Xenoblade Chronicles X: Test

screenshot-xenoblade-chronicles-x-01Als ich mich Anfang 2014 für den Kauf einer Wii U entschloss, lag das eigentlich nur an einem ganz bestimmten Spiel. Doch es war weder Mario, noch Zelda das die Aufmerksamkeit der Konsole auf mich zog, es war der Trailer zu Xenoblade Chronicles X. Fette Mech-Action auf einem fremden Planeten mit riesigen Alien-Dinosauriern!? Da schaltet mein Großhirn schon mal auf Sparflamme. Umso ärgerlicher war es dann, dass der Release immer wieder verschoben oder teilweise gar nicht erwähnt wurde. Ausgerechnet im diesem Jahr, wo Hochkaräter wie Witcher 3, Fallout 4, Pillars of Eternity oder Bloodborne um die Gunst der Rollenspieler buhlten, schickte sich Nintendo an, das Spiel zum Weihnachtsgeschäft zu veröffentlichen. Ob sich das Wii U-exklusive Rollenspielepos aus dem Hause MonolithSoft gegen die anderen Schwergewichte behaupten kann, klärt der folgende Test.

Das Ende der Welt markiert den Anfang

screenshot-xenoblade-chronicles-x-08Im Jahr 2054 wird die Erde von zwei sich rivalisierenden intergalaktischen Streitkräften zerstört. Den Menschen bleibt nur noch die Flucht ins All. An Bord von riesigen Raumschiffen, den Archen, machen sich die Erdbewohner auf die Suche nach einem neuen Zuhause. Die meisten dieser Archen werden schon kurz nach dem Start von den feindlichen Streitkräften zerstört, unser Schiff mit dem symbolträchtigen Namen „weißer Wal“ hat mehr Glück und kann den Invasoren entkommen. Nach zwei Jahren des Umherirrens wird die „weißer Wal“ erneut von den Aliens angegriffen. Dabei wird das Schiff so stark beschädigt, dass es auf dem fremden Planeten Mira notlanden muss. Zwei Monate nach der Notlandung wird mein Held von einer jungen Soldatin Namens Elma aus seiner Kälteschlafkammer geweckt. Die Menschen waren während unserer Abwesenheit nicht untätig und haben in mitten einer prähistorisch anmutenden Welt begonnen, aus den Trümmern der Arche die Stadt New Los Angeles (NLA) zu erbauen und den zum größten Teil noch unbekannten Planeten zu erkunden. Nachdem ich mit den gröbsten Informationen auf den aktuellen Stand der Dinge gebracht wurde, gilt es erstmal in Begleitung von Elma das Hauptquartier in NLA aufzusuchen, um neue Befehle vom Oberkommando zu erhalten.

Jurassic Planet

screenshot-xenoblade-chronicles-x-04Auf dem Weg zur Stadt mache ich mich mit den Grundmechaniken der Steuerung und des Kampfsystems vertraut. Angenehm fällt bei meinen ersten Gehversuchen auf, dass mein Held trotz seines mehrjährigen Kälteschlafs scheinbar nichts von seiner Lauf- und Sprungkraft eingebüßt hat. Meine Spielfigur steuert sich angenehm schnell und macht dank der Anzüge Sprungsätze wie Spiderman, was in Anbetracht der riesigen, weitläufigen Areale mit Bergen und Tälern durchaus von Vorteil ist. Selbst größere Fallhöhen meistert mein Held, ohne sich auch nur einmal Sorgen um seine physische Gesundheit zu machen. Weitaus bedrohlicher muten da schon die riesigen, dinosaurierartigen Wesen an, die Mira beheimaten. Manche von ihnen sind so groß, dass man den Kölner Dom dahinter verstecken könnte, andere wiederum erreichen gerade mal die Größe von Vögeln. Doch nicht alle Tiere sehen in mir automatisch das nächste Mittagessen. Viele nehmen nicht mal Kenntnis von mir oder greifen mich erst an, wenn sie sich von mir bedroht fühlen und wiederum andere jagen mich tatsächlich. Um bei all dem Getier nicht den Überblick zu verlieren, zeigt mir mein HUD dankenswerter Weise an, welche Tiere mich in Ruhe lassen, ob sie durch Geräusche oder Sichtkontakt auf mich aufmerksam werden und sogar, welches Level sie besitzen.

screenshot-xenoblade-chronicles-x-07Sollte es zu einer Auseinandersetzung kommen, wechselt das Spiel übergangslos in den Kampfmodus. Die Kämpfe gestalten sich als eine Mischung aus Echtzeit- und rundenbasierten Kampf. Alle Angriffs-und Unterstützungsfähigkeiten haben eine bestimmte Cooldown-Zeit und wer es versteht, diese Fähigkeiten zum günstigen Zeitpunkt in bestimmten Reihenfolgen gut abzustimmen, wird aus den meisten Kämpfen als Sieger hervorgehen. Bei größeren Gegnern können zudem bestimmte Körperregionen wie Kopf, Beine und so weiter separat anvisiert werden, was sich je nach Art und Auswahl des Angriffs auf den weiteren Kampfverlauf auswirkt. Stoße ich beispielsweise einen Gegner von hinten mit einer Rammattacke um, kann es passieren, dass dieser kurzzeitig hilflos und betäubt auf dem Boden liegt und all meine nachfolgenden Attacken Bonusschaden anrichten. Das klingt im Ansatz alles sehr taktisch und hoch anspruchsvoll, verliert sich jedoch nicht selten in einem chaotischen Gemetzel, woran teilweise auch die etwas ungünstige Kameraführung während eines Gefechtes schuld ist. Neulinge sollten sich etwas Zeit nehmen, um die Eigenarten des Kampfsystems kennenzulernen, während Kenner des geistigen Vorgängers Xenoblade Chronicles sich sicher schneller zurecht finden werden.

Arbeit im gehobenen Management

screenshot-xenoblade-chronicles-x-03Nachdem ich New LA erreicht habe, stellt mich Elma ihrer Sondereinheit, der BLADE-Organisation vor. BLADE unterteilt sich in acht Divisionen mit unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten, die den Aufbau und die Verteidigung der Stadt sicherstellen sollen. Doch dazu später mehr. Zunächst erhalten Elma und ich den Auftrag, eine Überwachungssonde nahe der Arche zu installieren. Dabei treffen wir auf unser zweites Gruppenmittglied, die gerade mal 13-jährige Ingenieurin Lin. Auf dem Weg zur Sonde mache ich mich mit den weiteren Eigenschaften der Rollenspielelemente vertraut. Mit jedem Levelaufstieg erhalte ich Trainingspunkte, die ich entweder in die Verbesserung meiner Kampffähigkeiten oder Talente stecke, wobei es sich bei letzteren um passive Fähigkeiten handelt. Da ich die gewonnen Erfahrungspunkte für all meine Partymitglieder verwalten kann und die Auswahl an Talenten und Fähigkeiten recht hoch ist, fällt es mir Anfangs etwas schwer, den Überblick zu behalten, zumal ich mich ebenso auch noch um die Ausrüstung und taktische Ausrichtung meiner Begleiter kümmern muss. Zudem, gibt es auch noch ein Klassensystem, mit dem sich mein Repertoire an Fähigkeiten ständig erweitert und eröffnet mir zudem den Zugang zu neuen Waffengattungen. Wem nun schon vor lauter Management schwindelig geworden ist, der sei an dieser Stelle gewarnt – da kommt noch mehr auf euch zu. Sobald wir zu einem vollwertigen BLADE-Mitglied ernannt wurden, dürfen wir uns einer von den acht eingangs erwähnten Divisionen anschließen. Da währen zum Beispiel die Pathfinder, welche es sich zur Hauptaufgabe gemacht haben, Datensonden zu installieren. Interceptoren und Harrier sind für Kampfeinsätze verantwortlich, während sich Prospectoren auf das Sammeln und Beschaffen von Ressourcen spezialisiert haben. Auch wenn es hier wieder möglich ist, die Division jederzeit zu wechseln, so sollte meine Wahl dennoch gut überlegt sein, denn neben meinem täglichen Sold erhalte ich je nach Entscheidung exklusive Entwicklungsboni. Erledige ich meine Aufgaben zufriedenstellend, erhalte ich Verdienstpunkte mit denen ich meine mechanischen, biologischen oder archäologischen Fähigkeiten verbessern kann, um entsprechend wertvolle Artefakte zu bergen. Freunde von Tabellen und verschachtelten Skill-Bäumen werden ihre helle Freude mit Xenoblade Chronicles X haben.

Der Weg ist das Ziel

screenshot-xenoblade-chronicles-x-02Wer jetzt jedoch die Sorge hat, Xenoblade Chronicles X sei eher eine Wirtschaftssimulation als ein Rollenspiel, den kann ich an dieser Stelle beruhigen. Vorwiegend besteht die Hauptaufgabe immer noch aus dem Erkunden des fremden Planeten und dem Erschlagen von Monstern sowie Sammeln von Pflanzen und Artefakten. Das macht gerade zu Beginn auch unglaublich viel Spaß, da das Design der Vegetation und der Fauna beeindruckend aussieht und die fünf Kontinente sich auch optisch voneinander unterscheiden. Während der ersten 10-15 Stunden fühlte ich mich wahrlich wie ein großer Entdecker bei der Erkundung einer neuen Welt. Dank der gut auf das Display des Wii U-Tablett integrierten Minimap fühlte ich mich auch nie verloren, lediglich in geschlossenen Gebäuden fiel die Orientierung hin und wieder etwas schwer.

screenshot-xenoblade-chronicles-x-06Doch schon bald stellten sich erste Abnutzungserscheinungen ein, denn in erster Linie gestalten sich die meisten Quests immer nach dem gleichen Schema. Gehe von Punkt A nach Punkt B und installiere eine Überwachungssonde oder berge Artefakt C und besiege dabei noch Gegner D. Auch die Haupthandlung kommt nur schwer in Fahrt, was vor allem an meinem, zu Beginn des Spiels, selbst erstelltem Charakter liegt. Irgendwie scheint der Kälteschlaf mein Sprachzentrum langfristig beschädigt zu haben, da ich mich an Konversationen nur noch gestikulierend beteiligen kann. In Kämpfen schaffe ich es zumindest noch auf Schrei- und Grunzlaute und kann in bester Dragonball-Manier meine Attacken beim Ausführen aufrufen. Das ist mir in Zeiten von vollvertonten Helden wie Geralt aus der Witcher-Reihe oder dem Protagonist aus Fallout 4 dann doch etwas zu wenig. Auch die meisten NPCs und Auftraggeber bleiben leider weitestgehend eindimensional blass. Wer mal eine Pause vom Kartographieren Miras braucht, kann sich auch innerhalb von New LA beschäftigen. Streitende Bürger oder Kriminalfälle sorgen innerhalb der eignen vier Wände für ein bisschen Abwechslung, können hier allerdings auch nicht mit den westlichen Genregrößen mithalten. Die Hauptstärken des Spiels liegen deutlich im Erkunden der Welt, dem Sammeln von Items und dem Aufleven der Truppe.

Ich will meinen Mech

Meine Hoffnungen, direkt nach Erledigen der ersten Missionen in einen der cool designten Mechs, den sogenannten Skells, zu steigen, um auch dem großen Getier auf Mira gewachsen zu sein, wurden erstmal auf die lange Warteliste gesetzt. Tatsächlich war es mir erst nach etwa 30 Stunden Spielzeit möglich, mit den Skells auf die Jagd zu gehen. Natürlich gibt es auch wieder für die riesigen Kampfroboter eigenständige Techniken und Berufsklassen zu erlernen. Zudem können wir unseren Mech auch eigenständig mit Hilfe von Lackierungen individualisieren, cool! Haben wir dann endlich ein Flugmodul an unsere Skells montiert, verändert sich auch die Art der Erkundung nochmal merklich. Ab hier nahm meine Begeisterung für das Spiel auch wieder schlagartig zu.

Fazit

Anfangs faszinierte mich die Inszenierung und grafische Opulenz von Xenoblade Chronicles X. Optisch präsentiert MonolithSoft das bis dato schönste und beeindruckendste Spiel für die Wii U, das sich nicht mal hinter großen Genrevertretern wie Fallout 4 oder Witcher 3 verstecken muss. Das liegt vor allem am fantasievollen und abwechslungsreichen Design des Planeten Mira und seinen mannigfaltigen Monsterarten, denen ich auf meinen unzähligen Erkundungstouren begegne. Da konnte ich auch den etwas zähen Einstieg, der sich im Prinzip als ein überlanges Tutorial herausstellt, ohne aufkeimende Langeweile meistern. Gerade zu Beginn gibt es viel zu lernen. Ich musste mich mit den Kampffertigkeiten, Klassen sowie den Job- und Questsystemen des Spiels vertraut machen, was weiß Gott nicht wenig ist und leider manchmal auch etwas unzureichend erklärt wird. Das ist aber nicht weiter schlimm, da die Welt und deren Inszenierung spannend und motivierend zugleich ist, so dass ich mich auch auf der Spielebene länger mit ihr auseinander setzen möchte, um möglichst effektiv bei der Besiedelung des Planeten Mira helfen zu können.

Umso trauriger, dass die Inszenierung der Story sowie unseres Helden da leider nicht mithalten kann. Zunächst ist das Gefühl gerade zu Beginn des Spiels nur einer von vielen hart arbeitenden Überlebenden zu sein, mal eine angenehme Abwechslung zum ewigen „Auserwählten Weltenretter“, was sich jedoch mit fortlaufender Zeit, aufgrund sich ständig wiederholender Aufgaben in Langeweile umschlägt. Auch die Hauptmissionen unterscheiden sich da im Prinzip nicht großartig. Die Charakterisierung unseres Helden ist ebenfalls etwas enttäuschend. Mitteilen kann er sich nur über Gebärdensprache und Schlachtrufe beim Kämpfen, währen die Hauptstory irgendwie gefühlt über meine Partymitglieder an mir vorbei läuft. Erst, als ich das erste Mal einen Skell besteigen konnte, nahm meine Faszination wieder schlagartig zu, die Defizite in der Geschichte blieben aber leider erhalten.
Auf spielerischer Seite gibt es wenig zu meckern. Die Schrift hätte etwas größer sein können und manchmal zeigt die Kameraführung Schwächen bei Kämpfen, was vor allem in geschlossenen Räumen hin und wieder ärgerlich auffällt. Das Tablet-Display der Wii U wurde sinnvoll mit einer Minimap ausgestattet, auf dem ich sogar auf die angenehme Schnellreisefunktion via Touchpad umschalten kann. Ein nur kleiner, jedoch durchaus praktischer Gimmick, wenn ich bedenke wie oft ich in Witcher oder Fallout für eine Wegpunktplatzierung ins Menü wechseln musste.

Insgesamt fühlte ich mich bei meiner Reise über den Planeten Mira gut unterhalten, während ich mir auf inszenatorischer Seite etwas mehr Mühe bei der Erzählung der Geschichte gewünscht hätte. Ich werde wohl noch einige Stunden in meinen Skells verbringen und fleißig craften, meine BLADE-Kampftruppe optimieren und weitere Überwachungssonden installieren, da ich diese als die größten Stärken des Spiels empfand. Für Spieler die nur eine Wii U besitzen, ist Xenoblade Chronicles X mangels Alternativen ein Pflichtkauf. Multikonsoleros, die gerne mal einen intergalaktischen Columbus mit Mechs im Anime-Look spielen wollten, werden hier ebenfalls glücklich.

Xenoblade Chronicles X
Grafik/Präsentation
91
Story/Atmosphäre
76
Gameplay
92
Spielspaß
88
Leserwertung0 Bewertungen
0
87