Anfang 2001 gesellte sich in das damals sehr beliebte RTS-Genre ein kleines aber feines Strategiespiel namens Sudden Strike. Das PC exklusive Echtzeitstrategiespiel brachte einige frische Ideen in die Echtzeittaktikspiele, so gab es beispielsweise keinen Basisbau, was dazu führte, dass man einzig mit den Einheiten, die man von Anfang an hat, auskommen muss und Verstärkung nur für das Erreichen bestimmter Missionsziele erhält. Zudem war die Munition der Einheiten begrenzt und bedurften ständig Nachschübe durch Versorgungs-LKWs. Das Spiel gestaltete sich durch diese spieletechnischen Besonderheiten extrem anspruchsvoll und schwierig, verschaffte sich somit aber auch einen gewissen Ruf unter RTS-Fans. Nach 2 mehr oder weniger erfolgreichen Nachfolgern blieb es lange still um das Strategiespiel im Zweiten Weltkrieg-Setting, bis Kalypso Media Mitte letzten Jahres überraschend den vierten Teil der Serie ankündigte. Unter der Entwicklung der Kite Games, welche überwiegend aus alten Mitarbeitern der Codname: Panzer-Reihe bestehen, findet ein Sudden Strike-Spiel nun erstmal auch den Weg auf die Konsole. Ob sich die hochkomplexe Steuerung und Einheitenverwaltung auch gut auf Konsole spielen lässt, findet ihr im folgenden Test heraus.
Von Stalingrad bis zur Normandie
Sudden Strike 4 spielt, wie auch die Vorgänger, im zweiten Weltkrieg. Als Fraktionen stehen Russland, das Deutsche Reich und die West-Alliierten zur Auswahl, welche alle jeweils eine eigene Kampagne bekommen haben. Diese Kampagnen bauen nicht geschichtlich aufeinander auf und sind von Anfang an frei wählbar. Alle Fraktionen verfügen über unterschiedliche Einheiten, wobei sich diese allerdings nur minimal voneinander unterscheiden. Dadurch lässt sich die Wehrmacht, rote Armee als auch die Alliierten, relativ ähnlich spielen. Die Missionen ziehen sich quer durch Europa und behandeln unter anderem den Einmarsch der Wehrmacht in Polen, die Befreiung Frankreichs sowie den Russlandfeldzug. Eine durchgehende Geschichte innerhalb der Kampagnen gibt es nicht. Die Missionen werden teils etwas trocken und emotionslos eingeleitet und feste Bezugsfiguren oder gar Helden sucht man auch vergebens. Dafür ist die Detailverliebtheit der Landschaften und Einheitenmodelle hervorragend gelungen, kommt es zu einer größeren Schlacht raucht und explodiert es eindrucksvoll an allen Ecken und Enden, wodurch ein erschreckend authentisches Schlachtfeldambiente entsteht. Nur schade, dass es auf der PS4 (selbst auf der Pro) immer wieder zu teils heftigen Rucklern kam. Hoffentlich wird hier noch nachgepatcht!
Ich sehe was, was du nicht siehst
Auch das vierte Sudden Strike bleibt in seiner spielmechanischen Linie treu. Einheiten benötigen ständig Munitionsnachschub, motorisierte Einheiten Benzin und es gibt keinen klassischen Basisbau. Das macht die Reparaturfahrzeuge, die ebenso als Munitions- und Kraftstofflieferant dienen, besonders wertvoll und sollten daher um jeden Preis aus jedem noch so kleinem Kampfgetümmel rausgehalten werden. Gibt es keinen Nachschub mehr, steht eure Armee bald auf dem Trockenen und ist dem Feind somit schutzlos ausgeliefert. Zudem können mit ihrer Hilfe Pontonbrücken errichtet werden, womit Flüsse auch für schweres Kriegsgerät passierbar wird und wir die oft schwer bewachten Brücken klug umgehen können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Sichtbereich. Zwar ist die gesamte Karte zu Beginn einsehbar, gegnerische Einheiten bleiben jedoch unter dem „Nebel des Krieges“ verborgen. Generell gilt als Faustregel, dass Infanteristen ein größeres Sichtfeld als motorisierte Panzereinheiten haben. Wer also mit seinen Panzerkolonnen unachtsam und blind durch Gelände brettert, darf sich nicht wundern, wenn er von einigen gut positionierten PAK-Stellungen in Grund und Boden geschossen wird, bevor er überhaupt sieht, was ihn da eigentlich erwischt hat. Zwar gibt es im vierten Teil auch die Möglichkeit, den Panzerkommandanten aus der Luke über das Schlachtfeld blicken zu lassen, aber das Fahrzeug ist dadurch deutlich anfälliger für Beschuss. Eine gute Auskundschaftung des Geländes mit einer Mischung aus Infanterie und einigen Kettenfahrzeugen ist für ein erfolgreiches Abschließen der Missionsziele unerlässlich. Ganz große Taktikfüchse können sogar versuchen PAK-Stellungen und unbemannte Fahrzeuge mit eigenen Soldaten zu besetzen, um sie dann gegen den Feind einzusetzen, was gerade im Anbetracht der limitierten Truppenverstärkung äußerst ratsam ist. Hin und wieder können wir auch Flugzeuge als Unterstützung anfordern. Während die Aufklärungsflugzeuge eine wahre Wohltat für jede Panzerkompanie darstellen, können gut eingesetzte Flugbombenangriffe ganze Befestigungen in Schutt und Asche legen. Bevor man jedoch seine Flieger loslässt, sollte man sichergehen, dass es keine Flugabwehrgeschütze in unserer Flugroute gibt, denn sonst sind unsere wertvollen Flugzeuge die einzige tödliche Fracht die vom Himmel fällt.
Die Missionsziele reichen von klassischen „Nehmen und Halten“ bis hin zu “Konvoi beschützen“. Oft gilt es innerhalb einer Mission mehrere dieser Aufgaben zu lösen, was für eine gewisse Dynamik während der Feldzüge sorgt. Der Begriff „Dynamik“ sollte hier jedoch nicht missverstanden werden. Sudden Strike spielt sich im Vergleich zu seinen Genrekollegen wie Starcraft oder im Konsolenbereich Halo Wars 2 recht langsam und behäbig. Wie bereits beschrieben findet hier die meiste Arbeit in der Planungsphase statt Aktionsphase ab. Das kann mitunter zu frustigen Momenten führen, wenn ein Plan nicht wie gewünscht aufgeht. Sei es eine blöde PAK-Stellung, die man übersehen hat oder ein Gegenangriff aus unerwarteter Richtung. Stellt auf das ein oder andere Neuladen ein und speichert am besten vor jedem größeren Angriff euren Spielstand.
Alles unter Kontrolle?
Bei so viel taktischen Anspruch ist eine möglichst eingängige Steuerung der Einheiten sicherlich das A und O. Tatsächlich lassen sich die Einheiten recht angenehm per Controller steuern. Es können Schnellzugriffstruppen gewählt werden, mit L2 zieht man eine praktische Minikarte hervor und auch die Auswahl mehrerer Truppen funktioniert per Aktionstaste X und dem linken Analogstick recht gut. Es könnte für Konsolenverhältnisse also alles recht annehmbar kontrollierbar sein, doch leider spielte die streckenweise katastrophale Wegfindung meiner Einheiten einen Streich durch meine lang erdachten Pläne. Vor allem meine Panzer hatten große Mühe sich durch engere Häusergassen zu bewegen oder drehten sich manchmal auch völlig planlos mit dem ungeschützten Heck Richtung Feindeslinie, was einer Kapitulation gleichkam. Oft half nur kleinliches Anwählen einzelner Einheiten, um die gewünschten Bewegungsformationen beizubehalten, was aufgrund der Controllersteuerung nochmals einen großen Teil nerviger daher kam. Hoffentlich werden die Panzerdivisionen noch per Patch auf intelligent getrimmt, denn im jetzigen Stadium des Spiels vereitelt die KI manch gut überlegtes Manöver.
Wähle Weise
Für jede Fraktionen stehen vor Beginn einer Mission drei Generäle (Infanterie-, Panzer- und Unterstützungsgeneral) mit besonderen Fähigkeiten zur Auswahl. Mit gewonnen Sternen aus den Missionen können wir neue Fähigkeiten dazukaufen. Beispielsweise können wir mit dem Panzergeneral den Sichtbereich unserer Panzer verbessern, während der Unterstützungsgeneral die Leistungen unserer Reparaturfahrzeuge verbessert. Und wo wir bei Unterstützung sind. Luftunterstützung kann man nur im Verlauf einer Mission rufen, sobald gewisse Ziele erreicht oder andere Trigger ausgelöst wurden.
Fazit
Sudden Strike 4 hätte wirklich viel Spaß machen können. Die Grafik und das Design der Landschaften und Truppen sowie die Detailverliebtheit bei der Inszenierung der Schlachten können in den richtigen Momenten für packende Echtzeittaktik sorgen, die zudem noch unverschämt gut aussieht. Es ist auch nicht das langwierige Auskundschaften von feindlichen Truppen oder dem mühsamen Zusammenlegen von Truppen, was in mir ein Gefühl von Frust aufkommen ließ. Vielmehr war es die leider verhunzte Wegfindung meiner Truppen, die auch den besten Plan buchstäblich in Rauch aufgehen lassen können. Das ist vor allem deswegen schade, weil sich die Entwickler der Kite Studios es so gut es geht geschafft haben, die komplexen Befehlsketten eines Echtzeitstrategiespiels per Controller steuern zu lassen, doch ist es eben leider die schwache KI bei der Wegfindung, die den Wunsch nach einer Maus- und Tastaturunterstützung groß werden lassen. Wer ein überdurchschnittliches Maß an Frustrationtoleranz und Geduld mitbringt, wird mit Sudden Strike 4 in seinen starken Momenten (und die gibt es durchaus) viel Freude haben. Menschen, die es lieber etwas unkomplizierter und frustfreier mögen, sind bei Spielen wie Halo Wars 2 sicherlich besser aufgehoben.