Uncharted: The Lost Legacy im Test – Action, Abenteuer und Hinduismus

Man hat sich bis dato mit Uncharted 4 als Ende der Uncharted-Reihe rund um Nathan Drake schon abgefunden. Jetzt bekommen wir aber ein weiteres Spiel mit Uncharted im Titel präsentiert, denn auch die Nebencharaktere haben einen großen Teil zum Erfolg der Geschichte beigetragen. Diese spielen in Uncharted: The Lost Legacy nun die Hauptrolle. Funktioniert dieser Teil auch ohne unseren alten Charmeur Nathan Drake? Nach unserer Preview lest ihr hier, ob sich die Erwartungen an das Standalone Addon gehalten haben.

Alte Bekannte

Ihr stürzt euch wieder mal in eine abenteuerliche Schatzsuche – doch diesmal nicht als Nathan Drake. Ihr spielt die Schatzsucherin Chloe Frazer, die euch bereits aus vergangenen Uncharted-Teilen bekannt sein dürfte. An ihrer Seite steht Nadine Ross. Die eigentliche Antagonistin aus Uncharted 4: A Thief’s End wird eure Verbündete. Mit Nadine Ross’ militärischen Wissen und dem archäologischen Hintergrund von Chloe Frazer versucht ihr gemeinsam ein altes indisches Artefakt – den Stoßzahn von Ganesh – zu finden. Wieder mal steht euch dabei aber jemand im Weg. Euer Rivale Asav, indischer Rebellenführer, ist auch hinter dem Stoßzahn her. Nadine kennt Asav und liefert somit hilfreiche Tipps, wie am effektivsten gegen ihn vorgegangen werden kann. Doch warum ausgerechnet dieser Stoßzahn? Was ist das besondere daran? Dies erfahren wir in Dialogen zwischen Chloe und Nadine. Chloe hat eine persönliche Bindung zu diesem Artefakt. Ihr Vater, einst selbst leidenschaftlicher Archäologe, war auf der Suche nach diesem Stoßzahn. Nun möchte sie die Aufgabe ihres Vaters beenden und reist nach Westghats in Hoysala-Reich.

In Uncharted: The Lost Legacy rücken die Götter des Hinduismus sehr in den Vordergrund. Durch Chloe erfahren wir einiges über die indischen Schauplätze und ihre Geschichte. So füllt sich die Spielwelt mit viel Liebe zum Detail und erhält einen geschichtlichen Hintergrund, der ihr nicht nur grafisch Realismus verleiht.

Chloe macht mit ihrem Humor Nathan nicht selten Konkurrenz. Ihr teilweise trockener Humor und die idealen One-Liner passen perfekt zum Charakter. Dadurch wirkt Chloe realistisch und nahbar im Gegensatz zu vergleichbaren Videospielheldinnen wie die originale Lara Croft. Die Beziehung zu Nadine ist zu Beginn alles andere als harmonisch. Mit der Zeit entwickeln beide jedoch Vertrauen ineinander, was sich durch tiefgründige Dialoge zeigt. Eine richtige Buddy-Geschichte will aber nicht so wirklich zünden. Anders als bei Nathan und Sullivan beispielweise bleibt trotzdemimmer eine gewisse Distanz zwischen den beiden.

Asav scheint auf den ersten Blick ein sehr eindimensionaler Antagonist zu sein. Wie sich später herausstellt, steckt jedoch mehr dahinter als nur das indische Artefakt zu finden. Er versucht den Stoßzahn von Ganesh an sich zu reißen, um diesen für einen noch gefährlicheren Plan einzutauschen, der einen Bürgerkrieg in Indien auslösen soll. Da wir ihn im Spiel jedoch so selten zu Gesicht bekommen und auch sonst wenig über seine Geschichte wissen, will eine wirkliche Bedrohung nicht aufkommen.

Semi-Open-World

Die bisherigen Uncharted-Teile haben sich häufig sehr linear gespielt, ohne dabei „schlauchig“ zu werden. Uncharted: The Lost Legacy ist, was das Leveldesign angeht, ein wenig anders. In der ersten Hälfte des Spiels – um genau zu sein in Kapitel 4 – können wir neben der großen Suche nach dem Stoßzahn auf kleinere Schatzsuchen gehen. Ihr könnt in der Spielwelt insgesamt elf Hoysala Tokens sammeln. Jedes Token ist unterschiedlichleicht oder schwer zu finden. Mal müsst ihr euch an einer Horde Rebellen vorbeischlagen, um anschließend eine Mauer zu sprengen, damit ihr an das Token kommt. An anderer Stelle steht ihr vor kniffeligen Rätseln oder müsst euch besonders schnell von A nach B klettern. Dadurch werdet ihr nicht nur wieder vertraut mit der Steuerung, die sich kaum vom letzten Teil unterscheidet – dazu später mehr –, sondern ihr erhaltet auch beim Erhalt aller elf Tokens ein Armband, aber nicht irgendein Armband. Mit dem Rubin der Königin ertönt jedes Mal, wenn ein Schatz in eurer Nähe ist, durch euren Controller eine Melodie und eurer Armband leuchtet rot. Das erleichtert die Suche nach den Schätzen ungemein. Wenn ihr aber nicht auf der Suche nach diesen kleinen Schätzen seid, könnt ihr diese Option im Menü einfach wieder deaktivieren. Und auch sonst fühlt sich Uncharted: The Lost Legacy zu keiner Zeit linear an, die Geschichte entwickelt sich nämlich stetig weiter, egal welchen Weg ihr aufschlagt.

Anderer Charakter – anderes Gameplay

Euch steht frei, ob ihr die Rebellenhorden im offenen Kampf erschießt, sie heimlich erdrosselt oder einfach ignoriert. Eine weitere Neuerung ist Chloes Fähigkeit des Schlösserknackens. Mit dem Analogstick dreht ihr den Dietrich solange im Kreis bis ihr ein Vibrieren am Controller merkt, haltet diese Position und einer der Stifte ist gelöst. Dies müsst ihr, je nachdem wie schwer die Kiste ist, mehrmals wiederholen. Der Dietrich, der Chloes Haarnadel ist, scheint jedoch unzerstörbar. Demnach bleibt euch ein lästiges Abbrechen und anschließendes Suchen nach Dietrichen erspart. Auch in Lost Legacy könntihr natürlich mit eurem Offroad-Auto wieder durch die schöne Landschaft fahren. Scheinbar haben sie nochmal ein wenig am Handling geschraubt, denn der rote Flitzer lässt sich jetzt deutlich besser und genauer steuern. Auch die Kämpfe spielen sich gewohnt flüssig und das Handling der Waffen ist für jemanden, der mit Konsolen-Shootern nicht so bewandt ist, schnell zu erlernen – auch wenn es diesmal eine etwas limitiertere Auswahl an Waffen gibt als noch in Uncharted 4. Neben den bekannten Granaten steht uns diesmal auch C4 zur Verfügung, wodurch wir uns neue Wege freisprengen oder gepanzerte Fahrzeuge ausschalten. Bei den Kletterpassagen bewegen wir uns gewohnt schnell und intuitiv nach oben. Außerdem bekommen wir wieder einen Kletterhaken, den wir auf unserem Weg finden, der uns zu schwer erreichbaren Vorsprüngen verhilft.

Kommen wir nun zu unserer Kumpanin. Nadine steht uns bei unseren Abenteuer immer zur Seite. Doch mehr als Gegner in der Nähe aufspüren, wodurch man diese durch Wände erspähen kann und sich mehr oder weniger aktiv am Kampfgeschehen beteiligen, ist nicht drin. Gerade wenn man die Stealth-Route fährt, sitzt Nadine teilnahmslos im hohen Gras und läuft ab und zu auch gerne mal den Gegnern direkt in die Arme. Und hier wären wir auch schon bei der KI. Denn diese ist auf mittlerem Schwierigkeitsgrad nicht die Hellste. Nadines Umherstreunen wird von ihnen komplett ignoriert. Wird man selbst aber einmal von ihnen entdeckt, wird die gesamte Horde alarmiert. Doch ein kurzes Abtauchen ins Wasser oder Verstecken hinter einem Haus oder Felsen macht die Gegner stutzig und schnell verlieren sie wieder das Interesse an der Bedrohung. Kommt es dann aber wirklich einmal zum Kampf, sind selbst gut gepanzerte Gegner schnell ausgeschaltet und man vermutet, dass die Schwierigkeit im Gegensatz zu Uncharted 4 hier noch einmal ein wenig heruntergeschraubt wurde.

Im späteren Verlauf wird euch übrigens die anfangs besprochene Freiheit wieder genommen. Hier nehmen auch die Kämpfe deutlich ab, um die Geschichte schnell voranzutreiben. Es folgen häufiger Cutscenes, die euch von den vielen, aber nicht schweren vorangegangenen Kämpfen erholen lassen, die Uncharted-üblich aber wieder nahtlos ins Gameplay übergehen. Was so offen und langsam durch eine offenere Welt anfängt, wird durch schnelle Storystränge und Kämpfe zu Ende gebracht. Man wird in der letzten Stunde, gerade dann wenn unsere Beziehung mit Nadine am vertrautesten ist und wir zusätzlich noch einen Gefährten mit auf den Weg bekommen, schnell Richtung Ende geschubst. So bekommt man die ungefähr 8 Stunden Spielzeit deutlich zu spüren. Man hätte gerne noch mehr Zeit in Indien sowie mit Chloe und Nadine verbracht.

Blockbuster

Aufbauend auf der Grafik von Uncharted 4 ist auch Uncharted: The Lost Legacy mit eines der schönsten Spiele, welches für die aktuelle Konsolengeneration veröffentlicht wurde. Das Motion Capture der Figuren fängt wieder mal jede noch so dezente Mimik und Gestik ein. Dadurch bekommen die Dialoge besonders in den Cutscenes filmreife und echte Emotionen, die einen oftmals staunen lassen, dass es sich hierbei „nur“ um ein Videospiel handelt.

Die Spieltwelt von Uncharted war schon immer atemberaubend. Doch besonders in Uncharted: The Lost Legacy bekommt sie durch die Geschichten aus dem Hinduismus selbst eine Hauptrolle. Die kolossalen Statuen, alten Tempel und weitläufige Landschaft lassen einen häufig für einige Minuten stillstehen und verblüfft zurück. Chloe bleibt gerne selbst einen Moment stehen und fängt die Umgebung mit ihrer Handy-Kamera ein. Neben der ganzen Historie bleibt man so also noch am Puls der Zeit.

Multiplayer

Falls ihr Uncharted 4 nicht besitzen solltet, könnt ihr mit Uncharted: The Lost Legacy nun auch auf den Multiplayer des letzten Teils zugreifen. Neue Charaktere wurden hinzugefügt und minimale Änderung am Balancing wurden vorgenommen, doch der Grundaufbau des Multiplayers ist gleich geblieben. Deswegen habe ich ihn in der Wertung nicht nochmal mit aufgenommen. Wenn ihr mehr zum Multiplayer erfahren möchtet, könnt ihr dies im Uncharted 4 Test noch einmal nachlesen.

Fazit

Uncharted: The Lost Legacy fügt sich perfekt in die bestehende Uncharted-Reihe ein. Es ist erfrischend einmal jemand anderes zu steuern als Nathan Drake. Chloe braucht sich vor ihrem männlichen Counterpart jedoch nicht zu verstecken: Humorvoll, sarkastisch und neugierig. Die charaktervolle Darstellung von Chloe lässt Nadine deutlich in den Hintergrund rücken und auch der Antagonist ist wenig überzeugend. Die Kämpfe sind einfach gestaltet, dafür lädt die offenere und atemberaubende Spielwelt zum Erkunden und Verweilen ein. Mit rund 8 Stunden Spielzeit ist Uncharted: The Lost Legacy ein kurzes Abenteuer, das trotzdem bis zum Schluss Spaß macht und spannend bleibt.

Uncharted: The Lost Legacy
Grafik/Präsentation
98
Story/Atmosphäre
86
Gameplay
74
Spielspaß
89
Leserwertung0 Bewertungen
0
87