Wonder Boy: The Dragon’s Trap im Test – Zurück in die Zukunft

1989 war eine ganze Menge los: Der Deutsche Cricket Bund gründet sich im Schloss Philippsruhe in Hanau, ProSieben beginnt den Sendebetrieb, in den USA wird die erste eigenständige Folge der Simpsons ausgestrahlt, die Bangles singen über eine „Eternal Flame“ und „Zurück in die Zukunft II“ erobert die deutschen Kinos. Nicht zu vergessen: Für das Master System veröffentlicht Sega mit Dragon’s Trap den dritten Teil seiner Jump’n’Run-Reihe Wonder Boy. 29 Jahre später bringt der deutsche Publisher Headup Games ein Remake auf PlayStation 4 und Switch, welches Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen gerecht werden will.

We didn’t start the fire

Bevor es jedoch ins Jump’n’Run-Getümmel geht, muss Publisher Headup Games ein großes Lob ausgesprochen werden. In Zeiten von Downloadcodes hat sich das Unternehmen entschieden, das Remake von The Dragon’s Trap als klassische Retail-Version in den Handel zu bringen. In der Amaray-Hülle wartet dann auch nicht nur der Datenträger, sondern als Gimmick auch noch ein Schlüsselanhänger in Form der Spielfigur und der Soundtrack auf Mini-CD. Die gedruckte Kurzanleitung im Visitenkartenformat erfreut das Nostalgikerherz zusätzlich. Diese Liebe zum Detail macht den Unterschied zwischen einer gelungenen und einer sehr gelungenen Neuauflage.

Das Remake hält sich in Sachen Story strikt an das Original. Der Titel knüpft an seinen direkten Vorgänger Wonder Boy in Monster Land an: Wonder Boy reist in die Höhle des Mecha-Drachens, um ihn zu töten. Dabei wird er allerdings mit einem Fluch belegt, der ihn in einem Mini-Drachen ähnlichen Eidechsenmenschen (englisch „Lizard-Man“) verwandelt. Im Spiel steuert der Spieler nun jenen verfluchten Wonder Boy, der versucht, diesen Fluch aufzuheben. Dafür reist er durch das Land, muss andere Drachen besiegen und schließlich den Vampirdrachen bezwingen, um das Salamanderkreuz zu erhalten – das einzige Objekt, das den Fluch entfernen kann. Das erste Level in Dragon’s Trap ist daher auch eine verkürzte Version des Endgegnerkampfes aus Monster Land, um einen nachvollziehbaren Rahmen für das kommende Geschehen zu schaffen.

Pump up the jam

Ging es im ersten Wonder Boy-Spiel nur um reine Geschicklichkeitsfertigkeiten (hüpfen und laufen), mussten im Nachfolger schon ein wenig Kombinationsgabe aufgebracht werden, um durch die Levels zu gelangen. In The Dragon’s Trap wird das Tüfteln noch wichtiger als im Vorgängerspiel.

Nach dem einleitenden Kampf mit dem Boss aus dem Vorgängerspiel, der uns in einen Jungdrachen verwandelt hat, finden wir uns in einem Dorf der Spielewelt wieder. Ab hier wird das Gameplay nonlinear. Wir erkunden die Welt und finden dabei immer mehr Hinweise und Items, die uns den Zugang zu zunächst verschlossenen Abschnitten genehmigen. Besiegte Gegner hinterlassen Münzen, die wir in Shops gegen Ausrüstungsgegenstände tauschen können – oder wir laden damit in Krankenstationen unseren Energiebalken wieder auf. Zudem konnte man sich im Original in den Städten immer ein Passwort abholen, um den Spielfortschritt nicht zu verlieren. Das funktioniert auch noch im 2018er Remake, wenngleich das Spiel hier grundsätzlich automatisch speichert.

Am Ende jedes Levels, die thematisch klar differenziert sind (Unterwasser, Wüste, Dschungel, Höhlenwelt und Himmel), wartet ein Endgegnerdrache, den es zu besiegen gilt. Nach einem gewonnenen Kampf mit einem Endgegner verwandelt sich Wonder Boy in ein weiteres Wesen, vom Jungdrachen aus gibt es noch Verwandlungen in Maus, Piranha, Löwe und Adler.

Die Steuerung erfolgt in klassischer Genremanier. Auf Knopfdruck wird gesprungen, ein Button aktiviert eine Spezialwaffe. Die unterschiedlichen Iterationen Wonder Boys haben unterschiedliche Fähigkeiten, die es zu berücksichtigen gilt – so kann er als Jungdrache beispielsweise kein Schild halten. Durch die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten der zahlreichen Ausrüstungsgegenstände bekommt das Spiel dabei sogar einen leichten Rollenspiel-Touch und gewinnt an ungeahnter Tiefe.

All around the world

Während das Gameplay so gut wie unangetastet blieb, haben die Entwickler die technische Seite ebenfalls sehr behutsam reformiert. Grafisch überzeugt das Remake mit handgezeichneten Figuren und bunten Hintergründen, zudem ertönt der originale Soundtrack aus den Boxen, der allerdings von Profimusikern rein akustisch auf ihren Instrumenten eingespielt wurde. Die eher spärlichen Originalklänge von Shinichi Sakamoto wurden von den Komponisten Michael Geyre und Romain Gauthier herausgeputzt, so dass die Originalmusik hier eine ganz unerwartete orchestrale Wertschätzung erfährt und die Melodien im neuen Gewand erheblich angenehmer und überraschend gut klingen. Bei der neuen Grafik hat man den Cartoonstil des Originals beibehalten und hervorragend in die Gegenwart transformiert.

Auf Knopfdruck lässt sich sowohl die Grafik zwischen 2018 und 1989 hin- und herschalten als auch die Musik. Dabei kann auch die alte Grafik mit neuer Musik gespielt werden und umgekehrt. Die Steuerung ist fast bis aufs i-Tüpfelchen original, inklusive einem etwas seltsamen anmutendem Flugverhalten im Sprung. Dabei erweist sich sowohl das digitale Steuerkreuz als auch der Analogstick als probates Mittel. Beibehalten wurde auch die kleine Nickligkeit, dass Türen sich nicht immer sofort öffnen, wenn man instruktionsgemäß das Steuerkreuz nach oben drückt. Dass selbst diese Gameplay-Macke im Remake auftaucht, kann man nur als augenzwinkernde Referenz an eine versessene Detailtreue verstehen.

Das Spiel selbst gilt als eines der besten Spiele der gesamten 8 Bit-Ära. Da es Segas Master System gegen Nintendos NES extrem schwer hatte, konnte sich Wonder Boy keine so große Fanbasis erarbeiten wie Mario. Dabei ist sein drittes Abenteuer gerade spielerisch den reinen Sprungpassagen von Nintendo einiges voraus: Durch die nichtlineare Spielwelt bleibt diese interessant, die verschiedenen Fähigkeiten der Spielfigur verhindern, dass die Levels repetitiv und langweilig werden.

Im Kern läuft hier noch haargenau das gleiche Spiel ab wie 1989, inklusive aller Macken und Eigenheiten. Wer in originaler Grafik und Musik zockt, bekommt ein bemerkenswert exaktes Abbild des Originalspiels geliefert – lediglich der Controller in der eigenen Hand erinnert daran, dass man hier nicht vor Segas Master System sitzt.

Listen to your heart

Eine der besten Gelegenheiten, von der Grafik überwältigt zu werden, findet sich auf einem der Tempel in der Wüstenwelt wieder, wenn die Sonne eine Silhouette um den Jungdrachen erschafft, den man zu diesem Zeitpunkt spielt. Das zeigt, wie viel Detailliebe technisch auch in die Charaktergrafiken gesteckt wurde. Neben der herrlichen Grafik sind auch die neuen alten Sounds mitreißend, qualitativ bestechend orchestriert und rein akustisch eingespielt worden. Bemerkenswert ist, dass die modernisierte Präsentation sowohl total frisch als auch nostalgisch zugleich ist. Vielleicht noch bemerkenswerter ist, was die Entwickler unberührt gelassen haben. Das Spiel spielt sich genau wie auf dem Master System. Glücklicherweise ist es in der Welt immer noch ein Spaß, alles zu erkunden und es gibt keinen Mangel an Geheimnissen, die wir entdecken können, wenn wir absolvierte Abschnitte in einer neuen Verwandlungsstufe erneut besuchen. Dass es modernen Standards entspricht, spricht für das Design des Spiels. Die rutschige Charakterbewegung kann das Plattformhüpfen manchmal zu einer lästigen Pflicht machen und kann auch zu einigen frustrierenden Verlusten während des Spiels führen. Das ist kein Problem, das das Spiel ruiniert, aber es ist sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig.

Gleichwohl sollte man nicht vergessen, dass Dragon’s Trap bald dreißig Jahre auf dem Buckel hat. Spiele (vor allem Jump’n’Runs) aus dieser Zeit verfügen über einen nach heutigen Maßstäben eher dünnen Umfang. So hat man auch heute den Titel in knapp fünf Stunden durch, wo früher die Passwörter den Spielstand sicherten, ist es heute ein Autosave. Rücksetzpunkte innerhalb eines Levels gibt es keine, freies Speichern sowieso nicht und die Story ist genretypisch belanglos. Dafür überzeugt der Schwierigkeitsgrad mit einem hohen und fordernden, aber niemals unfairem Niveau. Auch das hat man in den 1980er Jahren anders gesehen.

Fazit

Vergleicht man das Wonder Boy-Remake mit den anderen Remakes, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden, fällt einem nur ein Wort ein: Herausragend. Das Spiel wurde sehr behutsam aufpoliert, ohne es zu modern werden zu lassen. Dabei bleibt die Hingabe der Entwickler von Lizardcube in jedem Moment spürbar. Retrofans werden vor Verzückung jauchzen. Die Detailliebe geht so weit, dass sogar die Animationen in der 2018er Grafik genauso hölzern sind wie im Original. Da kann man jetzt über unzeitgemäße Technik meckern, man kann das aber auch als augenzwinkernde Hommage an einen der größten Klassiker seines Genres verstehen. Publisher Headup Games hat die Retailversion wie erwähnt opulent ausgestattet und rundet ein überragendes Gesamtpaket ab. Wer seit mindestens 20-25 Jahren zockt, muss sich dieses Teil holen – alle anderen werden mit dem Spiel wahrscheinlich ohnehin nichts anfangen können.

Wonder Boy: The Dragon’s Trap
Grafik/Präsentation
79
Story/Atmosphäre
59
Gameplay
81
Spielspaß
85
Leserwertung1 Bewertung
70
76