Dandara im Test – Das Salz dieser Erde?

Metroidvania. Keine anderen Spielnamen stehen so fest für ein ganzes Genre wie das Kofferwort aus Castlevania und Metroid. Auch wenn die Vampirjägersippe der Belmonts ursprünglich in geradlinigeren Actiontiteln zu Hause war, spätestens seit Symphony of the Night, bieten beide Reihen ein ziemlich ähnliches Kern-Gameplay. Und genau das nehmen sich seit einigen Jahren immer wieder Indie-Entwickler zum Vorbild für ihre Spiele. Leider bleibt dabei oft die Innovation auf der Strecke. Und natürlich können viele Metroidvanias auch bei der Qualität am Ende nicht mit den Genrebildenden Namensgebern mithalten. Die Brasilianer von Long Hat House wagen sich nun mit Dandara etwas anders an die Dinge heran. Quasi als Wiedergutmachung. Ob das auch klappt?

Gold oder Salz?

Die Welt von Dandara ist eine mythologische, geradezu traumhafte. Und es ist die Welt des Salzes, denn Salz spendet Leben. Freiheit und Kreativität haben hier oberstes Gebot, bis eine goldene Idee sich wie ein Geschwür ausbreitet und anfängt, alles zu unterdrücken. Das stammt, wenn auch nicht im genauen Wortlaut, übrigens tatsächlich aus dem Intro. Wenn man sich diese metaphorische Darstellung mal kurz durch den Kopf gehen lässt, dann stellt man fest, auf wie viele Punkte unserer modernen Welt man sich damit beziehen könnte. Und das nur allzu gut.

Um das Salz zu befreien, und natürlich auch die Bewohner dieser Welt und ihre Kreativität, entsteigt Dandara der Wiege der Schöpfung. Unsere Heldin scheint dabei übrigens Anleihen bei einer tatsächlich echten Freiheitskämpferin zu nehmen, gab es doch im 17. Jahrhundert eine Afrobrasilianerin namens Dandara dos Palmares, die sich gegen die damaligen Kolonialherren aufgelehnt haben soll. Entsprechend ungewohnt kommt unsere Pixelheldin daher. Nämlich dunkelhäutig, mit Afro und langem, wallendem Schal. Dandara ist kein Charakter mit komplexer Backgroundstory oder auch nur mit eigenem Dialog. Trotzdem hat unsere etwas andere Protagonistin einfach etwas für sich. Tatsächlich hat sie mir nach längerer Zeit mal wieder vor Augen geführt, wie monoton das Angebot an Videospielhelden allzu oft ist. Vielleicht ist ein bisschen mehr Diversität ja gar nicht so schlecht.

Im Gegenzug sind die anderen Charaktere, denen wir in der Spielwelt begegnen oft deutlich eigenwilliger. Als erster NPC wäre da Tarsila. Ein großes, aber auch verzerrt wirkendes Wesen. Oder Augustus, der erste große Bossgegner, faktisch ein riesiger Kopf mit paramilitärischem Look. Erstaunlich normal sieht hingegen z.B. Jonny B. aus, von ihm erhalten wir unsere erste Spezialfähigkeit.

Metroid oder Gravity?

In sehr vielen Punkten erinnert Dandara ganz klar an das große Metroid-Vorbild. Zwar nimmt es auch andere Anleihen, auf die wir noch kommen, aber vom scheinbar labyrinthartigen Aufbau, der meist einem gewissen Zweck folgt, über das Weiterentwickeln und somit auch Wege freischalten per Upgrades bis hin zu den Bossfights, mit jeweils eigener Taktik, erinnert Dandara ganz klar an die Abenteuer von Samus.

Ein wortwörtlich gravierender Unterschied: Dandara kann weder normal laufen noch einfach so hüpfen. Sie kann immer nur zu einer mehr oder weniger gegenüber liegenden Salzfläche springen. Also etwa an die Decke oder die schräg gegenüber liegende Wand. Oben und unten in der klassischen Form wie wir es vielleicht gewohnt sind, gibt es in diesem Spiel hingegen nicht. Mehr noch, immer wieder dreht sich unsere Perspektive in die Horizontale oder die Vertikale, wodurch auch ein ums andere Mal umgedacht werden muss. Auch Bewegen und Schießen gleichzeitig sind nicht drin. Es geht immer nur entweder, oder.

Leider lauert hier auch eine der Tücken des Titels. In hektischen Situationen fehlt der Steuerung leider ein gewisses Maß an Präzision und Genauigkeit. Dazu trägt gelegentlich auch Dandaras Standardschuss bei, der aufgeladen werden muss und hohe Streueung sowie kurze Reichweite aufweist. So verlieren wir immer wieder ein Bildschirmleben. Und kehren zum letzten Lagerplatz zurück, an dem wir unsere Fahne aufgestellt haben. Klingt leicht nach Dark Souls? Sogar mehr als leicht. Denn beim Ableben verlieren wir alle Salzfragmente, die wir Gegnern abgeluchst haben. Unsere Hinterlassenschaften sollten wir also schleunigst einsammeln, denn sterben wir erneut ohne sie wieder in unseren Besitz zu bringen, dann sind sie für immer fort.

Der Rest ist mehr oder weniger wie gehabt. Es gilt, einige Fertigkeiten unbedingt zu entdecken, während andere eher optional sind. Truhen beherbergen zusätzliche Heil- und Energieinfusionen mit denen wir uns unterwegs auffrischen können. Und natürlich lassen sich Lebens- und Waffenenergie ebenso verbessern wie die Infusionen. Natürlich mit Salz und ja, am Lagerplatz.

Die Spielwelt ist dabei relativ sinnvoll aufgebaut. Gerade in den ersten beiden Gebieten, dem Dorf und einem Waldbereich, kann man nicht viel verkehrt machen. Das gesamte Dorf ist auf zwei Seiten um einen zentralen Teil aufgebaut, in dem wir einen Lagerplatz vorfinden. Erst wenn wir den ersten großen Boss besiegt haben, und es in die weite Welt hinaus geht, kommen wir an den ersten Punkt wo die Marschrichtung nicht mehr ganz so eindeutig ist. Dennoch ergibt sich ein Weg hier sehr schnell als besonders sinnvoll, während ein anderer vorerst eine Sackgasse bleibt. Das mit den Sackgassen ändert sich mit Spielfortschritt. Also ruhig noch mal dorthin zurück gehen, wo man vorher nicht weiterkam.

Das Gegnerdesign kann ebenfalls überzeugen. Bleiben die ersten Gegner sich teils noch relativ ähnlich, weil es Humanoiden mit Tierköpfen sind, weitet sich das Repertoire bald deutlich aus. Im Wald etwa finden sich Insekten, später im Spiel sogar Wesen mit Pyramidenkopf. Jede Gegnerart hat dabei bestimmte Angriffsmuster und –formen. Gerade bei mehreren unterschiedlichen Kontrahenten macht es also Sinn, sie gut zu kennen, um sich die ein oder andere Kampfstategie zu überlegen.

Pixel oder Ton?

Warum eigentlich oder? Bei beidem macht Dandara eine gute Figur. Die akustische Untermalung verstärkt mit ihren mal sphärischen, mal Klavier-lastigen Klängen ganz klar die traumartige Atmosphäre. Die Soundeffekte sind dagegen schlicht als passend zur Pixeloptik zu bezeichnen während Sprachausgabe komplett fehlt. Aber auch das passt zum Look.

Auf der anderen Seite steht natürlich die Optik, die mit ihrem Pixellook rundum überzeugen kann. Das liegt unter anderem an den Animationen, die auch feine Details nicht vermissen lassen. So ist etwa Dandaras Schal immer passend animiert. Auch, wenn wir beispielsweise unseren Standardschuss aufladen. Unsere Gegner überzeugen hier aber ebenso, wobei die Animationen natürlich auch dabei hilfreich sind, ihr Verhalten abzulesen.

Die Hintergrundgrafiken strotzen trotz Pixellook immer wieder vor kleinen Details oder gar animierten Elementen. Und sie spielen immer wieder mit der Perspektive. Bäume, die auf der einen Seite des Ganges normal stehen und auf der anderen auf dem Kopf gehören dabei zu den harmloseren Elementen. Im Dorf begegnen uns aber auch völlig krumme Verkehrsschilder, die in alle Richtungen gebogen scheinen. Im weiteren Spielverlauf geht es unter anderem in eine High Tech Umgebung oder eine, die an Schlösser Marke Castlevania erinnert. Was stets bleibt und Dandara immer etwas abhebt ist das Spiel mit der Perspektive.

Gut oder Anders?

Oder doch beides? Tatsächlich bereitete mir das Kernfeature von Dandara, nämlich die ungewöhnliche Fortbewegung, auch bis kurz vor Spielende ab und an Probleme, die ich bei anderen Metroidvanias eher nicht habe. So oder so braucht es Eingewöhnungszeit. Dann kann man sich teilweise aber auch enorm schnell durch die verschachtelten Umgebungen bewegen. Auch die Qualität der einzelnen Räume ist nicht immer gleich hoch, die Platzierung der Gegner ab und an schon mal nervig. Kurzum, perfekt ist Long Hat House’s erstes Konsolenspiel nicht. Es ist aber auch bei weitem kein schlechtes Spiel. Die ungefähr zehn Stunden, die man brauchen dürfte um annähernd 100% des Spiels zu entdecken kann Dandara mit frischem Setting und einigen neuen Ideen tatsächlich gut unterhalten. Vorausgesetzt, man kann sich mit der Steuerung arrangieren. Übrigens ist Dandara auf Switch auch per Touchsteuerung spielbar, die klassische Eingabe per Analogstick und Tasten ist aber am Ende deutlich überlegen.

Fazit

Dandara ist ein gutes Spiel mit einem wirklich frischen Hauptcharakter in einer angenehm anderen Spielwelt. Schon alleine deswegen lohnt es sich, über vorhandene Mängel hinweg zu sehen und Long Hat House eine Chance zu geben. Zur Genrespitze fehlt unserer jungen Heldin aber noch ein wenig. Dazu trägt auch die Andersartigkeit der Steuerung ihren Teil bei. Trotzdem, wenn Ihr Metroidvanias mögt lohnt es sich definitiv mal, einen Blick zu riskieren.

Dandara
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
80
Gameplay
76
Spielspaß
81
Leserwertung2 Bewertungen
87
80