Tom Clancy’s Ghost Recon Breakpoint im Test – Zwei Nerds spielen Geisterstunde

Da hocke ich also alleine im Wald, das Sturmgewehr im Anschlag, Dreck im Gesicht und auf den Klamotten, ein blutiger Verband ziert meine Wade und ich habe furchtbaren Durst. Also mit Ich, ist mein virtueller Ghost gemeint. Denn Ubisoft hat mit Tom Clancys: Ghost Recon – Breakpoint erneut ihre Geister losgelassen, die sich hinter feindlichen Linien einer Übermacht stellen müssen. Wie bereits in den Trailern zu erfahren war, agiert ihr nun auch nicht gegen Kartell-Söldner, sondern habt es mit abtrünnigen Kameraden zu tun. Unter der Führung eures ehemaligen Freundes, Cole Walker, haben die Wolves die fiktive Insel Aurora übernommen und schmieden finstere Pläne zur Machtergreifung der restlichen Welt. Aurora ist eine Insel, auf der Skell Tec eine Art Eldorado für freie Wissenschaftler errichtet hat, die gemeinsam an einer fortschrittlichen Zukunft arbeiten können. Cole Walker und seine ehemaligen Elite-Kämpfer fungierten dort als Sicherheitspersonal, durchschauten aber schnell das Potential der wissenschaftlichen Entdeckungen auf der Insel und übernahmen gewaltsam die Kontrolle, um diverse Projekte als Waffen umzurüsten. Euer Charakter (den ihr optisch recht frei selber gestalten könnt) überlebt den Hinterhalt der Wolves, als sich einige Einheiten der Seals auf den Weg zur Insel machen wollen. Nun sind die Truppen zersprengt und ihr seid mit wenigen Überlebenden auf euch allein gestellt.

Wildlands oder Breakpoint ist eigentlich egal

Spielerisch unterscheidet sich Breakpoint im Grunde kaum vom Vorgänger Wildlands. Diese Aussage trifft zumindest auf das Kern-Gameplay zu. Movement, Gunplay und Tastenbelegung wurden Eins zu Eins übernommen, wodurch sich der Titel für Kenner des ersten Teils direkt vertraut anfühlt. Geduckt durch die Wälder und Basen zu schleichen und lautlos die zuvor per Drohnenaufklärung markierten Feinde auszuschalten klappt auch in Breakpoint nach wie vor wunderbar. Ein paar Neuerungen haben es natürlich dennoch ins Spiel geschafft. So verfügt euer Charakter nun über gleich vier verschiedene Klassentypen. Zur Auswahl stehen Sturmsoldat, Scharfschütze, Sanitäter und Panther. Unterscheiden tun sich die Klassen natürlich in ihrer Ausrichtung. Während der Sturmsoldat der Mann fürs Grobe ist und sich auf seinen verringerten Waffenrückstoß und seine Gasgranate verläst, ist der Panther darauf spezialisiert unentdeckt zu bleiben. Dafür besitzt er Fertigkeiten die ihn und Verbündete unsichtbar für Drohnen machen oder einen Rauch zünden lassen, um aus brenzligen Situation zu fliehen. Der Scharfschütze hat eine coole Drohne im Gepäck, die Feinde markiert und kann auf panzerbrechende Geschosse zurückgreifen. Der Sanitäter heilt bekanntlich Verbündete. Das kann er mit Medipacks oder einer Drohne erledigen.

Zusammen ist man nie allein

Dieser schlaue Grundsatz trifft dieses Mal jedoch gar nicht unbedingt zu. Denn wenn ihr euch solo ins Abenteuer stürzt, seid ihr tatsächlich auch nur alleine auf Aurora unterwegs. Auf eure drei CPU-gesteuerten Kumpels aus Wildlands müsst ihr dann nämlich verzichten. Natürlich lässt sich der Titel aber mit bis zu drei echten Freunden zusammenspielen. Hier könnt ihr die verschiedenen Klassen zusammenbringen und die gegnerischen Basen etwas entspannter ausräumen. Denn noch immer gehört das Looten zum Geist sein dazu, wurde aber in Breakpoint stark erweitert. Ähnlich wie schon in The Division befinden sich jetzt Rollenspielelemente im Titel. Euer Charakter hat einen Stärkelevel, der sich aus der ausgewählten Ausrüstung zusammensetzt. Feinde haben ebenfalls ein solches Stärkelevel und fallen bei Beschuss entweder sehr schnell oder sehr langsam bis gar nicht um. Wobei zu erwähnen sei, dass ein Kopfschuss aus jeder Waffe im Spiel immer tödlich für den Gegner ist. Somit ist es theoretisch machbar bereits am Anfang des Spiels auch in höherlevelige Gebiete einzudringen. Da ihr jedoch nur sehr wenige Treffer einstecken könnt, reguliert sich der Zauber der Kopfschüsse schon irgendwie auch selber. Zusätzlich haben es nun “Survival Elemente” ins Spiel geschafft. Das bedeutet, dass ihr ab und zu mal eure Wasserflasche füllen und einen Schluck daraus nehmen müsst, damit sich euer Ausdauerbalken wieder vollständig füllt. Ausdauer verliert ihr beim Sprinten oder wenn ihr einen Berg runterrennt und dabei dauernd auf die Nase fallt. Als Navy Seal.

So viel (kaufbarer) Loot

In einem Lootshooter findet ihr bekanntlich jede Menge neue Ausrüstung und Waffen. Das ist auch bei Breakpoint der Fall. Gegner lassen die typisch farblich gestuften Items fallen. Also von ganz gewöhnlich (grau) bis exotisch (orange). Die Droprate hält sich jedoch in Grenzen. Dafür gibt es zahlreiche Itemkisten auf der Map und vor allen in Stützpunkten zu finden. Hier skaliert das Spiel euer eigenes Level mit und versorgt euch mit immer stärkeren Gewehren, Hosen oder Pistolen. Die Menge kann sich natürlich nicht mit der eines Borderlands oder Diablo vergleichen, aber man erhält aus einem Stützpunkt schon gute acht bis neun neue Items, was völlig in Ordnung ist, da ich persönlich eh nicht so gerne geliebte Waffen etc wechsle, weil ich mich nicht umgewöhnen möchte. Wer zu faul zum Suchen ist, der kann sich im Ubisoft eigenen Shop austoben. Und dort kann man sich wirklich austoben. Klamotten, Waffen, Fahrzeuge, Aufnäher für euren Rucksack, Spielerembleme und XP-Booster. Es gibt eigentlich nichts, wasman dort nicht für teuer Geld kaufen kann.

Für die einen mag das schon ein Grund zum Brüllen sein, ich sehe das etwas differenzierter. Mir ist eher wichtig, dass einem das Spiel nichts aufzwingt oder gar eine Art Paywall aufbaut. Bei Tom Clancys Ghost Recon Breakpoint trifft dies für mich nicht zu. Der Shop befindet sich in der Basis und wird von Maria geleitet. Hier kann man zwischen dem Bereich der gefundenen Ingame-Währung und der für echtes Geld wechseln. Das zahlreiche Angebot mag verlocken und dadurch moralisch bedenklich sein, wer diese Monetarisierung jedoch einfach ignorieren und ausblenden kann, der kommt auch so sehr gut durchs Spiel ohne echte Euros zu investieren

Ubisofts nächste riesige Open World

Klar, das Genre was Ubisoft so erfolgreich gemacht hat, hat weltweit sicher sehr viele Fans. Mich persönlich stresst es aber mittlerweile eher, als das ich mich über den immensen Umfang freue. Das hat neben der übermäßig langen Spielzeit, die ich investieren muss auch andere Gründe. Aurora wurde von den Designern komplett neu erschaffen und ist wieder mal größer als Far Cry 5 und hast du nicht gesehen. Mir geht es wie vielen aus der Redaktion und aus meinem Bekanntenkreis aber vornehmlich darum, dass wir diese Art Spiele einfach überdrüssig geworden sind und uns übersättigt fühlen. Dazu kommt, dass einen das Spiel in diesem Fall auch nur sehr spärlich motiviert den 20. Stützpunkt auf die immer selbe Weise zu befreien, um dafür belanglosen Loot zu bekommen, von dem man spielerisch einfach kaum einen Unterschied bemerkt. Das nächste Sturmgewehr mit dann 2 Punkten mehr Schaden, das unterm Strich genau gleich nutzbar ist und ich sowieso nur auf den Kopf ziele. Die Welt ist riesig und auch hübsch aber der Inhalt fühlt sich dennoch leer an. Die Nebenquests sind auch einfach nur Hole Objekt A und B und bringe es dem Auftraggeber anschließend vorbei. Ähnlich banal verhalten sich übrigens auch leider sämtliche Gegner. Diese laufen stumpf auf eure Position zu, haben keinerlei Sorgen um ihr eigenes Leben und von einem Lernprozess offenbar noch nie etwas gehört. Daraus resultiert, dass ich ihr euch einfach in einem Gebäude mit einem Raum verschanzen könnt und sich jeder Gegner beim Durchlaufen der Türe ohne Probleme erschießen lässt. Es wirkt dann völlig absurd, wenn der 15. Gegner durch ein Kunstwerk aus gestapelten Toten geradeaus in sein Verderben läuft.

Verschenktes Potential zugunsten der Größe

Dabei ist das Spiel als Solches im Kern wunderbar spielbar. Wenn man auf das Setting steht, macht es schon Spaß mit einem Elite Seal durch die Büsche zu schleichen, dabei das Lager auszukundschaften und dann taktisch leise anzugreifen. Macht man das jetzt noch mit Freunden zusammen, kommt wirklich eine tolle Atmosphäre rüber. Wir sind Elite-Soldaten, wir erledigen jeden Job und sind unkaputtbar. Leider ist hier das Motto zu sehr, das Party nunmal ist, was ihr selber draus macht. Denn man kann eben auch sehr plump vorgehen und die Vorzüge der tollen und dichten Atmosphäre mit der Banalität des Spiels ausschalten und alle Feinde wieder nacheinander der Reihe nach ohne Planung zu Klump schießen. Daher wäre es schon ratsam das Spiel vielleicht in Absprache mit Freunden auf die Einkaufsliste zu setzen. Technisch liefert das Spiel natürlich auch wieder Ubisoftmäßig ab. Die riesige Welt sieht toll aus, die Animationen sind gelungen und Aurora versprüht einen eigenen optischen Flair. Die hochtechnologischen und luxuriösen weißen Wohnkomplexe und Gebäude geben einen modernen Kontrast zur sonstigen grünen Natur.

Fazit von Dominik

So langsam stellt sich etwas Ernüchterung beim “Höher, Schneller, Weiter” von Ubisoft ein. Während Far Cry 5 für mich schon nicht mehr so gut funktioniert hatte, bin ich bei Ghost Recon Breakpoint einen Schritt weiter und empfinde das Spiel als belanglos. Das Kern-Gameplay könnte man in einem richtigen Solospiel viel besser zur Geltung bringen und mit vielen Highlights eine erinnerungswürdige Kampagne basteln. Leider verstreut man all dieses Potential auf einem übergroßen Spielplatz, auf dem nichts so richtig zur Geltung kommt. Das fängt mit der wirklich saudummen KI an, geht über Loot, über den man sich kaum freut und hört beim anspruchslosen Abklappern von Unwichtigkeiten, der viel zu großen Karte auf. Somit wäre mein Wunsch an Ubisoft, es mal wieder mit einem richtigen Kampagnenspiel zu versuchen, statt auf die Packung schreiben zu können, dass alles nun noch größer geworden ist. Denn Größe hat nichts mit Inhalt zu tun. Wer den Vorgänger gemocht hat und ein paar Freunde am Start hat, kann sich das Ganze aber dennoch angucken. Denn Spaß kann man mit dem Spiel schon haben. Man kann es aber halt auch so spielen, das es keinen Spaß bringt und man sich über viele Ungereimtheiten aufregen muss.

Fazit von Philipp

More of the same! Nicht mehr und nicht weniger ist Ghost Recon Breakpoint. Nein, so ganz stimmt das vielleicht auch nicht. Das Pariser Studio hat sich schon wirklich viele neue Features ausgedacht: Der Survival Aspekt, das Klassen- und Erfahrungssystem mit jeder Menge Loot. Das Problem ist aber, dass gerade die Neuerungen zu inkonsequent und viel zu flach umgesetzt sind. Die Klasse kann jederzeit gewechselt werden, man skillt sich munter durch den Fähigkeiten Baum ohne wirklich tiefe Spezialisierungen. Wer Breakpoint allein spielen möchte und sich ein Stealth Taktikshooter erhofft, der wird milde enttäuscht sein. Zu einfach ist die Holzhammer Methode, um auch solche Spieler anzusprechen. Alles so ausgelegt, dass auch Gelegenheitsspieler auf ihre Kosten kommen. Man möchte keinem Spieler auf die Füße treten und so bleibt Ghost Recon Breakpoint eine Erfahrung, die getrost im Laubhaufen des Spieleherbstes liegen bleiben darf vor allem für einen Vollpreistitel. Wer Ghost Recon Wildlands noch nicht gespielt hat und vielleicht ein oder zwei Freunde in petto hat, sollte lieber zu dem Vorgänger greifen.

Tom Clancys Ghost Recon Breakpoint
Grafik/Präsentation
83
Story/Atmosphäre
70
Gameplay
68
Multiplayer
73
Spielspaß
70
Leserwertung9 Bewertungen
87
Mit Freunden zusammen Navy Seals zu spielen macht Spaß
Die Map und der Umfang ist groß (wer es mag)
Sieht schick aus
Die Map und der Umfang ist groß (wer es nicht mag)
KI jenseits von Gut und Böse
Loot belanglos
71