Project CARS 3 im Test – Kupplungsschaden auf der Zielgeraden

Es gibt Studios, die verfolgt man über Jahre hinweg. Für mich ist Slightly Mad Studios so ein Fall. Vor 2009 noch als Blimey! Games unterwegs blicken die Macher der Project CARS Reihe auf eine 15-jährige Rennspiel-Geschichte zurück, die mal mehr, mal weniger simulationslastig war. Nachdem die Macher von Need for Speed SHIFT, Test Drive: Ferrari Racing Legends und eben Project CARS vergangenen Herbst von Codemasters aufgekauft wurden, hätten wohl die wenigsten Rennspielfans noch mit einem weiteren Project CARS gerechnet, das dann auch noch über Bandai Namco Entertainment erscheint. Genau das haben wir nun aber doch bekommen.

Project SHIFT

Irgendwie zieht sich Kritik an der Controllersteuerung bei Slightly Mad Rennspielen seit dem ersten SHIFT wie ein roter Faden durch. Gleichzeitig hatte nach dem actionreichen Simcade-Ansatz von SHIFT jedes weitere Spiel der Briten einen simulationslastigeren Ansatz. Bei Project CARS kam dann auch noch die große Freiheit dazu, Rennlängen etc. völlig frei einstellen zu können. Bis jetzt. Den dritten Teil der Reihe könnte man so gesehen als große Rolle rückwärts bezeichnen, denn die Karrierestruktur erinnert dezent an jene von SHIFT. Gleichzeitig macht es bei der Controllersteuerung noch mal einen Schritt nach vorne. Die ist nämlich deutlich zugänglicher. Zumindest wenn man sich an eine bestimmte Einstellung hält, aber dazu später mehr.

Anders als noch beim Vorgänger dürfen wir bei Project CARS 3 in einer vergleichsweise klassischen Stufenstruktur antreten. Im Karrieremodus starten wir mit einem Road E Klasse Fahrzeug, d.h. Beispielsweise einem Toyota GT86 oder auch Nissan Skyline R34. Dabei versuchen wir in Rennen, primäre, sekundäre und tertiäre Rennziele zu erreichen, wodurch wir Karrierepunkte sammeln, mit denen wir wieder weiter kommen. Jede Rennklasse ist dabei in vier Stufen unterteilt, nach Abschluss von drei Einzelevents gibt es hier immer eine Meisterschaft. An sich eine gute Idee, die in der Praxis aber schnell nervig wird.

Warum? Da wäre beispielsweise die schlichte Tatsache, dass wir manche Fahrten nur mit einem bestimmten Fahrzeug absolvieren können. Beispielsweise ein Breakout Rennen (Hindernisse umfahren und damit punkten) mit einem Supra oder eine komplette Rennserie nur mit einem Frontriebler-Rennwagen. Das wäre nicht weiter wild, gäbe es in Project CARS 3 mehr Einnahmen in der Karriere. Stattdessen sind genau die aber oft ziemlich knapp. Auf die Art kann man tatsächlich mitten in der Karriere erst mal steckenbleiben und muss sehr mühsam Einnahmen zusammen fahren. Wo ein Forza Motorsport 7 schon fast zu sehr mit Autos und Kohle um sich schmeißt, macht es uns Slightly Mad Studios viel zu langwierig.

Da hilft es auch nich wirklich, dass Autos upgradebar sind und man einen Supra auch zum Supersportler aufrüsten kann. Oder zum Rennwagen. Apropos Upgrades, die sind gefühlt deutlich wichtiger als das Setup. Jenes fällt teilweise sogar sehr spärlich aus. Beim ‘frei einstellbaren’ Getriebe kann man bspw. nur die Achsübersetzung ändern, nicht aber die einzelnen Gänge.

Exp- und Strafensystem sind übrigens auch keine echte Hilfe. Ersteres lässt uns nur für saubere Fahrweise punkten. Wer wie bei SHIFT seinerzeit als Rennstreckenrambo unterwegs ist, der verpasst Exp und damit auch spärliche Einnahmen. Das rigide Strafensystem nervt dagegen einfach bei einem Titel, der nicht mehr so wirklich auf Realismus setzt.

Immerhin, für normale Rennen war es bei mir in der Karriere deaktiviert, nachdem ich ein eigenes Rennen ohne Strafen erstellt hatte. Denn eine direkte Option dafür fehlt. Bei Hot Lap und Tempomacher, also Time Attack Events, geht das dagegen nicht. Und das ist schon alleine deshalb extrem nervtötend, weil ihr dort nur respektive drei Runden fahrt. Solltet ihr von der Strecke abkommen, ist eure Zeit damit automatisch für den Allerwertesten und ihr dürft neu starten. Da beide Modi einen ordentlichen Teil der Karriere ausmachen, kann das auch mal ganz schnell zur extremen Spaßbremse werden.

Dazu kommen absurde Kleinigkeiten wie die Folgende: Passt mein Wagen nicht zur Rennklasse, dann kann ich mir unmittelbar vor dem Rennen zwar einen passenden kaufen, will ich mein aktives Auto aber upgraden, dann muss ich dafür komplett zurück ins Hauptmenü.

Sauberes Fahrverhalten, mit Traktionskontrolle

Tatsächlich, die Controller Steuerung flutscht. Zumindest wenn ihr die Traktionskontrolle aktiviert habt. Der gepimpte GT86 z.B. kann schon mit Traktionskontrolle auf niedrig ziemlich biestig werden, ganz ohne erst recht. Dabei fehlt dann genau die Kontrolle, die ein Forza Motorsport mit Steuerung auf Simulation bietet und die für Rennspiele mit dem Gamepad ein echter Maßstab ist. Tatsächlich fand ich Project CARS 2 nicht so viel schwieriger zu steuern, aber doch realistischer. Project CARS 3 weckt auch hier Erinnerungen an SHIFT.

Unterschiedliche Wetterbedinungen sind dennoch nach wie vor entsprechend zu fahren. Autos fahren sich unterm Strich schon unterschiedlich, kurzum, es bleiben wenige Wünsche offen.

Das gilt auch für Fahrzeuge und Rennstrecken. Viele Wagen sind Serienfans längst bekannt. Ob nun der genannte GT86 oder die legendäre ‘Rote Sau’. Es sind aber auch reichlich neue Wagen dabei, vom Audi TTS bis zum elektrischen Hypercar Lotus Evija. Der Fuhrpark mag zwar keine 700 Modelle umfassen, bietet aber extrem viel Abwechslung.

Das gilt nach wie vor auch für die Streckenauswahl. Zwar sind britische Strecken immer noch stark vertreten, aber auch Oschersleben, Imola oder Jerez fährt man nicht überall. Bei den Überlandstrecken gesellt sich die Toskana mit einer gelungenen Strecke dazu.

Kurzum, hier macht Project CARS 3, wieder mal, sehr vieles richtig und manches besser. Und natürlich ist auch das Wetter fahrerisch gelungen.

Der Multiplayer hat übrigens bereits jetzt ein grundlegendes Problem, es mangelt an Spielern. Das ist schade, weil der Onlinepart im Testzeitraum wirklich gut lief. Natürlich lässt sich nicht sagen, ob das mit vollen Servern auch der Fall wäre, aber bereits jetzt hatte ich kein Rennen mit mehr als fünf Teilnehmern.

Rat Race

Optisch gilt das leider extrem viel weniger. Paradebeispiel ist hier wohl Regen. Die extrem niedrig aufgelösten Spiegelungen, die auch noch mit gefühlten 15 fps laufen, gelegentliche schwarze Pixelklötze, die spontan statt Tropfen aufblitzen und eine Auflösung, die in solchen Momenten nur noch Pixelbrei von den Cockpitinstrumenten übrig lässt (selbst Doom 2016 auf der Switch wirkt trotz niedrigerer Auflösung nie so grobpixelig) gesellen sich zu absolut unkonstanter Bildrate, oft matschigen Texturen, gerne mal für ein Rennen vergessenen Lackierungen und einfach zu vielen anderen Problemen.

Zumindest auf Konsole und ganz besonders auf den Basiskonsolen sieht der Vorgänger schlicht und ergreifend besser aus. Gefühlt fehlen Project CARS 3 hier ein, zwei Monate Zeit zur Optimierung, das Ergebnis ist aktuell jedenfalls enttäuschend. Immerhin kann man seine Autos nach wie vor schön lädieren und sich Stoßstange oder Motorhabue abreißen. Das geht auch nicht überall.

Mit Blick auf den Sound ist das doppelt schade, denn der ist besser denn je. Auch Abmischungsgeräusche wie zu laute Crashgeräusche sind Geschichte, Motorensounds sowohl in der Außenperspektive als auch im Cockpit klingen sehr glaubwürdig, das Reifenquietschen ist regelrecht nuancenreich, kurzum macht der Titel akustisch eine bessere Figur denn je.

Fazit:

Project CARS 3 ist kein Totalschaden. Es ist aber leider auch meilenweit vom würdigen Abschluss entfernt, den die Reihe verdient hätte. Aktuell fühlt es sich danach an, als ob das Spiel unbedingt noch termingerecht abgeliefert werden musste, komme was da wolle. Genau das macht unterm Strich aber viele der guten Ansätze kaputt. So ist Project CARS 3 aktuell nur Genrefans wirklich zu empfehlen, nicht zuletzt mangels Alternativen. Es bleibt nur zu hoffen, dass einige Probleme sowohl bei der Karrierestruktur als auch auf technischer Seite mit Updates und Patches noch beseitigt werden. Dann könnte doch noch ein gutes Rennspiel daraus werden. Aktuell ist es davon leider ein gutes Stück entfernt, dabei macht vieles eigentlich schon Spaß, wenn alles mal klappt wie es soll.

Project CARS 3
Präsentation (Grafik, Sound)
68
Story, Atmosphäre
62
Gameplay
65
Multiplayer
67
Spielspaß
70
Leserwertung2 Bewertungen
60
Gute Strecken- und Fahrzeugauswahl
Gelungenes Simcade Fahrverhalten
Gute Soundkulisse
Karrieremodus mit vielen kleinen und großen Macken
Durchwachsene bis fehlerhafte Grafik
Multiplayer jetzt schon ziemlich leer
66