Windbound im Test – Survival auf See

Es gibt sie, die kleineren Spiele, von denen man einen Trailer sieht, und die einen unmittelbar interessieren. In den letzten Jahre hatte ich einige dieser Fälle. Manche waren auch wirklich gut, andere letztendlich eher eine Enttäuschung. Genau so ein Fall ist auch Windbound von 5 Lives Studio, das im ersten Trailer zwar leicht an Breath of the Wild erinnerte, aber eigentlich eine ganz andere Art Spiel zu sein schien. Und das ist es tatsächlich, denn im Fokus von Windbound stehen Survival und Crafting statt Action und Abenteuer. Aber ist es nun ein gutes Spiel oder nicht?

Waterworld

Nach dem Intro, in dem unsere junge Protagonistin Kara während eines Sturms und dem augenscheinlichen Angriff eines riesigen Kraken vom Rest ihrer Leute getrennt wird und schiffbrüchig wird, erwachen wir in einer Art Zwischenwelt. Vor uns ist ein strahlendes Portal, das uns auf die erste Insel führen wird. Dort angekommen dürfen wir direkt mal die ersten Ressourcen sammeln, nämlich Gras und Steine, zwei der absoluten Basismaterialien von Windbound. Außerdem finden wir das Ruder der Ahnen, das wir zum Steuern unseres ersten Bootes brauchen. Aber nicht nur das Boot müssen wir selbst craften, auch eine Schleuder als Waffe, einen Speer und anderes. Auch wenn der Aspekt deutlich weniger umfangreich ausfällt als beispielsweise bei Subnautica, Crafting ist in Windbound elementar wichtig. Haben wir Schleuder und einfachen Speer können wir beispielsweise auch Wildschweine erlegen, die über die ersten Inseln wuseln und mit deren Haut, nachdem sie am Lagerfeuer zu Leder veredelt wurde, sowie mit den Knochen, bessere Speere und Schleudern herstellen.

Das ist auch deshalb wichtig, weil unsere Waffen sich nach und nach abnutzen. Auch bessere Arbeitsutensilien, wie eine Schaufel oder einen Hammer, können wir nach und nach herstellen, das spärliche Inventar mit Beuteln erweitern und unser Boot nach und nach aufrüsten sowie reparieren. Und das wird später auch bitter nötig, denn wo wir anfangs mit einem schlichten Schilfboot klar kommen wird die See später deutlich rauer werden, wodurch Katamaran oder Trimaran aus stabilem Bambus oder Holz deutlich im Vorteil sein werden. Wasser- und Bootsphysik sind übrigens ziemlich gelungen und glaubwürdig umgesetzt.

Der Erkundung kommt dabei ein wichtiger Aspekt zu, denn die kleinen Inseln beherbergen teilweise auch einen von je drei mysteriösen Schaltern, die uns den Weg in die nächste Welt öffnen. Jene finden wir übrigens immer auf seltsamen Steintürmen. Außerdem gibt es auf der einen oder anderen Insel seltsame, fast schon Vasen, oder doch eher panzerartige Ruinen, in denen wir blaue Krüge finden. Jene beherbergen teilweise neue Items wie Pfeile, teilweise aber auch Seesplitter, auf deren Funktion wir gleich noch mal zurückkommen. Besagte Splitter kann man teilweise auch an Monolithen bekommen, die in der Landschaft stehen. Auf manchen Inseln finden wir auch Steinmonumente, an denen wir Ausdauer oder Lebensenergie erweitern können.

Ist eine Welt abgeschlossen, so landen wir in einer Art Zwischenwelt, die uns kurz mit einer Wandmalerei ein wenig zur Hintergrundgeschichte verrät, einen etwas kniffligeren aber linearen Abschnitt segeln lässt und an deren Ende wir mit den Seesplittern Eigenschaftsverbesserungen kaufen können, beispielsweise mehr Ausdauer.

Gar nicht so einfach

Das ist auch dringend nötig, den Kara leidet unter anderem ziemlich schnell Hunger. Unsere eh schon spärliche Ausdauer sinkt so Stück für Stück und am Ende des Ausdauerbalkens verlieren wir dann auch unsere Lebensenergie nach und nach. Kurzum, Kara kann verhungern. Oder zu Tode stürzen, ertrinken oder von einem wilden Tier getötet werden. Passiert das, landen wir im Überlebensmodus wieder am Beginn von Welt eins, behalten aber unser bei uns getragenes Inventar. Das Boot und sämtliche aufgebauten Feuerstellen, Öfen etc. sind dann aber weg. Im Storymodus bleiben wir in der jeweiligen Welt, können aber trotzdem alles, was wir nicht am Leib tragen verlieren. Leider lauert hier ein kleiner Nervfaktor im Spiel.

Die Inselwelten sind nämlich generiert. Gleichzeitig steigt der Schwierigkeitsgrad. Ab der dritten Welt attackieren beispielsweise Hammerhaie euer Boot, an Korallenriffen finden sich seltsame, krabbenartige Cromps, die auf Deck springen und euren Kahn anknabbern können, Tiere wie der Schattenterror stellen langsam eine gewisse Bedrohung dar und so weiter. Verliert ihr dann in Welt Nummer drei oder vier euren Bambus Trimaran samt reichlich Körben zur Aufbewahrung von Items, dann kann es unter Umständen lange dauern, bis Ihr genug Material für ein hochwertiges, neues Boot zusammenstoppeln könnt. Wodurch raue See, mehr Riffe und Meeresgetier euch das Leben deutlich schwerer machen.

Reingelegt

Praktischerweise kann man auch schwere Gegner an Land oft recht einfach besiegen. Meist reicht es dafür, einem Tier das euch attackiert auf einen Felsvorsprung auszuweichen und es von oben zu beharken. Zwar sollte man dennoch ein wenig aufpassen, aber die meisten Gegner kommen dort oder teilweise sogar im flachen Wasser nicht an euch heran. Das ist praktisch, weil das Kampfsystem nicht gerade auf dem Level eines Breath of the Wild oder Dark Souls ist. Zwar geht die Steuerung insgesamt klar, aber von der Präzision eines Zelda ist man gerade bei Klettereinlagen weit entfernt. Gleichzeitig sind Anleihen, unter anderem beim Gleiter, immer wieder offensichtlich.

Da die einzelnen Inselreiche immer neu generiert sind ist auch das Balancing manchmal etwas seltsam. Der Schwierigkeitsgrad steigt zwar Stück für Stück an, aber je nach Windrichtungen, Riffen, Geographie und Bewuchs der Eilande etc. kann eine Welt in zwei Durchläufen ziemlich starke Unterschiede aufweisen und entsprechend auch deutlich leichter oder schwerer ausfallen. Das gilt natürlich ganz besonders bei eurem Ableben, Stichwort Bambusmangel.

Gerade die ersten Welten werden mit besserer Ausrüstung, wie Tarnkleidung, Axt und so weiter, deutlich leichter, ergo kann man schnell neue Ressourcen sammeln, einigermaßen zügig weiter kommen und  somit muss sich auch der Überlebensmodus nicht unbedingt ziehen.

Doch ein bisschen wie Zelda auf See

Optisch weckt Windbound tatsächlich Erinnerungen an Breath of the Wild. Sicher, Charakterdesign und Gegner folgen klar eigenen Designs, und die sind auch durchaus gelungen. Außerdem ist Breath of the Wild auch ein schönes Spiel, da könnte man schlimmere Vorbilder kopieren. Bei den Animationen kommt Windbound dann aber nicht ans große Vorbild heran. Auch wenn Kara hier keine ernsthaft schlechte Figur macht, andere Action Adventure Helden sind teils deutlich feiner animiert. Das ist aber ganz sicher auch eine Budgetfrage.

Akustisch hinterlässt der Titel ebenfalls einen guten Eindruck. Zwar bleibt die meist klavierbasierte Musik nicht wirklich hängen, sie passt aber zum Spiel und nervt auch nie. Die Soundeffekte fügen sich sehr passend ins Geschehen ein und Sprachausgabe gibt es sowieso nicht. Nett oder nervig, je nach Standpunkt, jeder Tierart sind bestimmte Instrumentengeräusche zugeordnet, Borstenviecher haben also einen ganz eigenen Sound. Erzählerisch bleibt Windbound dagegen leider ein wenig blass. Sicher, es gibt einen roten Faden, der durch das Spiel führt, aber an der Stelle wäre sehr viel mehr drin gewesen, auch ohne viele Worte.

Zwei Bugs wären übrigens noch zu notieren, so steckte Kara ein mal im Boot fest. Als ich es ins Wasser schieben wollte und außer neu laden lies sich nix machen. Gravierender war allerdings ein Kollisionsabfrageproblem bei stürmischen Seitenwind auf See, das normalerweise nicht mal so wild gewesen wäre, in dem Fall aber zum Ableben und de facto Neustart führte, eine Verkettung unglücklicher Umstände, aber verdammt nervig. Davon ab trüben bestenfalls gelegentliche, aber harmlose Animationsglitches das Bild.

Fazit:

Bis an die Spitze der Crafting-Survivalgames fehlt leider noch etwas. Wobei ich in dem Fall nicht Minecraft sondern Subnautica meine. Das lässt mich unter anderem nicht so in ‘Sackgassen’ rennen, wie das bei Windbound, ausgerechnet im Story Modus, passieren kann. Im Zweifelsfall kann es bei Windbound dadurch passieren, dass man selbst im einfachen Modus erstmal stundenlang neu Ressourcen farmen muss. Und Subnautica hält obendrein mit einer spannenden Geschichte am Ball. In dem Punkt bleibt Windbound leider etwas blass, auch wenn sich die Hintergrundhandlung im Spielverlauf durchaus ergibt. Dabei ist Subnautica deutlich komplexer und bietet mehr Möglichkeiten. Die einfachere Vorgehensweise von Windbound kann aber auch ein Vorteil sein. Nämlich dann, wenn euch andere Titel in der Survival-Ecke mit ihrer Vielfalt erschlagen und ihr lieber etwas spielen wollt, das mehr in Richtung klassischer Action Adventures geht. Denn trotz gewisser Mängel und Reibungspunkte auf spielerischer Seite kann Windbound definitiv Spaß machen. Leider bleibt das Gefühl, dass es noch eine ganze Ecke besser hätte werden können.

Präsentation (Grafik, Sound)
79
Story, Atmosphäre
74
Gameplay
77
Spielspaß
79
Leserwertung6 Bewertungen
48
Frisches Setting
Kompakter und geradliniger als andere Survival-Adventures
Audiovisuell gelungen
Durchwachsenes Balancing
Ressourcenmangel durch prozedurale Generation möglich
Handlung bleibt recht blass
77