Wer bin ich? Was bin ich? Wo bin ich? Und wann bin ich? Fragen wie diese können einem bei Frictional Games SOMA leicht durch den Kopf gehen. Tatsächlich kann man einen Test zu SOMA nicht wirklich schreiben, ohne auf Teile der Handlung einzugehen. Wer wirklich völlig spoilerfrei an das Spiel gehen will, der sollte besser direkt zum Fazit springen. So viel schon mal vorweg, der First Person Survival Horrortrip lohnt sich und bietet wesentlich mehr als Grusel.
Silent Running
Wir übernehmen die Rolle von Simon Jarrett, der aufgrund eines Autounfalls vor wenigen Monaten an den Folgen einer Hirnverletzung leidet. Simon hat sich, um seine Heilungschancen zu verbessern, auf das Experiment eines Gehirnscans eingelassen. Unmittelbar nach dem von David Munchi durchgeführten Scan wachen wir aber an einem völlig fremden Ort auf. Zwar auf einem ähnlichen Stuhl wie dem für den Scan genutzten, aber in einer Art Labor oder Station, die von allen Menschen verlassen scheint. Auf der Suche nach einem Weg treffen wir auf erste Spuren. So kann Simon irgendwie Audiodateien aus den Intercoms abfangen und auch Textdateien lassen sich finden.
Anscheinend sind die vorigen Bewohner dieses Ortes an einen anderen geflohen. Nachdem wir ein Omnitool gefunden und wieder betriebsbereit gemacht haben, kommen wir auch endlich aus diesem ersten Abschnitt und stolpern in einen Unterwassertunnel. Wie zum Geier sind wir bloß hierher gekommen? Und wo zum Teufel ist dieses Hier überhaupt? Die erste Datumsanzeige, die an einem Computerterminal zu sehen ist, sollte uns eigentlich zu denken geben, denn da steht 2103. Und auch sprechende Roboter sind nicht wirklich normal. Aber immerhin können wir mit einer gewissen Cartherine Kontakt knüpfen. Die befindet sich in Stationsteil Lambda und möchte, dass wir zu ihr stoßen.
Weniger schön ist, dass uns seltsame Wesen verfolgen. Kontakt mit ihnen führt erst zu Blackout und schwächt uns, erwischen sie uns wieder, folgt schnell der Exitus. Direkt bekämpfen können wir diese seltsamen Kreaturen nicht. Außer Sicht bleiben, sie mit Geräuschen in die falsche Richtung locken oder durch das Verschließen von Türen kurzfristig verlangsamen, sind unsere besten Optionen. In der Praxis gibt sich SOMA hier oft etwas limitiert, denn einerseits sind Verstecke sehr begrenzt, andererseits sind die seltsamen Wesen nicht ohne weiteres zu neuen Laufwegen zu überreden. Immerhin passiert es selten, dass sie auch nur eine Minute vor eurem Versteck stehen bleiben.
Quiet Earth
Spoilerwarnung zum Zweiten: Auch Catherine ist nur ein verdammter Roboter, wobei das nicht so ganz stimmt. Wie bereits bei anderen Wesen wurde ein menschliches Bewusstsein, eben das von Catherine, in die Blechhülle kopiert. Und Catherine braucht dringend unsere Hilfe, um die ARCHE ins All zu schießen. Jene beinhaltet eine virtuelle Welt, in der die Überbleibsel der Menschheit als digitale Lebewesen weiterleben sollen. Denn die Erdoberfläche wurde vor kurzer Zeit durch einen Meteoriteneinschlag völlig verwüstet. Alles, was von der Menschheit übrig zu sein scheint, wurdevernichtet. Auch wir sind eine digitale Kopie von Simon, irgendwie in den Körper heruntergeladen, in dem wir uns nun befinden. Unser Gegenspieler ist dabei die Stations-KI WAU, die aber eigentlich nur mit ihren Methoden versucht, die Menschheit zu erhalten. Dass die von der WAU gewählten Formen der Erhaltung aus menschlicher Sicht eher ein Alptraum sind, spielt für die Maschine keine Rolle. Mittels Strukturgel, das zu Reparaturzwecken gedacht war, breitet sich die WAU fast wie Krebsgeschwüre Stück für Stück in der Station aus und vereinnahmt langsam alles.
Tatsächlich schafft es SOMA mit der Mischung aus technischem und organischem, fremden und vertrautem, eine wirklich dichte und extrem packende Atmosphäre zu schaffen. Das ist auch gut so, denn spielerisch ist es kein allzu dickes Brett. Unser Weg durch die einzelnen Teile von PATHOS-II ist eigentlich strikt linear. Auch ein Großteil der Rätsel bleibt sehr simpel. Teils geht es nur darum, gerade die passenden Teile zu finden, nach Hinweisen zu suchen oder den richtigen Knopf zu drücken. Nur dumm, wenn man diesen übersieht. Leider zu selten kommen Knobeleien vor, wie eine, bei der man eine Reihe von Punkten so verbinden muss, dass sich keine Kreuzungen ergeben. Momente, in denen es zwei Lösungswege gibt, kommen auch eher spärlich vor. So können wir an einer Stelle im Spiel entweder eine Sicherheitskarte mit neuem Code beschreiben, um eine Tür aufzusperren oder einfach die Scheibe einschlagen. Wobei letzteres die Aufmerksamkeit eines WAU-Monsters weckt. Auch gibt es ein, zwei Stellen, an denen wir eine moralische Entscheidung treffen können. An anderen Stellen gibt es aber nur eine Möglichkeit die Situation zu lösen. Sicher, SOMA bietet hier deutlich mehr als gängige Walking Simulatoren, leider wird auf spielerischer Ebene aber auch Potenzial verschenkt, das aus einem guten Survival Horror Adventure ein herausragendes machen würde.
Dem gegenüber stehen allerdings die wirklich gute Handlung und auch die Beziehung zwischen Simon und Catherine. Catherine, die wir zwischenzeitlich in unser Omnitool hochgeladen hatten, ist zwar auf uns angewiesen, um die ARCHE ins All zu schießen und somit vielleicht das Überleben der Menschheit in völlig neuer Form zu sichern. Allerdings sind wir mindestens ebenso sehr auf Catherine angewiesen. Die wiederum ist ein relativ geradliniger aber keineswegs einfacher Charakter. Bestimmte Dinge verschweigt sie auch schon mal, was wiederholt zu Streit zwischen unserem Protagonisten und ihr führt. Simon wiederum sieht seine eigene Existenz schlagartig auf den Kopf gestellt. Die neue aber sterbende Welt ist ihm ebenso fremd wie dem Spieler. Natürlich fragt er sich, was aus seinem alten Selbst geworden ist, die reflektierende Haltung zieht sich aber auch in anderen Belangen durch das Spiel.
The last Man on Earth
Audiovisuell wirkt Simons Reise ungemein stimmig. Rein technisch betrachtet reißt SOMA sicher keine Bäume aus. Pixelige Schatten, die ein oder andere eher matschige Textur und teilweise eher detailarme Geometrie stehen schicken Lichteffekten und gelungenem Design gegenüber. Die vergleichsweise lebendigen Außenbereiche wirken dabei meist deutlich schicker als die teils kargen Innenareale. Dabei mangelt es SOMA aber nicht an Liebe zum Detail, die Differenz zwischen Unterwasserwelt und menschgemachter Umgebung ist vielmehr ganz bewusst getroffen. Bereiche, die Seepocken und Wasserpflanzen für sich zurückerobern, schlagen hier auch eine klare Brücke. Wie ein schwarzes, riesiges Geschwür zieht sich wiederum die WAU durch Station und Natur. Die WAU-Monster stören dabei unsere Wahrnehmung, wenn sie uns näher kommen.
Die akustische Seite unterstützt das Spielgeschehen dabei hervorragend. Neben gelungenen Umgebungsgeräuschen, die besonders in den Innenbereichen oft beklemmend wirken und am Meeresgrund auch auf noch vorhandenes Leben verweisen, trägt auch die gelungene Musikuntermalung zur dichten Atmosphäre bei. Das Voice Acting, vor allem der beiden Hauptakteure, steht dem in nichts nach. Abseits von Nachladeunterbrechungen, bei denen der Spielfluss ins Stocken kommt, spielt sich SOMA auf Konsole durchgehend flüssig.
Ganz sicher ist SOMA ein packender und ziemlich tiefsinniger Gruseltrip. Vor allem aber ist es ein Trip, der sich lohnt, auch wenn gewisse Schönheitsmängel vorhanden sind.
Fazit
Schon länger hat mich kein Gruseltrip mehr so abgeholt wie SOMA. Nicht weil es so absolut furchtbar gewesen wäre, sondern weil es mich wirklich abgeholt und mitgenommen hat auf Simons Trip. Sicher, in bestimmten Punkten verschenkt SOMA Potenzial. Aus einem guten Spiel hätte definitiv ein noch besseres werden können. Gleichzeitig kann die Handlung aber wirklich begeistern und durchaus zum Nachdenken anregen. Gerade letzteres ist immer noch eine Ausnahme.