiel sehr stark vereinfacht. Die Sorge geht sogar so weit das Spieler befürchten, dass der Content im Spiel so balanciert ist, dass dieser nicht ohne diese Kisten bewältigt werden kann.

Vollpreisspiel, bei dem man draufzahlen muss

Ein weiterer sehr starker Kritikpunkt, der von vielen Spielern aufgezählt wird, ist, das Lootboxen ein eigenes Verkaufsmodell darstellen können. Neben Vollpreisspielen gibt es Low-Budget-Titel oder sogar Free-to-Play-Spiele, die mit einem sehr geringen Eintrittsgeld werben, sich aber durch Mikrotransaktionen, wie solche Lootboxen, finanzieren.

Ein Vollpreistitel hat dagegen ein sehr hohes Startgeld, das auf den heutigen Konsolen 70 € und mehr betragen kann. Diese sollten von der eigentlichen Definition nicht auf zusätzliche Umsatzmodelle angewiesen sein, da alle Kosten für ein vollständiges Spiel enthalten sein sollten. Kombiniert mit der Sorge, dass das Spiel nur mit Hilfe des Inhalts der Kisten bewältigt werden kann, wird der Spieler dazu genötigt, neben dem vollen Preis zusätzlich noch diese Kisten zu kaufen.

Lootboxen sind Glücksspiel

Der wohl aber kritischste Punkt dürfte der Vorwurf, der aktuell genannt wird, sein, dass die Lootboxen eine besondere Art des Glücksspiels darstellen. Glücksspiel wird im Rahmen des Glücksspielstaatsvertrags wie folgt definiert:

§3.1 „Ein Glücksspiel liegt vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Entscheidung über den Gewinn hängt in jedem Fall vom Zufall ab, wenn dafür der ungewisse Eintritt oder Ausgang zukünftiger Ereignisse maßgeblich ist. […]“

Der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, der für Videospiele verantwortlich ist, beinhaltet die Definition Glücksspiel gar nicht.

Die Kritiker sehen bei den Lootboxen, dadurch dass man sich eine Gewinnchance mit Geld erkaufen kann, eine Form von Glücksspiel. Diese Vorwürfe hat man, durch Kotaku und Mitglieder aus der 4Players-Community, auch den beiden Jugendschutzkontrollorganen: USK, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle, die für Deutschland verantwortlich ist und der ESRB, dem Entertainment Software Rating Board, dem nordamerikanischen Pendant zur USK, entgegengebracht.

Die ESRB sieht Lootboxen nicht als Glückspiel an, sondern eher als digitale Form von Sammelkarten, da man unter anderem immer gewinnt – Nur die Seltenheit und damit der Wert des Inhalts variiert.

Die ESRB reagierte darauf: “ESRB does not consider loot boxes to be gambling. While there’s an element of chance in these mechanics, the player is always guaranteed to receive in-game content (even if the player unfortunately receives something they don’t want). We think of it as a similar principle to collectible card games: Sometimes you’ll open a pack and get a brand new holographic card you’ve had your eye on for a while. But other times you’ll end up with a pack of cards you already have.” (Quelle)

Und begründet damit, dass man einen garantierten Gewinn bekommt und so kein Fall von Glücksspiel vorliegen würde. Viel mehr vergleicht man Lootboxen mit Sammelkarten wie Magic – The Gathering oder Fußballsammelkarten, die neben normalen Karten auch besondere holographische Karten beinhalten könnten und somit eine Brücke von normalen Inhalten zu epischen oder legendären Inhalten schlagen.

Die deutsche USK sieht es ähnlich wie die ESRB.

Die USK reagierte auf die Anfrage wie folgt:
“Die USK, getragen durch die Verbände der Computerspielbranche, sorgt für die organisatorisch-technischen Rahmenbedingungen, damit die gesetzlichen Alterskennzeichnungen für Spiele auf Datenträgern vergeben werden können (gemäß den Regelungen des Jugendschutzgesetzes/JuSchG). Bezahlmodelle in Spielen / Geschäftsmodelle von Anbietern, die erst durch die Internetverbindung des Spiels entstehen, sind dabei prinzipiell nicht Gegenstand einer Altersprüfung durch die USK und die Ständigen Vertreter der OLJB bei der USK. Das regelte der USK-Beirat 2011 (evaluiert 2016) für die Spruchpraxis unserer Gremien, siehe auch Die USK-Leitkriterien, beachten Sie dabei besonders auch die Fußnote 5 auf den Seiten 4 und 5 unten.

Wir empfehlen daher immer, dass sich Eltern auch selbst mit den entsprechenden Medien/Geräten und den bei ihren Kindern beliebten Inhalten auseinandersetzen, um einen Überblick zu behalten, welches Kind welche Inhalte und in welchem Rahmen nutzt und nutzen darf, da gibt es bereits Möglichkeiten. Nicht nur deswegen haben wir zusammen mit der Stiftung Digitale Spielekultur einen Elternratgeber erstellt, der auch auf Faktoren wie Medienkompetenz, Nutzungsdauer und Parental Control-Systeme eingeht.“ (Quelle)

Und sehen sich so zum einen weder in der Verantwortung noch in der Aufgabe Glücksspiel zu bewerten. Für die Altersbewertung ist zu dem nicht das Bezahl- oder Geschäftsmodell relevant, sondern nur die konkreten Spieleinhalte wie Story oder Grafik.

Wo bleiben die Suchtprävention und der Jugendschutz?

Das große Problem bei Glücksspielen ist die Sucht bzw. die Ausnutzung und/oder Ausbeutung von solch einem Suchtverhalten. Videospiele mit einem Itemsystem, wie zum Beispiel in Diablo, World of Warcraft oder auch Destiny 2, wird schon nachgesagt, dass man hier Spieler dazu verleitet, ein Spiel sehr intensiv und ausgiebig zu spielen und dies durch das Ausnutzen von solchen suchtfördernden Modellen realisiert wird. Aber was steckt dahinter?

Tolle und besondere Errungenschaften in Videospielen können bei uns im Gehirn ein Glücksgefühl auslösen. Zum Beispiel, wenn wir ein besonders seltenes Schwert erlangen. Dabei sind die Werte des Gegenstands sogar recht egal. Wichtig ist vor allem das Arbeiten mit audiovisuellen Effekten, die dem Spieler erklären, dass diese Errungenschaft, die er sich gerade erarbeitet hat, besonders toll und wichtig ist. Dies soll den Spieler und auch seine Mitspieler dazu motivieren diesen Prozess, den man gerade für diesen Erfolg durchgeführt hat, zu wiederholen und nochmals zu wiederholen. Die Werte bei den Gegenständen sind, wie schon erwähnt, eher nebensächlich und dienen vor allem der Spielmechanik, um den Weg zu den Zielen zu erleichtern bzw. einen skalierbaren Schwierigkeitsgrad zu generieren.

Oft wird der Preis der Kisten hinter einer eigenen virtuellen Währung versteckt, was die wahren Kosten für nicht Spieler noch mehr verschleiert…

Die Kritik richtet sich nun an diesen „Lootprozess“ in Verbindung mit Echtgeld, so dass durch Geld dieser besondere Moment im Spiel ausgelöst werden kann. Dieser wird sogar großartig inszeniert in der Form, dass man jede Lootbox einzeln öffnen soll und es ein Erlebnis darstellt, einen solchen Gegenstand, insbesondere dann, wenn dieser entsprechend selten ist, in so einer Box zu finden.

Verstärkt wird diese Kritik dadurch, dass man zwar auch als Erwachsener Videospiele spielen kann, anders aber als die Statistiken des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. es aussagt, Kinder und Jugendliche aber immer noch als Hauptzielgruppe von Videospielen gelten.

Der Familie und insbesondere Kindern, die noch nicht für ihren eigenen Schutz handeln können, obliegt eine besondere Schutzpflicht. Es obliegt sogar dem Staat im öffentlichen Raum für den Jugendschutz zu sorgen und dieser kann so Videospiele, durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, indizieren lassen. Eine Indizierung bedeutet dabei noch nicht automatisch ein Besitz- oder Verkaufsverbot, sondern nur das damit Kinder und Jugendliche im öffentlichen Raum keinen Kontakt bekommen dürfen.

…weil man erst die virtuelle Währung kaufen muss und hier auch schon durch besondere Angebote gelockt wird.

Und hier kommt auch die Argumentation der USK wieder ins Spiel: “Wir empfehlen daher immer, dass sich Eltern auch selbst mit den entsprechenden Medien/Geräten und den bei ihren Kindern beliebten Inhalten auseinandersetzen, um einen Überblick zu behalten, welches Kind welche Inhalte und in welchem Rahmen nutzt und nutzen darf, da gibt es bereits Möglichkeiten. Nicht nur deswegen haben wir zusammen mit der Stiftung Digitale Spielekultur einen Elternratgeber erstellt, der auch auf Faktoren wie Medienkompetenz, Nutzungsdauer und Parental Control-Systeme eingeht.”

Diese sieht sich nicht in der Verantwortung, da die Spiele schon in die eigenen vier Wände gewandert sind.

Und hat der Teufel nun die Lootboxen gemacht?

Ich habe hier viele Kritikaspekte, die mir in den letzten Tagen im Netz aufgefallen sind, versucht zu erklären und zu erläutern, was die Kritiker an diesen Lootboxen auszusetzen haben. Ich selber bin bisher immer recht immun gegen solche Mikrotransaktionen gewesen und würde behaupten, dass ich auch weiterhin ohne Probleme, um diese herumkommen kann. Selbst bei Spielen, die nur schwierig ohne diese Boxen spielbar sind und im Free2Play-Bereich angesiedelt sind. Die Argumentation von der ESRB kann ich sogar auch halbwegs verstehen inklusive der Parallele zu Sammelkarten, gegen die ich ab einem gewissen Alter auch immun war.

Die Kritik ist dabei aktuell so laut, weil sehr viele Vollpreisspiele diese Mechaniken anwenden. Um hier den Entwicklern mitzuteilen, dass diese Mechanik nicht gewollt ist, hilft nur von dem Kauf abzusehen, entweder komplett oder zumindest von den Lootboxen.

Aber um die erwachsenen Spieler oder um mich alleine geht es nicht. Es geht auch um jene, die vielleicht nicht damit umgehen können und um Kinder sowie Jugendliche, denen ein besonderes Schutzbedürfnis obliegt. Dabei finde ich die Argumentation von der USK, dass Eltern sich damit beschäftigen sollten, zwar wichtig, genauso finde ich aber wichtig, dass die USK und der Gesetzgeber dafür Sorge zu tragen haben, dass Eltern diese Informationen auch frühzeitig erkennen und das Kinder nicht ohne Einwilligung der Eltern diese Spiele erwerben dürfen. Ich glaube sogar eine Altersfreigabe, wie wir sie in Deutschland haben, ist gar nicht mehr ausreichend. Die Altersfreigabe sollte viel mehr Eltern eine gewisse Transparenz zeigen, warum ein Spiel so hoch eingestuft wurde und was enthalten ist, vergleichbar mit den Symbolen der Pan European Game Informations, dem europäischen Pendant zur USK. Aber dies fällt in meinen Augen ganz klar in die Aufgaben des Gesetzgebers, der diese Vorgaben der USK stellen muss. Zusätzlich wäre auch eine Aufklärung für Kinder und Eltern im Rahmen der Schule wünschenswert. Es ist der falsche Gedanke, die Publisher wie Warner oder die USK hier in der alleinigen Verantwortung zu sehen, dass eben jene was ändern.