Halo Wars 2 – Captain Cutter im taktischen Test

Wenn’s mal wieder länger dauert, schnapp dir ein Snickers. Eben jene Schokoriegel dürften Fans von Halo Wars reichlich konsumiert haben, mussten sie doch stolze acht Jahre auf einen Nachfolger zum gelungenen Echtzeitstrategie Einstand der Shooterreihe warten. Im Vergleich zur Crew der UNSC Spirit of Fire verblasst diese Zahl aber ziemlich schnell, trieb das Schiff von Captain Cutter doch 28 Jahre durch das All. Im Gegensatz zu uns Spielern durfte man die Zeit aber in Kryostasis verbringen. Ob die Wartezeit in der Tiefkühltruhe am Ende schneller um ist, können wir nicht sagen. Ob die Fortsetzung von den Total War Machern Creative Assembly diesmal etwas taugt dagegen schon.

Know your Enemy

Wer den Vorgänger gespielt hat weiß es schon, gegen Ende des Spiels opferte Sergeant Forge sich selbst und den Überlichtantrieb der Spirit of Fire, um das Leben der Crew, die Galaxis und den ganzen Rest zu retten. Weil das Schiff ohne Kommunikationsmöglichkeit fernab des von Menschen besiedelten Raums durch das All trieb, begab sich die ganze Crew in Kryostasis um ihr Überleben möglichst lange sichern zu können. Stolze 28 Jahre später gibt der Bordcomputer das Signal zum Auftauen, die Spirit of Fire treibt über einer Blutsväter Installation von deren Boden ein UNSC Signal ausgesendet wird. Unfähig die fremde Codierung zu dechiffrieren schickt man ein Einsatzteam runter, das auf die smarte KI Isabel trifft. Und auf unseren zukünftigen Gegenspieler, den Brute Häuptling Atriox. Wie sich herausstellt befinden wir uns auf der Arche. Unklar ist, wie unser Schiff überhaupt bis hier hingelangen konnte. Offensichtlich allerdings, dass in der aktuellen Situation wir die einzigen sind, die Atriox aufhalten oder zumindest bremsen können.

Halo Wars 2 erzählt seine Handlung über Dialoge im Missionsbriefing, Ingame Zwischensequenzen und wirklich sehr gute vorgerenderte Zwischensequenzen. Gerade letztere sind inszenatorisch top und sehen über weite Strecken so gut aus, dass menschliche Gesichter trotz ebenfalls hoher Qualität schon fast enttäuschen. Man wünscht sich irgendwie echte Schauspieler her um die Illusion perfekt zu machen. Das ist allerdings Gejammer auf sehr hohem Niveau, für die Zwischensequenzen ist erneut Bur Studios verantwortlich, deren Arbeit auch bei der Master Chief Collection und Halo Wars überzeugen konnte. Außerdem könnten es irgendwie gerne noch mehr Zwischensequenzen sein, davon ab kann man hier kaum etwas kritisieren. Erzählerisch bleibt der zweite Serienteil dabei eigentlich eher konventionell, mit Isabel wird auch nur ein neuer Charakter auf Protagonistenseite eingeführt. Dafür bekommt das Spartan-Trio Alice, Douglas und Jerome mehr Persönlichkeit als bisher, stellten die Drei doch bis dato unsere Partner am Boden dar. Zur Gegenseite wollen wir gar nicht allzu viel verraten. Mit Atriox verhält sich die Gegenseite aber in jedem Fall etwas anders als unter dem Banner der Allianz.

Command and conquer

Spielerisch präsentiert sich Halo Wars 2 als klarer Nachfolger. Serienkenner sollten sich sofort zu Hause fühlen. Bereits die Steuerung bekam eher Feintuning als grundlegende Änderungen verpasst, warum auch? Für ein Strategiespiel geht die Controllersteuerung hervorragend von der Hand. Zwar sind reichlich Tasten belegt, besonders fummelige Doppelbelegungen darf man aber mit der Lupe suchen, stattdessen geht hier alles gut von der Hand. Neulingen seien dennoch die beiden Tutorials empfohlen. Zwar kann man die Funktionen auch in der ersten Storymission lernen, da das Tutorial aber fix erledigt ist und auch die erweiterten Steuerungsoptionen erklärt macht man hier nichts falsch.

Kleine Komfortdetails funktionieren auch fehlerfrei. Positioniert man den Cursor etwa über einer sich bewegenden Einheit nimmt uns diese mit auf ihren Weg über die Karte. Dabei funktioniert die Erkennung angenehm genau.

Basenbau klappt weiterhin nur an bestimmten Positionen, wobei wieder zwischen Minibasis und ausbaubarer Feuerbasis unterschieden wird. Letztere kann auf höheren Stufen um mehr Gebäude und natürlich Geschütztürme erweitert werden. Generell erfindet Halo Wars 2 hier nichts neu, Einheiten sind per stufenabhängiger Upgrades aufwertbar, so kann man Marines um Granatenwurf und später Bazooka bereichern, ebenso kann aber die Infanterie allgemein verbessert werden. Gewisse Änderungen gab es bei den Einheitenarten. So sind der Elephant als mobile Basis und der Gremlin als Radpanzer mit Lockdown Modus Geschichte, andererseits gibt es mit Nightingale Reparatur VTOL oder Jackrabbit Scoutfahrzeug auch neue Einheiten. Primär wurde in dem Zusammenhang darauf geachtet, dass es weniger Redundanz zwischen verschiedenen Einheitentypen gibt als bisher.

Zwischen den einzelnen Einheitentypen gilt dabei ein klassisches Stein-Papier-Schere Prinzip. Sieht man mal von Anti Aircraft Einheiten ab sind Fahrzeuge z.B. besonders empfindlich gegen Luftangriffe, aber umso effektiver gegen Infanterie. Der Warthog kann gegnerisches Fußvolk sogar per Chargeattacke überfahren. Die Infanterie hat natürlich auch ihre eigenen Stärken. Außerdem unterscheiden sich einzelne Einheiten in der berechneten Truppenstärke, eine Marinesquad mit Truppenstärke drei steht z.B. einem Scorpion Panzer mit Truppenstärke sieben entgegen. Da auch eine teure Supereinheit wie die Vulture nicht unzerstörbar ist kommt es letztlich auf ein sauberes Balancing der Einheiten an. In dem Punkt macht Halo Wars 2 wieder sehr vieles richtig und vor allem einiges besser als der Vorgänger.

Wieder dabei sind die Anführerfertigkeiten, gesammelte Punkte können in Einheitenreparatur, ODST Abwurf, Angriff mit Archerraketen und mehr investiert werden. Entsprechende Manöver kosten allerdings auch Ressourcen.

Die Kampagne, die übrigens auch im Koop spielbar ist, bietet grundlegend traditionelle Missionsstrukturen. Allerdings stimmt die Abwechslung. An der eher actionreichen Ausrichtung ändert sich dabei nichts Elementares. Fans wirklich anspruchsvoller Echtzeit Strategiespiele könnten hier von Halo Wars 2 enttäuscht sein. Allerdings funktioniert das Konzept auf Konsole hervorragend gut, während ein auch nicht wirklich anspruchsvolleres Command & Conquer gegenüber der PC-Fassung klar abfiel.

Die Missionen an sich reichen vom traditionellen Basis bauen, Gegner plätten über die Befreiung von eigenen Soldaten und Halten einer Defensivposition ohne Verstärkung und klassischer Verteidigungsmission auf Zeit bis zum in Stellung bringen eigener Artillerie. Im Rahmen der Kampagne ist dabei für ausreichend Abwechslung gesorgt. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei vierstufig gehalten. Dabei sollte bereits der mittlere Schwierigkeitsgrad, zumindest wenn man rudimentäre RTS-Kenntnisse besitzt, keine gravierenden Schwierigkeiten bereiten. Auf einfach wird Halo Wars 2 zum Sonntagsspaziergang, spätestens auf legendär steigt dann aber auch der taktisch-strategische Anspruch deutlich.

Die Spieldauer der einzelnen Missionen dürfte auf mittlerem Schwierigkeitsgrad meist zwischen 20 Minuten und einer Stunde liegen, wobei jederzeit gespeichert werden kann, das Spiel bietet dabei mehr als genug Speicherslots. Fast schon schade ist hier, dass es nur 12 Kampagnenmissionen gibt.

Warroom Blitz

Natürlich bietet Halo Wars 2 auch reichlich Futter abseits der Kampagne. Leider konnten wir uns dem Mehrspielermodus im Testzeitraum nicht widmen, es mangelte noch an Mitspielern. Die Multiplayer Wertung werden wir deswegen zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen. Allerdings machten bereits die Betas eine gute Figur. Spannend dürfte dabei nicht zuletzt der neue Blitz Modus werden, der Echtzeitstrategie gekonnt mit Trading Card Elementen mischt. Blitz kann auch maximal im Drei gegen Drei Modus gespielt werden, legt aber einen starken Schwerpunkt auf das Kartendeck, welches tatsächlich möglichst ausgewogen sein sollte. Natürlich können Einheitenkarten nicht einfach so ausgespielt werden, ausreichend Punkte müssen erst gesammelt werden. Blitzmatches sind deutlich kürzer als die konventionellen Modi und spielten sich bereits in der Beta angenehm knackig. Virtuelle Boosterpacks spielt man sich praktischerweise an verschiedenen Stellen im Spiel frei.

Auch der klassische Mehrspieler kommt nicht zu kurz. Bei Dominanz müssen Kontrolltürme gehalten werden um zu punkten, Deathmatch entspricht klassischen Skirmish Auseinandersetzungen, wer den Gegner zuerst besiegt hat gewonnen. Festungen nimmt schließlich Anleihen beim entsprechenden Halo Modus, allerdings ist hier auch der Basenbau wichtig, wie es sich für Echtzeitstrategie eben gehört.

Die klassischen Modi sind natürlich alle wieder gegen die KI im lokalen Modus spielbar, Blitz dagegen nur online. Allerdings wird der Blitzmodus mit Firefight einen reinen PvE Modus erhalten, in dem man wie gehabt gegen KI Wellen antreten darf.

Veni, Vidi, Vici

Sicher, es gibt Punkte, die man an Halo Wars 2 kritisieren kann. Der grundsätzliche Spielablauf ist immer noch mehr auf Action getrimmt. Das ist aber absolut nicht schlimm. Und es funktioniert, gerade auf Xbox One einfach konkurrenzlos gut. Bei der Präsentation muss man Negativpunkte schon länger suchen. So fällt die deutsche Syncronstimme von Spartan Alice im Vergleich zu den anderen Sprechern ab. Davon ab sieht der Titel aber verdammt gut aus und hört sich auch so an. Gerade an optischem Abwechslungsreichtum mangelt es nicht. Atriox’ Truppen wiederum erinnern zwar noch klar an ihren Allianz Ursprung, bekamen aber im Erscheinungsbild einen guten Schuss Brute-Look verpasst so dass auch die Gegner Neues zum Vertrauten bieten.

Ganz hartnäckige Gesellen mögen sich vielleicht daran stoßen, dass man Blitz Decks im Ingame Store für Bares erwerben kann. Nach aktuellem Stand muss man das aber genauso wenig tun wie bei Halo 5 Guardians REQ Pakete kaufen. Es lassen sich genug Decks freispielen.

In der Praxis bleibt von all der Kritik nicht viel. Halo Wars 2 setzt die Reihe konsequent fort. Geht dabei die Ecken und Kanten gezielt an, die der Vorgänger noch hatte und serviert ein rundes Gesamtpaket, dass schlicht und ergreifend reichlich Spaß macht. Die Kampagne hätte ruhig noch länger sein dürfen und auch über Atriox hätte ich gerne mehr erfahren. Viel wichtiger aber ist, dass wir hoffentlich nicht nochmal acht Jahre auf das nächste Halo Wars warten müssen.

Fazit

Was lange währt wird endlich gut. Halo Wars 2 leistet sich nirgends echte Schnitzer sondern ist rundum eine gelungene Fortsetzung. Sicher wird der weiterhin gepflegte Actionansatz nicht bei jedem Strategiefan auf Begeisterung stoßen, mit Blick auf ähnliche Titel funktioniert die Reihe auf Konsolen aber konkurenzlos gut. Tatsächlich müsste man schon in Richtung Nintendo und Pikmin schielen, das sich aber letztlich spielmechanisch und vom Szenario völlig von Halo Wars unterscheidet. Bezieht man die Multiplayermodi ein, die wir noch nicht final testen konnten aber bereits im Vorfeld überzeugen konnten, dann gibt es aktuell einfach keine Konkurrenz.

Halo Wars 2
Grafik/Präsentation
88
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
86
Spielspaß
88
Leserwertung0 Bewertungen
0
87