Destiny 2 im Test – Ein Nerd verliert sein Licht

Vor vier Jahren, 2013 auf der E3 in Los Angeles erblickte der erste Teil einer neuen Super-Marke das Licht der Welt. Mit einem Budget von 500 Mio. Dollar und einer geplanten Laufzeit der Serie von zehn Jahren setzten Bungie und Activision ein deutliches Zeichen dafür, dass Destiny ein neues Aushängeschild der Gaming-Branche werden soll. Der Entwickler mit Sitz in Kirkland im US-Bundestaat Washington war die letzten Jahre vornehmlich für Microsoft mit der Halo-Serie beschäftigt. Dieses prestigeträchtige Projekt gab man mit der Vollendung von Halo Reach jedoch auf und legte mit der Konzeption Destinys los. Böse Zungen behaupten, dass Destiny somit etwas wie eine Befreiung für Bungie darstellte, da sie nun ihre eigenen Ideen umsetzen konnten. Beim Gameplay merkt man die Wurzeln des Halo-Entwicklers immer noch deutlich, doch wurden diese klassischen First-Person-Shooter-Mechaniken mit einigen MMO-Elementen durchaus sinnvoll erweitert. Heraus kam ein auf Loot und Koop basierter MMO-Shooter, der weltweit sehr viel Anklang fand. Nun nach drei Jahren ist es Zeit mit dem zweiten Teil den Neuanfang einzuläuten. Wir haben für euch gelevelt, gegrindet und gelootet. Unser Fazit dazu findet ihr im Test.

Die Kabale drücken den Reset-Knopf

Destiny 2 stellt die Zeit recht gnadenlos gleich zu Beginn wieder auf Null. Ausführende Hand sind dabei die Kabale der Rotlegion, die von ihrem Kommandanten und Superschurken Ghaul angeführt werden. Die unförmigen Weltraum-Rhinozerosse fallen überraschend in unser Sonnensystem ein, zerstören den Turm der Menschheit und setzen den Reisenden schachmatt. Infolgedessen verlieren wir als Hüter unser sogenanntes Licht, was uns letztendlich wieder sterblich macht, da unsere Geister uns nicht mehr wiederbeleben können. Zum Glück sind wir jedoch einer der Helden des Spiels und können dem Angriff der Kabale gerade rechtzeitig entgehen und fliehen schwer verletzt in die Wildnis der Erde. Hier treffen wir auf neue Verbündete: Rebellen-Jägerin Hawthorne heißt uns dazu herzlich auf ihrem Stützpunkt, der Farm, willkommen. Alsbald machen wir uns auf, um ein altes Bruchstück des Reisenden zu untersuchen und gewinnen auf diese Weise unser Licht zurück, um uns an der Rotlegion zu rächen. Diese haben bei ihrem Angriff den Sprecher entführt und Ghaul versucht während eures Abenteuers ihm die Geheimnisse des Reisenden zu entlocken, um selber an das Licht zu gelangen. Mit im Gepäck hat der unfreundliche Kabal übrigens ein Raumschiff, welches eine Sonne auslöschen kann – der passende Name: Die Allmacht. Die erfreuliche Nachricht für alle Spieler mit Faible zu guten Geschichten lautet also, dass sich Bungie einen der Kritikpunkte des ersten Teils schon mal zu Herzen genommen hat. Destiny 2 versteht es deutlich besser den Spieler in das Storytelling zu integrieren als der erste Teil. Möglich wird dieser Umstand durch den wesentlich höheren Anteil an Erklärungen zur Vergangenheit und aktuellen Videosequenzen. Auch nehmen die Kommandanten Zavalla, Ikora und Cayde 6 nun eine essenzielle Rolle in der Geschichte ein und stehen nicht nur nutzlos auf dem ehemaligen Turm rum.

Leveln, sammeln und weiter leveln

Am Spielkonzept hat sich im zweiten Teil der Weltraum-Saga nicht viel geändert. Zu Beginn habt ihr die Wahl zwischen drei Charakter-Klassen, die sich recht rudimentär voneinander unterscheiden. Ihr habt die Wahl zwischen Titanen, Jäger und Warlock. Der Titan fungiert am ehesten als Tank und Nahkämpfer, da er über schwere Panzerung und ein aufstellbares Schild verfügt. Der Jäger ist eine mittlere Scout-Klasse mit gemischten Attributen, während der Warlock heilen und unterstützen kann. Im Gegensatz zum Erstling wurden die Talentbäume etwas vereinfacht und entschlackt. So ist jeder Fokus in eins der Hauptelemente des Spiels unterteilt: Solar (Feuer), Arkus (Blitz) und Leere (eine Art dunkle Magie). Jeder Charakter verfügt zudem über eine sogenannte “Super”, die sich mit der Zeit auflädt und sich nach Benutzung erneut regenerieren muss. Im Talentbaum wählt ihr nun einen Seitenfokus, welcher eure Aufladezeiten erhöhen oder euren Aktionen zusätzliche Perks verpassen. Die Hauptgeschichte dient wie vorher im Grunde ein bisschen als sehr langes Tutorial. Hier gilt es möglichst schnell den Levelcap von 20 zu erreichen, um sich anschließend dem Optimieren eurer Ausrüstung zu widmen. Vorher leitet euch Destiny 2 sehr gut durch die verschiedenen Aktivitäten des Spiels, damit Neulinge auch nach Level 20 wissen, was sie noch tun können, um neue und bessere Items zu finden. Dieser Schritt erscheint sinnvoll, da doch einige Käufer des Erstlings nach Beendigung der Story nicht ganz wussten, welche Möglichkeiten noch im Spiel stecken.

Erlebe aufregende Abenteuer

Destiny war in seiner ersten Version ziemlich grindlastig. Das bedeutet, man musste recht oft gleiche, nicht unbedingt spannende Aufgaben erledigen, um bei Fraktionen in der Gunst zu steigen oder eine neue Waffe aufzuleveln. Im zweiten Teil hat sich Bungie darauf besonnen, diese Handlungen etwas abwechslungsreicher und interessanter zu gestalten. Nun gibt es auf den Open-World-Teilen der Planeten einige neue Aufgaben. Interessant sind dabei vor allem die sogenannten Abenteuer. Hierbei handelt es sich um kleinere Missionen, die ihr mit Freunden spielen könnt und die im Schnitt immerhin drei bis vier Schritte benötigen, bis sie komplettiert sind. Die Aufgaben sind dabei recht vielseitig und liefern mehr Content als ein schnödes von A nach B Gerenne. Zudem wurde die Anzahl der Public Events deutlich erhöht, wozu es auch eine tägliche und wöchentliche Aufgabe mit bestimmter Anzahl gibt. Die Public-Events wiederholen sich jedoch recht oft und fühlen sich dadurch eher wieder wie Arbeit an. Erfüllt ihr bestimmte Nebenaufgaben während der Events, schaltet ihr einen neuen heroischen Modus frei, der die Loot-Qualität erhöht. Jeder Planet hat zudem noch eine eigene längere Quest-Reihe, die euch mit exotischer Ausrüstung belohnt.

Level 20 – Der Startschuss für das Endgame

Habt ihr die magische Marke von Level 20 geknackt, gilt es die schwereren Missionen und Strikes zu spielen, um euren Powerlevel zu erhöhen. Der Powerlevel ersetzt den vorher bekannten Lichtlevel und ist im Grunde einfach nur ein Querschnitt aller getragenen Items. Auch in Destiny 2 haben sämtliche gefundenen Waffen oder Rüstungen nämlich ein Powerlevel, aus welchem ein Schnitt errechnet wird. Euer gefundener Loot richtet sich jeweils nach eurer aktuellen Stärke, damit ihr euch immer weiter verbessert. Habt ihr durch die passende Ausrüstung beispielsweise Powerlevel 240 erreicht, könnt ihr euch der ersten schweren Prüfung stellen – dem Dämmerungsstrike. Dieser stellt eine besonders harte Variante eines ausgewählten normalen Strikes dar, der durch einige innovative Variationen und Spezialregeln aufgewertet wurde. Für Destiny-Neulinge: Strikes sind besondere Missionen bzw. Dungeons, die man zu Dritt absolvieren muss. Neu in der Dämmerungsvariante ist ein Zeitlimit von zehn Minuten, welches durch einige Aufgaben und Faktoren erweiterbar ist. Für jeden getöteten Feind bekommt ihr beispielsweise etwas Zeit gutgeschrieben, wodurch euer Team gezwungen wird, möglich schnell und effizient vorzugehen. Auf diese Weise habt ihr je nach Leistung und Treffsicherheit einiges an Bonus-Sekunden und könnt den Strike erfolgreich abschließen. Eine andere Variante ist der sogenannte Ring-Modifikator. In einigen Strikes müsst ihr diverse Sprungpassagen durch auftauchende Ringe in Kauf nehmen, da diese 30 Sekunden pro Ring wert sind. Simpel durch Ringe zu springen, kann eine heikle Aufgabe darstellen, wenn man gleichzeitig von etlichen Feinden beschossen wird. Ohne die meisten Ringe einzufangen, bleibt euch jedoch nicht genug Zeit den Strike zu schaffen.

Schwerer geht immer

Bungie erfindet das Rad also nicht unbedingt neu, setzt aber gezielte Stiche und bringt durchaus sinnvolle Neuerungen zugunsten der Abwechslungen ins Spiel. Seit einigen Tagen ist übrigens auch die Königsdisziplin des Spiels verfügbar – der Raid. Ein Raid ist eine größere Variante des Strikes (also wieder ein Dungeon) und erfordert präzises abgesprochenes Teamplay und ein Ausrüstungslevel von mindestens 260. Im Raid besteht euer Feuerteam aus sechs Hütern und jede Phase erfordert die strenge Einhaltung der entsprechenden Taktik, die es zuerst zu ergründen gilt. Perfektes Zusammenspiel, Absprachen über ein Headset und Timing sind hier absolute Grundvoraussetzung. Es müssen zeitgleich Schalter an verschiedenen Orten aktiviert, Laufwege abgesprochen und Positionen jedes Mitglieds im Raum geplant und umgesetzt werden. Dafür warten im Raid natürlich die besten Items des Spiels auf ihre glücklichen und fähigen Finder. Der erste Raid in Destiny 2 hört auf den verheißungsvollen Namen Leviathan und stellt einen Palast der Kabale dar, der etwas an römische Gladiatorenspiele erinnert.

Optisch ein Traum

Wie man bereits auf den Bildern erkennt, ist Destiny 2 optisch wieder ein Traum geworden. Das Artdesign wirkt einfach wie aus einem Guss, selbst dann noch, wenn kaum ein Ort aussieht wie der andere. Die Vielfalt an Landschaften, Höhlen, alten unterirdischen Stationen und fremden Welten ist einfach atemberaubend. Eine solche Ansammlung an virtuellen architektonischen Glanzleistungen bekommt man sonst nirgendwo zu sehen. Maßgeblich beteiligt am absolut tollen Gesamtbild ist die bombastische Beleuchtung. Ob fluoreszierende Fauna oder leuchtende Alientechnik – nahezu jede Oberfläche wird großartig beleuchtet und schimmert stimmungsvoll in den tollsten Farben. Kombiniert mit dem nahezu grenzenlosen Ideen alter Alien-Ruinen in epischen Ausmaßen, will man den imaginären Fotoapparat kaum noch weglegen. Soviel Glanz und Gloria fordert bei zu viel Action auf dem Bildschirm jedoch teilweise seinen Preis. Ab und zu gerät der Titel ins stottern. Auch in puncto Gegnerdesign hätte man durchaus kreativer sein können. Neue Alienrassen werden noch vermisst und die meisten Gegnertypen kennt man auch schon aus dem ersten Teil. Zumal eigentlich alle Rassen jeweils die selben Gegner-Klassen, nur eben in anderen Gewändern in ihren Reihen beherbergen.

Duelliert euch gefälligst

Ein weiterer Stützpfeiler in Destiny 2 ist der PvP-Modus. Hier treten Hüter-Teams in Vierergruppen auf speziellen Maps gegeneinander an. Die Modi wurden aus dem ersten Teil übernommen und Überraschungen sucht ihr im Grunde vergeblich. Neben dem klassischen Team-Deathmatch, in dem euer Team für den Sieg einfach die meisten Abschüsse erzielen muss, gibt es diverse andere Varianten, um sich gegenseitig zu messen. In Eroberung gilt es drei Punkte einzunehmen und möglichst lange zu halten, da für jeden Punkt euer Feuerteam im Sekundentakt Punkte erhält. Dieser Modus ist taktisch anspruchsvoll, da man Angriffe auf Punkte erfahrungsgemäß im Optimalfall gemeinsam abspricht und durchzieht. Ebenfalls sehr taktisch und auch spaßig ist Sigma. Hier zählen nicht die reinen Abschüsse, sondern das Aufsammeln der leuchtenden Sigma-Kugeln. Diese lässt jeder Spieler fallen, sobald er abgeschossen wurde. Nun muss man abwägen, ob man diese gefahrlos einsammeln kann. Denn erwischt euch vorher ein feindlicher Spieler, kann er eure und die Kugel seines gefallenen Team-Kameraden einsammeln und damit quasi zwei Punkte erspielen. Leider haben es auch die Super-Attacken wieder in den PvP-Modus geschafft. Viele Spieler weltweit haben Bungie gebeten, diese Angriffe aus dem PvP zumindest optional zu entfernen. Als Reaktion hat der Entwickler die Spieler, die eine Super verwenden, deutlich verwundbarer gemacht. Im direkten Duell zieht ihr jedoch trotzdem erst einmal den Kürzeren, wobei euer Team den Störenfried gemeinsam anschließend schon wesentlich besser ausknipsen kann. Nervig bleibt dieses Feature dennoch.

Fazit

Destiny 2 stellt die Item-Uhr für sämtliche Hüter wieder auf Null. Das bedeutet, Veteranen oder Neulinge haben zu Beginn die gleichen Chancen. Ein wahres Umfang-Monster ist auch der zweite Teil der Weltraum-Saga nicht unbedingt, wenn man bei Destiny 2 eine ausgiebige und eben lange Kampagne erwartet. Der Titel ist klar auf gemeinsame Stunden im Online-Koop ausgelegt und spielt dort seine gesamten Stärken aus. Mit Freunden zusammen um die Häuser ziehen und in Herausforderungen, Strikes oder Public Events Beute farmen und sich so für den End-Content zu rüsten – das ist die Essenz von Destiny 2. Die Spielbarkeit in Form von Gun- und Gameplay ist zudem wieder herausragend gut. PvP Fans kommen zudem ebenfalls sicher wieder auf ihre Kosten, auch wenn die unbeliebten Super-Moves noch immer irgendwie nerven. Wer den Erstling bereits ausgiebig gespielt hat und Spaß beim Farmen verspürt, der wird auch mit Destiny 2 vollstens zufrieden sein. Wer vornehmlich solo unterwegs sein will, sollte sich gut überlegen, ob Destiny 2 das richtige Spiel für ihn ist.

Destiny 2
Grafik/Präsentation
92
Story/Atmosphäre
88
Gameplay
92
Multiplayer
84
Spielspaß
94
Leserwertung5 Bewertungen
18
90